Friday, January 12, 2024

Asylverfahren in Drittstaaten: „Ein zentraler Baustein, um irreguläre Migration zu begrenzen“

Tagesspiegel Asylverfahren in Drittstaaten: „Ein zentraler Baustein, um irreguläre Migration zu begrenzen“ Artikel von Albrecht Meier • 53 Min. Die FDP dringt auf eine zügige Prüfung, ob Asylverfahren in Drittstaaten möglich sind. Doch der Völkerrechtler Daniel Thym ist skeptisch, ob sich das „Ruanda-Modell“ praktisch umsetzen lässt. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen dringt die FDP auf Asylverfahren in Drittstaaten wie Ruanda. Auch wenn die Ampel-Partner der SPD und der Grünen in der Migrationspolitik das „Ruanda-Modell“ eher skeptisch sehen, halten die Liberalen an der Idee fest. „Wenn Asylanträge in sicheren Drittstaaten geprüft werden könnten, wäre das ein zentraler Baustein, um irreguläre Migration zu begrenzen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, dem Tagesspiegel. Thomae verlangte, dass die Prüfung einer möglichen Drittstaatenlösung durch die Bundesregierung schnell zu einem Abschluss kommen müsse. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs der Länder hatten sich Anfang November darauf verständigt, dass die Bundesregierung die Machbarkeit von Asylverfahren außerhalb Europas prüft. Nach Angaben aus dem Bundesinnenministerium soll demnächst eine Expertenanhörung zur Machbarkeit von Asylverfahren in Drittstaaten wie Ruanda, Ghana oder der Republik Moldau stattfinden. Der Teilnehmerkreis und der Termin würden aktuell noch regierungsintern abgestimmt, hieß es aus dem Ministerium weiter. Nach den Worten von Thomae bestehe das Ziel darin, einen rechtssicheren und auch menschenrechtlich vertretbaren Weg zu finden, um das Konzept von Asylverfahren in Drittstaaten weiterzuverfolgen. „Menschen ohne Bleibeperspektive würden sich vermutlich gar nicht erst auf den lebensgefährlichen Weg zu uns machen, wenn sie den Asylantrag in einem Drittstaat oder auch schon in ihrem Heimatland stellen könnten“, so Thomae. „Damit würde man auch den menschenverachtenden Schleuserringen einen Strich durch die Rechnung machen.“ Experten wie der Völkerrechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz sind allerdings skeptisch, ob die Drittstaaten-Lösung als Allheilmittel angesichts des anhaltenden Migrationsdrucks taugt. Zwar könne die Auslagerung von Asylverfahren „Teil eines Gesamtansatzes“ sein, so Thym. Auch juristisch spreche nichts gegen eine solche Lösung. Denn auch wenn Flüchtlinge durch das Asyl- und Völkerrecht ein Recht auf Schutz haben, so sei nicht festgelegt, wo dieser Schutz gewährleistet werden muss. Probleme sieht Thym allerdings bei der praktischen Umsetzung des „Ruanda-Modells“. Seine Begründung: Laut der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), auf die sich EU-Parlament, die europäischen Mitgliedstaaten und die EU-Kommission im Dezember nach jahrelangen mühsamen Verhandlungen geeinigt hatten, scheiden Staaten wie Ruanda oder die Republik Moldau als mögliche Drittstaaten zur Durchführung von Asylverfahren aus. Denn die Europäer hatten sich im Dezember darauf geeinigt, dass Abschiebungen in sichere Drittstaaten nur dann erlaubt sind, wenn die Migranten zu diesen Staaten auch eine Verbindung haben – was etwa mit Blick auf Ruanda nur selten der Fall sein dürfte. Kaum ein Drittland wird bereit sein, Zehntausende Leute aufzunehmen. Daniel Thym, Völkerrechtler Zudem werde es in der Praxis nach der Ansicht von Thym nur schwer möglich sein, für Flüchtlinge, die über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa kommen, genügend Unterbringungsplätze in einem Staat außerhalb der EU zu finden. „Kaum ein Drittland wird bereit sein, Zehntausende Leute aufzunehmen“, prognostiziert er. Melonis Vereinbarung mit Albanien Allerdings strebt Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine entsprechende Vereinbarung mit Albanien an. Im November hatte Meloni eine Vereinbarung mit ihrem albanischen Amtskollegen Edi Rama unterzeichnet, der zufolge Italien in Albanien zwei Asylzentren mit einer Kapazität von maximal 3000 Plätzen betreiben soll. Die Absichtserklärung liegt allerdings inzwischen auf Eis, weil das albanische Verfassungsgericht eine Klage der Opposition gegen das Vorhaben prüft. In Italien kommen auf der Insel Lampedusa in diesen Tagen trotz der stürmischen Wetterverhältnisse weiterhin Flüchtlinge an. So landeten in dieser Woche zwei Lastkähne mit jeweils 51 Migranten an Bord, die von Libyen aus in See gestochen waren. In Deutschland sind derweil nach Ansicht der CDU/CSU weitere Fortschritte auf dem Weg zum „Ruanda-Modell“ längst überfällig. „Deutschland und Europa befinden sich in einer massiven Migrationskrise, und die Ampel macht Politik im Schneckentempo“, kritisierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU). Dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erst jetzt Experten zu dem Thema anhören lasse, zeige, „wie wenig die Ampel diesem Thema Beachtung schenkt“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel weiter. Nach den Worten von Throm bringe Faeser ihre eigene Idee in das Prüfverfahren ein, der zufolge ein Asylantrag auch direkt in der Heimat gestellt werden kann. „Das wäre kontraproduktiv und würde das ganze Konzept der sicheren Drittstaaten ad absurdum und zu mehr statt weniger Migration führen“, sagte er weiter. „Nancy Faeser versucht wohl von Anfang an, Asylverfahren in sicheren Drittstaaten zu sabotieren“, so Throm. Dabei brauche Deutschland „jetzt einen echten Systemwechsel in der Migrationspolitik, um wieder die Kontrolle über die Zuwanderung zu erhalten“.