Wednesday, January 3, 2024
Analyse von Ulrich Reitz - Die Schuldenbremse wird für Scholz zum doppelten Problem
Analyse von Ulrich Reitz - Die Schuldenbremse wird für Scholz zum doppelten Problem
Artikel von Von FOCUS-online-Korrespondent Ulrich Reitz •
3 Std.
Sozialdemokraten geben keine Ruhe. Jetzt wollen sie die Schuldenbremse aussetzen wegen der aktuellen Flut. Sie schaden damit ihrem eigenen Bundeskanzler. Was kommt als nächstes?
Gerade war der Bundeskanzler im Flutgebiet unterwegs, in Niedersachsen. Der Bund werde helfen, versprach Olaf Scholz – im Rahmen seiner Möglichkeiten, setzte der Regierungschef hinzu. Was auffiel: Scholz vermied jede konkrete Finanz-Zusage. Der Grund: Das Geld ist alle.
Nancy Faeser dankte dem Technischen Hilfswerk für dessen Fluthilfe, die Menschen dort leisteten „wirklich Großartiges“. Die Bundesinnenministerin ist dienstlich zuständig, ihr Dank hatte allerdings etwas Schales.
Denn Faeser hat erst vor wenigen Wochen, in den Etat-Beratungen 2023, die Mittel für die großartigen Helfer gekürzt – und zwar gleich um beinahe ein Drittel. Noch höher fielen die Streichungen der Ministerin beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) aus. Vorausschauendes, glaubwürdiges Regieren sieht anders aus.
Schuldenbremse ist für Scholz Koalitionsräson
Der Bundeskanzler will die Schuldenbremse einhalten. Die einzige Tür, die Scholz sich in seiner letzten Regierungserklärung im abgelaufenen Jahr offenhielt für höhere Schulden, ist der Ukraine-Krieg – Deutschland müsse bereit sein, mehr zu tun, wenn andere weniger täten.
Eine Anspielung auf die USA und einen möglichen Regierungswechsel zu Donald Trump, der Kiew nicht länger helfen will. Wobei Deutschland nie und nimmer in der Lage ist, jene Milliarden auch nur annähernd zu kompensieren, die die USA als größter Geld- und Rüstungsgeber der Ukraine zur Verfügung stellen.
Es geht um die Schuldenbremse, die für Scholz keine Herzensangelegenheit ist, sondern Koalitionsräson. An der Einhaltung der Schuldenbremse hängt die Glaubwürdigkeit der FDP – und damit das Weiterbestehen der Ampel.
Das ist der Rahmen, in den man die Forderung von zwei wichtigen Haushaltspolitikern der SPD, Andreas Schwarz und Dennis Rohde, stellen sollte, die Schuldenbremse wegen der aktuellen Flut ein weiteres Mal auszusetzen. Sie stellen die Kanzlerautorität infrage und zeigen klar: Scholz fällt es nicht nur zunehmend schwer, die Koalition hinter sich zu versammeln, er hat auch ein kaum zu lösendes Problem mit seiner SPD.
SPD hat Schuldenbremse maßgeblich in Verfassung hineinverhandelt
Dabei besteht überhaupt noch keine Veranlassung, über die Aussetzung der Schuldenbremse wegen der Flut überhaupt nachzudenken. Die Höhe der Schäden steht nicht fest, bis dahin wird es auch noch länger dauern. Und es ist auch überhaupt noch nicht absehbar, ob die Flut eine Naturkatastrophe von so großem Ausmaß ist, dass sie eine neuerliche Nicht-Einhaltung der Schuldenbremse rechtfertigen würde.
Denn das ist die Lehre aus dem Karlsruher Schuldenspruch, der die Ampelregierung über Wochen ins Wanken brachte: Wer auch immer jetzt noch einmal versucht, Schulden außer der Reihe zu machen, muss dies so begründen, dass es die Gnade der Verfassungsrichter findet. Denn die Opposition würde gewiss nicht darauf verzichten, ein weiteres Mal gegen einen windigen Sonderhaushalt zu klagen.
Deshalb ist es im Kern sinnlos, wenn Sozialdemokraten über die nächste Ausnahme von der Schuldenregel öffentlich nachdenken. Und es ist – angesichts der Kürzungen beim Katastrophenschutz durch eine sozialdemokratische Ministerin – auch noch unglaubwürdig.
Die Sozialdemokraten wollen sich heute nicht mehr daran erinnern, dass einer der Ihren die Schuldenbremse maßgeblich in die Verfassung hinein verhandelt hat: der damalige SPD-Fraktionschef Peter Struck.
Dahinter stand eine polit-psychologische Einsicht: die Politik selbst muss sich eine Versuchung nehmen, vor der gerade Sozialdemokraten dazu neigen, weich zu werden. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein führender Sozialdemokrat die Schuldenbremse infrage stellt und „reformieren“ will.
Über Alternative zum Schuldenmachen wird nicht ernsthaft diskutiert
Schulden haben auch eine demokratietheoretische und -praktische Seite: Mit den Schulden steigt der Schuldendienst, und dann kommt auch noch die Tilgung hinzu. Im vergangenen Jahr kostete es, weil die Phase niedriger Zinsen an ihr Ende gelangt war, schon knapp 40 Milliarden Euro, die Zinsen für die aufgenommenen Kredite zu finanzieren. Wieviel Geld dies ist, wird deutlich, wenn man es in einen aktuellen politischen Zusammenhang stellt:
Der Bund gibt 40 mal so viel Geld aus für Zinsen, wie er mehr zur Verfügung hat, wenn er den Bauern den Agrardiesel streicht. Der Zinsdienst verschlingt 40 Milliarden, der Verzicht auf den Bauerndiesel-Bonus bringt nur eine Milliarde. Auch daran erkennt man, wie fragwürdig Schulden sind. Sie verkleinern den politischen Gestaltungsraum für das Parlament, es gibt ein Schulden-Paradox. Es lautet: Wer mehr Schulden macht, kann weniger Geld ausgeben.
Zumal auch nicht ernsthaft in der Ampel über die Alternative zum Schuldenmachen diskutiert wird: das Sparen. Niemand aus der Ampel hat die 11.000 zusätzlichen Stellen in der Bundesverwaltung infrage gestellt, die sich die Ampel seit Amtsantritt vor zwei Jahren „gegönnt“ hat.
Wie sinnvoll es ist, 35 Milliarden an Entwicklungshilfe auszugeben, wird auch nicht eingehend diskutiert. Auch nicht, worin der Sinn besteht, ausgerechnet den Brics-Staaten Entwicklungshilfe zu zahlen, denn: Außenpolitisch vertreten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika die gegenteiligen Positionen zur Bundesregierung, etwa in der Ukraine oder im Hinblick auf Israel im Großkonflikt mit den Palästinensern.
An Höhe des Bürgergelds will Ampel nicht rütteln
An die Höhe des Bürgergelds wollte und will die Ampel nicht rütteln, im Gegenteil hat sie diese Sozialleistung, von der mehr Nicht-Deutsche profitieren als Deutsche, zu Jahresbeginn drastisch, um gleich zwölf Prozent, erhöht.
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums haben 62 Prozent der Bezieher von Bürgergeld keine deutsche Staatsangehörigkeit. Zur Klarheit gehört dazu: Vom Bürgergeld profitieren auch Deserteure, die nach Deutschland geflohen sind, um sich dem Kriegsdienst in der heimischen Armee zu entziehen.
Teuer ist auch die nach wie vor ungebremste Migration nach Deutschland. Im vergangenen Jahr gab die öffentliche Hand für die Folgen der Migration rund 50 Milliarden Euro aus.
Schulden stiegen unter Willy Brandt exorbitant
Es war der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß, und es war der Etat 1969, der letzte vor der sozialliberalen Wende. Danach wurde Willy Brandt Bundeskanzler, und die Schulden stiegen unter seiner Führung exorbitant.
Auch der heute noch in bürgerlichen Kreisen gerühmte Finanzminister und als Bundeskanzler Brandts Nachfolger, Helmut Schmidt, hat daran nichts geändert. Nach Strauß sollte es dann 46 Jahre dauern, bis ein Finanzminister wieder einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegte.
Strauß hat aus der Neigung der Sozialdemokraten zum Geldausgeben und dafür Schuldenmachen ein allgemeines, gallig-heiteres Gesetz formuliert: „So wie ein Hund unfähig ist, einen Wurstvorrat anzulegen, sind die Sozialdemokraten unfähig, Geldvorräte anzulegen.“
Den erste ausgeglichene Haushalt nach Einführung der Schuldenbremse legte dann – 2015 - ein Finanzminister vor, der gerade gestorben ist: Wolfgang Schäuble.