Wednesday, January 17, 2024
Abwehr an der Ostfront: Greift Putin Europa an? Nato spielt konkretes Szenario durch
WAZ
Abwehr an der Ostfront: Greift Putin Europa an? Nato spielt konkretes Szenario durch
19 Std.
Nicht nur in Deutschland wächst die Sorge, dass Russlands Präsident Wladimir Putin einen Überfall auch auf Nato-Gebiet planen könnte. Nun reagiert das Verteidigungsbündnis. Ab Februar plant die Allianz das größte Manöver seit Ende des Kalten Krieges: Rund 40.000 Soldaten beteiligen sich an der Übung „Steadfast Defender 2024 – allein 12.000 Soldaten aus Deutschland. Dazu kommen 50 Kriegsschiffe, Hunderte Kampfjets und drei Flugzeugträger-Gruppen der USA. Das Signal soll deutlich sein.
Manöverschwerpunkte werden Deutschland, Polen und das Baltikum sein, der Übungsraum reicht aber von Norwegen bis nach Rumänien. Ziel ist es, die schnelle Mobilisierung zu trainieren – in einem erschreckenden Szenario, mit dem die Nato anders als bisher ganz offen einen Angriff von Russland und Belarus gegen ein Mitglied des Bündnisses durchspielt.
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Der Gedanke dahinter: Sollte Russland die Ukraine besiegen, bestehe die Gefahr, dass Putin auch einen Angriff auf ein Nato-Land riskiert – am ehesten auf die drei baltischen Staaten, die wie die Ukraine einst zur Sowjetunion gehörten. US-Präsident Joe Biden warnt vor dieser Gefahr ebenso wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Putins Drohungen gegen baltische Staaten müsse man ernst nehmen, das sei nicht bloßes Säbelrasseln, mahnt Pistorius: Ende des Jahrzehnts könnten „Gefahren auf uns zukommen“.
Putin weist Spekulationen um einen Angriff auf Nato-Gebiet zurück
Planer im Bundesverteidigungsministerium gehen sogar einen Schritt weiter und spielen jetzt vertraulich ein Eskalationsszenario durch, bei dem Nato und Russland schon 2025 unmittelbar vor einem Krieg stehen könnten. Demnach würde Putin nach einer erfolgreichen Offensive in der im Lauf dieses Jahres Panzerverbände und Soldaten in Belarus und Kaliningrad aufmarschieren lassen und dann mit hybriden Angriffen Gewalt und Chaos in Estland, Lettland und Litauen provozieren.
Schließlich könnte er einen Grenzkonflikt in der Suwalki-Lücke zwischen Baltikum und Polen inszenieren – und die Nato müsste 300.000 Soldaten zum Schutz der Ostflanke mobilisieren. Ausgang offen. Präsident Putin weist alle Warnungen vor einem Angriff auf die Nato als „völligen Blödsinn“ zurück. Im russischen Staatsfernsehen versicherte er kürzlich, Russland habe „keinen Grund, kein Interesse, kein geopolitisches Interesse, weder wirtschaftlich, politisch noch militärisch, mit Nato-Ländern zu kämpfen“.
Abgesehen vom Risiko eines Atomkrieges: Derzeit hätte Russland wohl auch kaum die militärischen Mittel, um einen solchen Konflikt mit der Nato durchstehen zu können. Die längerfristige Perspektive scheint bedrohlicher: Nato-Militärs sind nach gründlicher Analyse tief besorgt, dass nach einem Ende des Ukraine-Krieges die Gefahr für den Westen massiv zunehmen könnte: Russland bleibe „eine gewaltige und unkalkulierbare Bedrohung“, sagt Nato-Oberbefehlshaber Christopher Cavoli, ein amerikanischer Vier-Sterne-General, der im belgischen Mons das Supreme Headquarters Allied Powers Europe (Shape) führt.