Friday, January 12, 2024
Amerikas großes Problem mit dem Mond
WELT
Amerikas großes Problem mit dem Mond
Artikel von Gerhard Hegmann •
1 Std.
Die USA wollen wieder zum Mond. Doch die nächste Landung wurde erneut verschoben. Es wird immer deutlicher, dass das ganze Projekt viel komplizierter als noch beim Apollo-Programm ist. Nun laufen die Amerikaner Gefahr, den Wettlauf gegen eine andere Nation zu verlieren.
Ob einmal ein Europäer auf dem Mond spazieren wird, wollte jüngst ein Journalist vom Chef der Europäischen Weltraumagentur ESA wissen. „Ja“, antwortete Josef Aschbacher. Er könne nur bisher nicht sagen wann. Beim neu entfachten Wettlauf zum Mond gibt es nämlich Rückschläge.
Diesmal nicht bei den Russen, wie in den 1960er-Jahren, sondern beim einstigen Sieger, den Amerikanern mit der Nasa. Soeben musste die US-Weltraumagentur eine weitere Verzögerung bei ihrem Mondprojekt einräumen.
Offiziell wird die bemannte Landung nun im September 2026 erwartet, statt 2025. Aber selbst dieser Termin ist sehr unsicher. Der US-Rechnungshof geht eher von 2027 aus. Damit schmilzt der vermeintliche Vorsprung vor den Chinesen, die 2030 bemannt landen wollen.
In der Raumfahrtbranche wird nach der jüngsten Verschiebung der nächsten Artemis-Missionen, wie das US-Mondlandeprojekt genannt wird, ernsthaft über einen Sieg der Chinesen spekuliert. Es wäre ein grandioser Imageerfolg für Peking. Der Unterschied zwischen der ersten bemannten Mondlandung der Amerikaner 1969 und dem Apollo-Programm ist, dass diesmal ein außergewöhnlich komplexes Missionsprofil geplant ist und damit ein Mehrfachrisiko für Verschiebungen besteht.
Um wieder zwei Menschen auf den Mond zu befördern, sind nach dem Nasa-Konzept jetzt rund ein Dutzend Raketenstarts notwendig. Vor gut 50 Jahren genügte ein einziger Start der großen Saturn-Rakete, an deren Spitze die Apollo-Kapsel prangte und dahinter verpackt die Mondlandefähre.
Der Fahrplan für die nächste US-Mondlandung ist hingegen maximal schwierig. Vieles ist bislang nicht fertig oder hat seine Bewährungsprobe bestanden. Verzögerungen würden den Chinesen in die Karten spielen.
Schlüsselrolle von SpaceX
Die Schlüsselrolle spielt der Raumfahrtkonzern SpaceX des Technik-Unternehmers und Milliardärs Elon Musk. Als die Verzögerungen bei der US-Mondlandung verkündet wurden, räumte SpaceX-Managerin Jessica Jensen ein, dass allein etwa zehn Starts der SpaceX Riesenrakete Starship für eine einzige Mondlandung erforderlich sind.
„Das wäre meine grobe Schätzung, aber je nachdem, wie gut die ersten Flugtests verlaufen, könnte es auch weniger sein, oder es könnte etwas mehr sein“, sagte sie. Der Grund: Es wird zunächst eine fliegende Tankstelle in der Erdumlaufbahn aufgebaut, die selbst betankt wird und dann wiederum das riesige Mondladevehikel betankt. Das ist jedoch alles noch nie erprobt worden.
Die umgebaute Starship-Rakete für die Mondlandung (HLS Human Landing System) muss zudem noch im Detail entwickelt werden, wofür SpaceX 2,98 Milliarden Dollar kassiert. Die Entwicklung liegt aber auch hinter dem Zeitplan.
Im All sollen die Astronauten aus ihrer Orion-Kapsel in das SpaceX Landevehikel umsteigen – ebenfalls noch nie erprobt. Die Starship-Rakete ist zwar schon zwei Mal geflogen, hat aber noch nie eine komplette Mission erfolgreich beendet. Der nächste Start ist im Februar vorgesehen.
Zu der Komplexität trägt auch bei, dass es eine eigene Startrakete (SLS Space Launch System) gibt, deren Entwicklung unter Führung von Boeing kostenintensiv war und sich verzögerte. Sie ist bisher erst einmal gestartet, im November 2022.
Dabei umkreiste eine unbemannte Orion-Kapsel – gebaut von Lockheed Martin mit einem großen Servicemodul von Airbus für Treibstoff, Sauerstoff und Energie – den Mond. Die nächste Mondumkreisung (Artemis 2), diesmal bemannt, klappt jetzt nicht mehr im November, sondern wurde auf Herbst 2025 verschoben.
Apollo-Programm war deutlich schneller
Kritiker verweisen darauf, dass im Apollo-Programm 1968 nur gut zwei Monate zwischen dem ersten bemannten Flug einer Apollo-Kapsel und der ersten bemannten Mondumkreisung mit Apollo 8 vergingen. Jetzt vergehen mehr als zwei Jahre zwischen zwei Starts der SLS-Mondrakete. Die Nasa nahm früher offensichtlich enorme Risiken in Kauf, um das Weltraumrennen gegen die Sowjets bei der ersten bemannten Mondlandung zu gewinnen.
Nun soll alles besonders sicher sein und das kostet Zeit. So wird die Verschiebung des ersten bemannten Flugs einer Orion-Kapsel mit der Umrundung des Mondes auf September 2025 mit einer Verbesserung des Hitzeschilds begründet. „Wir haben einige unerwartete Phänomene gesehen“, erklärte Nasa-Manager Amit Kshatriya.
Zudem gebe es Probleme mit der Ventilelektronik. Das betreffe aber nicht die Zulieferungen von Airbus und den Europäern, heißt es bei der ESA. „Die Verzögerung steht nicht im Zusammenhang mit dem europäischen Servicemodul (ESM).“ Dieses Modul habe beim Erstflug die Erwartungen übertroffen. Probleme gibt es wohl auch noch bei der Produktion der Raumanzüge für die nächste Mondlandung.
Das spielt den Chinesen in die Hände. Staatspräsident Xi Jinping ist überzeugt, dass sein Land eine führende Rolle in der Welt haben soll. Der Aufbau einer Weltraummacht gehört für ihn mit dazu. Es wurden bereits bemerkenswerte Erfolge erzielt. Vor über zehn Jahren gelang die erste unbemannte Mondlandung. 2020 holten die Chinesen sogar automatisch Mondgestein zur Erde. Die für 2030 geplante bemannte Mondlandung soll den Auftakt für eine permanente Mondstation sein.
Als Nasa-Chef Bill Nelson jüngst gefragt wurde, ob er befürchte, dass die Chinesen vor den Amerikanern im neuen Wettlauf den Mond betreten, spielt er dies herunter. „Ich habe keine Sorge, dass China vor uns landen wird“, sagte er. Wann die Europäer dann an der Reihe sind, ist völlig offen.