Friday, January 12, 2024
„Die müssen sagen, wie sie vom Baum wieder runterkommen“
WELT
„Die müssen sagen, wie sie vom Baum wieder runterkommen“
1 Std.
Seit einer Woche demonstrieren die Bauern deutschlandweit. Die Grünen-Politikerin Renate Künast mahnt die Ampel-Koalition, landwirtschaftliche Reformen schneller umzusetzen. Bei der Beendigung der Proteste sieht sie den Bauernverband in der Pflicht.
Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast hat die Ampel-Koalition aufgefordert, mehr Tempo bei der Umsetzung landwirtschaftlicher Reformen zu machen. „Ich gehöre auch zu den Ungeduldigen, die stets sagen, es muss schneller gehen“, sagte sie „Zeit Online“.
Auf die Frage, ob der Umgang ihres Nachfolgers Cem Özdemir mit den Bauern zu konfliktscheu sei, antwortete Künast: „Cem Özdemir ist halt ein anderer Typ als ich. Ich glaube, jeder weiß, dass ich schneller wäre.“ Sie ergänzte: „Aber nicht alles, woran in einem Ministerium oder mit dem Koalitionspartner längst schon intensiv gearbeitet wird, ist nach außen bereits erkennbar.“
Bei der Beendigung der Proteste sieht Künast vor allem den Deutschen Bauernverband in der Pflicht. „Die müssen sagen, wie sie vom Baum wieder runterkommen“, sagte sie. Künast übte zudem Kritik an den Verbandsvertretern. Die Bauernfunktionäre beriefen sich zwar einerseits auf Beschlüsse der Kommission zur Zukunft der Landwirtschaft (ZKL) oder der Borchert-Kommission zur Tierhaltung.
Aber wenn es konkret werde, dann kämpften die gleichen Funktionäre gegen jede noch so kleine Veränderung. „Am Ende heißt es dann wieder nur: Wir brauchen Geld“, sagte Künast. „Wir können nicht immer nur über zusätzliches Geld reden, die Landwirtschaft ist bereits hochsubventioniert.“
Künast will Bauern und Genossenschaften sowie andere Abnehmer zudem verpflichten, Preise durch Verträge zu sichern. „Wir wollen durchsetzen, dass Bäuerinnen und Bauern mit Molkereigenossenschaften und anderen Abnehmern ihrer Erzeugnisse von Anfang an klar regeln können, welche Menge sie in welcher Qualität und zu welchem Preis produzieren und dass diese Verträge auch nicht nachträglich geändert werden können“, sagte Künast.
Dies solle im Rahmen der anstehenden Nachbesserung des Agrarorganisations- und Lieferkettengesetzes geschehen. Sie forderte außerdem, die Monopolkommission solle prüfen, „welche Bedingungen der Einzelhandel und die Lebensmittelindustrie den Bauern diktieren“.
Notwendig sei eine Vertragspflicht. „Es kann nicht sein, dass den Bauern ihr Salat kistenweise zurückgeschickt wird oder dass man Milchbauern erst nachträglich mitteilt, wie viel Geld sie für ihre Milch bekommen. So kann ja keiner wirtschaften, das gibt es in anderen Wirtschaftsbereichen auch nicht“, sagte Künast. „Ich erwarte, dass da beide Koalitionspartner auch mitziehen. Das hilft nämlich tatsächlich der Landwirtschaft, wenn wir das auch mit einem Antrag im Bundestag klarstellen.“
Seit einer Woche demonstrieren Bauern in ganz Deutschland gegen geplante Kürzungen bei den Agrarsubventionen. Künast zeigte sich bereit zu Gesprächen mit den Landwirten. „Lasst uns konstruktiv über die Dinge reden und nicht nur Meckern und Nein sagen“, sagte sie.