Wednesday, March 27, 2024

Ungarn: Tausende Demonstranten fordern Orbáns Rücktritt

DER SPIEGEL Ungarn: Tausende Demonstranten fordern Orbáns Rücktritt 16 Std. • 2 Minuten Lesezeit Ein Skandal um Kindesmissbrauch erschüttert Ungarn. Seit Wochen protestieren Menschen gegen Ministerpräsident Orbán. Der Ex-Mann einer zurückgetretenen Politikerin fordert die Regierung besonders erfolgreich heraus. In Budapest haben Tausende Demonstranten den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orbán gefordert. Einige tausend Menschen versammelten sich zunächst vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft in der ungarischen Hauptstadt, später wuchs die Menge deutlich an, als sie in Richtung Parlament zog. Aufgerufen hatte dazu Peter Magyar, früherer Ehemann von Orbáns ehemaliger Justizministerin Judit Varga. Er bezeichnete Orbán als »Kopf des Mafia-Staats«. Magyar hatte vorher ein heimlich aufgenommenes privates Gespräch mit seiner damaligen Frau veröffentlicht. Dieses soll beweisen, dass Orbáns Regierung versucht haben soll, eine Verwicklung von Antal Rogan, Minister und Leiter des Kabinettbüros von Orbán, in einen Korruptionsfall zu vertuschen. Varga widerum warf ihrem Ex-Mann Magyar vor, die kompromittierenden Aussagen provoziert zu haben. Zu dem Korruptionsfall ermittelt die Staatsanwaltschaft seit 2021. Dabei soll ein Staatssekretär in dem damals von Varga geführten Justizministerium hohe Bestechungssummen angenommen haben. Varga galt als enge politische Weggefährtin Orbáns. Bis Juni 2023 war sie Justizministerin. Sie trat zurück, um die Liste ihrer Partei Fidesz bei der Europawahl zu führen. Diese Position legte sie Anfang dieses Jahres nieder im Zuge eines Pädophilie-Skandals. Der Skandal, aufgrund dessen auch die ungarische Präsidentin Katalin Novák ihren Hut nahm, sorgt seit Wochen für Proteste in Ungarn. Seit dem Rückzug seiner Ex-Frau hat Magyar sich mit scharfen Angriffen auf Orbán und dessen Regierung hervorgetan. Orbáns Stabschef spricht von »Ehestreit« Magyar hatte am Morgen eine zweiminütige Aufnahme in einem Onlinedienst veröffentlicht, in dem sich zwei Menschen über die Ermittlungen in einem Korruptionsfall unterhalten, in den Vargas ehemaliger Stellvertreter verwickelt ist. Magyar zufolge handelt es sich um ein Gespräch vom Januar 2023 zwischen ihm und Varga, welcher zeige, dass die Untersuchung manipuliert worden sei. Varga erklärte daraufhin, Magyar habe sie zu den Aussagen gezwungen. Die Regierung reagierte zunächst nicht auf die Veröffentlichung des Videos, dessen Echtheit die Nachrichtenagentur AFP nicht überprüfen konnte. Ein »Ehestreit« habe »nichts mit dem öffentlichen Leben zu tun«, erklärte lediglich Viktor Orbáns Stabschef Gergely Gulyas. Bei einer Demonstration vergangene Woche hatte sich Magyar bereits deutlich gegen die EU-feindliche Politik Orbáns gestellt. In Ungarn herrsche eine »Oligarchie«, die das Land ruiniere, sagte Magyar. Ungarn müsse sich wieder seinen westlichen Verbündeten annähern, im Land müssten Staatsanwaltschaften und Medien wieder unabhängig von der Politik werden. Magyar sprach sich zudem für den Beitritt Ungarns zur Europäischen Staatsanwaltschaft aus – gegen die Orbán sich sperrt. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Median zufolge könnte Magyar bei einer Wahl mittlerweile auf neun Prozent der Stimmen hoffen – was eine von ihm angeführte Partei zur stärksten Kraft der zersplitterten ungarischen Opposition machen würde.