Tuesday, March 25, 2025

Chat-Affäre: Skandal um bei Signal geteilten Militärplan wird auch für Donald Trump gefährlich

RND Chat-Affäre: Skandal um bei Signal geteilten Militärplan wird auch für Donald Trump gefährlich Matthias Koch • 3 Std. • 6 Minuten Lesezeit Technisch ist alles relativ schnell erklärt. Jemand war wohl ein bisschen unkonzentriert. Oder hatte einen ungeschickten dicken Daumen. Dass man zu einer Chat-Gruppe am Mobiltelefon jemanden einlädt, der gar nicht dabei sein sollte, kann in der Tat schon mal passieren. Genau deswegen allerdings ist, wenn es um sicherheitsrelevante Themen geht, amerikanischen Regierungsbeamten ein solches Setting verboten. Skandal von historischem Format Es geht in diesem Fall nicht allein darum, dass in eine Debatte um einen geheimen militärischen Plan – die kurz bevorstehende Bombardierung von Huthi-Zielen im Jemen – versehentlich ein Journalist einbezogen wurde. Der völlig überraschte Mann, Chefredakteur des Magazins „The Atlantic“, zeigte sich zum Glück verantwortungsvoll und veröffentlichte den Vorgang erst später. Die Beteiligten – allen voran der Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Vizepräsident J.D. Vance – werden erklären müssen, warum sie überhaupt den für alle Welt zugänglichen Messengerdienst Signal genutzt und damit auf die speziell verschlüsselten Systeme ihrer Regierung verzichtet haben. Fünf Dinge machen aus dieser Affäre einen Skandal von historischem Format. 1. Dies sind keine Fake News Immer wieder haben Donald Trump und seine Anhänger Enthüllungsberichte sogenannter Mainstream-Medien als Fake News abgetan: Weiß man’s? Die einen sagen so, die anderen sagen so. Solche Versuche der Verunklarung werden in diesem Fall nicht funktionieren. Denn der Vorgang ist bewiesen, nicht allein durch die Notizen und Bildschirmfotos des Journalisten Jeffrey Goldberg. Das Weiße Haus selbst räumt die Sache ein. „Der gemeldete Nachrichtenverlauf scheint authentisch zu sein, und wir prüfen, wie versehentlich eine Nummer in die Kette eingefügt wurde“, erklärte in der Nacht zum Dienstag Brian Hughes, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. 2. Hegseth greift an – auf angreifbare Weise Eine mögliche Strategie für die Riege der Blamierten könnte darin liegen, den Regelverstoß zuzugeben und zu hoffen, dass die Aufregung darüber sich bald wieder legt. Doch Verteidigungsminister Pete Hegseth macht alles noch schlimmer. Nach dem Bekanntwerden des Berichts im „Atlantic“ attackiert er prompt dessen Chefredakteur. Goldberg, so rüpelte Hegseth bei einem Termin vor Journalisten in Hawaii, sei „ein betrügerischer und höchst diskreditierter sogenannter Journalist, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, immer wieder Falschmeldungen zu verbreiten“. Hegseth gibt damit Kritikern auch aus seiner eigenen Partei recht, die vor der Nominierung des impulsiven früheren Fernsehmoderators zum Verteidigungsminister gewarnt hatten. Tatsächlich erweist sich der 44-Jährige als nicht nur fachlich inkompetent, sondern auch als charakterlich ungeeignet. Seit vielen Jahren begleiten ihn Vorwürfe sexuellen Missbrauchs und übermäßigen Alkoholkonsums. 3. Die juristischen Folgen werden unterschätzt Donald Trump selbst schien in der Nacht zum Dienstag sich und andere beruhigen zu wollen mit dem Hinweis, unterm Strich sei ja nichts Schlimmes passiert. Tatsächlich gilt unter Militärs die jüngste Attacke auf Huthi-Ziele im Jemen als gelungener Schlag gegen die vom Iran unterstützte Miliz, die schon oft mit Raketen die Schifffahrt am Roten Meer behindert hat. Geheim blieb der Militärschlag zunächst allerdings nur wegen der Loyalität Goldbergs. Wären die von Goldberg erlangten Hinweise in die falschen Hände geraten, hätte dies Erstschläge der gegnerischen Seite zur Folge haben können – mit Konsequenzen für Leib und Leben amerikanischer Marinesoldaten und Piloten. Aus gutem Grund genügt zur Strafbarkeit eines Verstoßes gegen US-Geheimhaltungsvorschriften oft bereits die bloße abstrakte Gefährdung der nationalen Sicherheit. Die juristischen Prüfungen haben in diesem Fall noch gar nicht begonnen. Sie könnten noch zu überraschenden Ergebnissen führen. „Man darf die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit nicht unterschätzen“; sagt Kevin Carroll, ein auf Fälle dieser Art spezialisierter Rechtsanwalt, der früher als CIA-Offizier gearbeitet hat. „Wenn es sich bei diesen Leuten um jüngeres Personal in Uniform handeln würde, würden sie vor ein Kriegsgericht gestellt werden.“ 4. Die Demokraten sind auf der Zinne – wegen Hillary Im Kongress darf Trump in dieser Angelegenheit auf keinerlei Nachsicht hoffen. Die Demokraten rufen bereits nach Anhörungen und Untersuchungen und werden nicht so schnell locker lassen. „Da müssen Köpfe rollen“, hieß in der Nacht zum Dienstag. Für die aktuelle Unruhe gibt es historische Gründe. Die Partei Hillary Clintons hat mit den Republikanern eine Rechnung offen, seit im Präsidentschaftswahlkampf 2016 ihre damalige Kandidatin auf den letzten Meter mithilfe der sogenannten E-Mail-Affäre zu Fall gebracht wurde. Clinton hatte in ihrer Zeit als Außenministerin einen privaten E-Mail-Server in ihrem Haus in Chappaqua genutzt, statt ausschließlich Regierungsserver zu verwenden. Dies widersprach Richtlinien ihres eigenen Hauses. Im Juni 2016 erklärte der damalige FBI-Direktor James Comey, Clinton und ihr Team hätten „extrem nachlässig“ gehandelt. Allerdings gab es keine Beweise für vorsätzliches Handeln und am Ende auch keine Anklage. Es ging auch in keinem Fall um Inhalte wie die jetzt in Rede stehende geheime Vorbereitung einer Militäraktion. Trump und seine Anhänger indessen hatten sich seinerzeit in Rufe nach Inhaftierung der Gegenkandidatin hineingesteigert: „Lock her up.“ Niemand, donnerten damals die Republikaner, stehe über dem Gesetz. Dieser Grundsatz, im Prinzip richtig, fällt ihnen jetzt auf den Fuß. Einige Republikaner scheinen bereits zu ahnen, dass sie gut beraten wären, eine eher defensive Gangart einzuschlagen. „Jeder schickt mal eine Textnachricht an die falsche Person, das ist mir auch schon passiert“, sagt der republikanische Abgeordnete Don Bacon (Nebraska). „Der unentschuldbare Fehler liegt darin, dass in diesem Fall die Informationen überhaupt über ein nicht sicheres Netzwerk liefen.“ 5. Auf Distanz zu Trump: Vance wird entlarvt Besonders peinlich ist die Signal-Affäre für Vizepräsident Vance. Er wird durch die vom „Atlantic“ dokumentierten Textbotschaften gleich mehrfach entlarvt. Vance plädierte zunächst dafür, die Attacke auf Huthi-Ziele im Jemen im Zweifelsfall zu verschieben: „Ich glaube, wir machen einen Fehler.“ Denn damit tue man ökonomisch nur den Europäern einen Gefallen. Nur 3 Prozent des US-Handels liefen durch den Suez-Kanal, aber 40 Prozent des europäischen Handels. Die USA, das muss man in Europa registrieren, haben einen antieuropäischen Vizepräsidenten. Rund um die Uhr scheint Vance allen Ernstes alles vermeiden zu wollen, was den Europäern auch nur indirekt helfen könnte. Seine antieuropäische Verkniffenheit wird das Misstrauen gegenüber dem anstehenden heuchlerischen Besuch seiner Ehefrau Usha in Grönland noch steigern. Zugleich fällt auf, dass Vance sich in der Chat-Runde in lockerem Ton etwas erlaubt, das er öffentlich stets vermeidet: Er geht auf Distanz zu Trump. Über den – leider – für Europa hilfreichen Militärschlag schreibt er: „Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Präsident bewusst ist, wie sehr dies im Widerspruch zu seiner derzeitigen Botschaft zu Europa steht.“ Dann schreibt Vance: „Ich bin bereit, den Konsens des Teams zu unterstützen und diese Bedenken für mich zu behalten.“ Trump kann dies alles nicht ignorieren Will Trump diesen umfangreich dokumentierten Vorgang einfach achselzuckend ignorieren? Dann verliert er seine Autorität, noch ehe seine neue Regierung die ersten 100 Tage geschafft hat. Einst dominierte Trump lediglich die Reality-TV-Show „The Apprentice“. Es waren selige Zeiten. Damals wurde der von ihm immer wieder ausgesprochene Satz „You‘re fired“ zu seinem Markenzeichen. Feuern sollte er jetzt seinen Sicherheitsberater Waltz, der die regelwidrige Chat-Gruppe zusammenstellte und in diesem Zuge versehentlich auch Goldberg hinzuzog. Feuern sollte er auch seinen Verteidigungsminister Hegseth, der nichts dabei fand, über die geheime Vorbereitung einer Militäraktion auf einem Allerweltskanal zu kommunizieren. Besondere Aufmerksamkeit aber hat Vance verdient. Ihn kann Trump zwar nicht feuern, Vance ist wie er ein am 5. November gewählter Repräsentant der USA. Trump könnte Vance aber auffordern, zurückzutreten. Auch ein Amtsenthebungsverfahren mithilfe des Kongresses wäre eine Variante. Es gibt eine für Trump politisch bedrohliche Erklärung der Chat-Kanal-Zusammenkunft von Vance, Waltz, Hegseth & Co.: Möglicherweise hat das Mobbing gegen den 78-jährigen Präsidenten, der am Ende seiner Amtszeit 82 Jahre alt wäre, schon begonnen. Kann Vance (40) es schon nicht mehr erwarten, Trump abzulösen? Bildet er eine Art Gegenkreis? Eines steht fest: Alles, was über offizielle Kanäle und Systeme an Beratungen läuft und vom Weißen Haus registriert und dokumentiert wird, bleibt für den Präsidenten sichtbar und nachvollziehbar. Rund um Trump aber scheinen einige sich genau diesem System bewusst entziehen zu wollen – selbst wenn dies auf Kosten der Sicherheit ihres Landes geht. Da geht dann das Amateurhafte über ins Bösartige. Die Republikaner werden es noch zu spüren bekommen, bis hinein in die Provinzen: „Great again“ ist hier gar nichts.