Monday, January 1, 2024

Silvester in Deutschland: Fast 400 Festnahmen in Berlin, drei Tote bei Böllerexplosionen

SZ.de Silvester in Deutschland: Fast 400 Festnahmen in Berlin, drei Tote bei Böllerexplosionen 2 Std. In der Nacht ist in der Hauptstadt so viel Polizei im Einsatz wie nie zuvor, die befürchteten schweren Krawalle bleiben aus. In mehreren Städten werden Einsatzkräfte gezielt beschossen. In Rheinland-Pfalz, Sachsen und der Oberpfalz sterben junge Männer durch Böller. Fast 400 Festnahmen in Berlin, drei Tote bei Böllerexplosionen In Berlin sind in der Silvesternacht bislang etwa 390 Menschen festgenommen worden - viele von ihnen wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz. Erneut wurden Polizisten und Feuerwehrleute mit Böllern beworfen und mit Raketen beschossen. Auch untereinander lieferten sich in vielen Stadtteilen Gruppen von Menschen Auseinandersetzungen mit Feuerwerkskörpern. Verglichen mit dem Vorjahr verlief die Nacht jedoch ruhiger, auch aus dem Rest der Republik wurden keine schweren Ausschreitungen gemeldet. Vor allem auf Berlin und Köln hatten sich die Blicke diesmal konzentriert. Vor einem Jahr war es bundesweit zu Randalen und Angriffen auf Polizisten und Rettungskräfte gekommen, damals war die Hauptstadt besonders betroffen. In Köln war dieses Mal Terroralarm ausgelöst worden, aber auch hier verlief die Nacht weitgehend ruhig. Tödlich endete sie für drei junge Männer in Rheinland-Pfalz, Sachsen und der Oberpfalz: In Eschlkam im Landkreis Cham warf ein junger Mann einen Böller in ein Kunststoffrohr, wie die Polizei mitteilte. Dieser explodierte, als der 18-Jährige mit dem Kopf über dem Rohr war, und verletzte ihn am Kopf - sowie eine weitere Person leicht. Auch in Koblenz starb ein 18-Jähriger beim Zünden eines Böllers, wie die Polizei mitteilte. Er sei trotz Wiederbelebungsversuchen den Folgen der Explosion erlegen. In Uhyst im Landkreis Görlitz wollte ein 22-Jähriger wohl eine sogenannte Kugelbombe abfeuern, die üblicherweise in der Luft explodiert. In diesem Fall tat sie das laut Polizei aber sofort, als der Mann die Zündschnur anzündete - durch die Wucht der Detonation wurde er so schwer verletzt, dass er kurz darauf starb. In allen drei Fällen ermittelt die Polizei nun die genauen Umstände. 15 Polizisten in Berlin verletzt In Berlin deuteten viele sehr laute Explosionen auf illegale Böller hin. Immer wieder waren Schüsse aus Schreckschusspistolen zu hören. Mehrere Autos und auch andere Fahrzeuge wurden angezündet, wie Videos im Internet zeigten. Am Alexanderplatz beschossen sich laut Polizei größere Gruppen von insgesamt etwa 500 Menschen mit Raketen. In Neukölln wurden neun Verdächtige gefasst, die elf Molotow-Cocktails gebastelt hatten. Die Böller-Verbotszone in der Sonnenallee bewährte sich, dort war es ruhiger als früher. Gehwege waren mit Gittern abgesperrt, die Durchfahrt für Autos wurde gestoppt. An Eingängen mussten alle Menschen ihre Taschen vorzeigen. "Wir sind zufrieden mit unserem Einsatz, wir haben die Feuerwehr erfolgreich geschützt", sagte ein Sprecher der Berliner Polizei gegen drei Uhr am Neujahrsmorgen. Die Feuerwehr zählte 30 Übergriffe, Feuerwehrleute wurden dabei nicht verletzt. Wohl aber 54 Polizisten, davon acht so schwer, dass sie den Dienst beenden mussten, wie eine Sprecherin am Vormittag sagte. Mit ihrem großen Aufgebot war die Polizei oft schnell an kritischen Stellen, um Ansammlungen mit aggressiven Menschen aufzulösen. Landesbranddirektor Karsten Homrighausen sagt, aus Sicht der Feuerwehr sei die Nacht "glimpflich abgelaufen". Im Dienst waren nach offiziellen Angaben mehr als 1500 Sanitäter und Feuerwehrleute sowie fast 5000 Polizisten: 3500 Polizisten auf den Straßen, 1000 Polizisten in Streifenwagen und Wachen sowie 500 Bundespolizisten an den Bahnhöfen. Das war das bisher größte Polizeiaufgebot in einer Berliner Silvesternacht. In diesem Jahr war die Polizei zusätzlich besorgt wegen des Gaza-Kriegs und Demos zum Thema. In Berlin wurden mehrere Böllerverbotszonen eingerichtet, wie hier am Alexanderplatz, aber auch rund um die Sonnenallee. Einsatzkräfte beschossen und angegriffen In mehreren deutschen Städten wurden Polizisten oder Rettungskräfte attackiert - teils in massivem Ausmaß. In Solingen (Nordrhein-Westfalen) hätten etwa 30 bis 40 Unbekannte im Alter von 20 bis 30 Jahren Einsatzkräfte mit Raketen und Böllern beschossen, meldete die Polizei. Sie seien wegen einer brennenden Matratze gerufen worden. Später habe sich die Gruppe hinter einer Art Barrikade aus Müllcontainern verschanzt, die sie mit Benzin in Brand setzten. Auch mit Schreckschusswaffen sei aus der Gruppe heraus geschossen worden. Erst nach etwa dreieinhalb Stunden habe sich die Lage beruhigt, mehr als 60 Polizisten seien an dem Einsatz beteiligt gewesen. In Leipzig seien im linksalternativ geprägten Stadtteil Connewitz Gegenstände auf eine Polizeiwache geworfen worden, sagte ein Sprecher. Menschen seien dabei nicht verletzt worden. Etwa 3000 Menschen versammelten sich gegen Mitternacht auf einer Kreuzung, den Angaben nach entzündeten sie aus Pyrotechnik, Müll und Baustellabsperrungen vier Feuer. Die Polizei rückte mit Wasserwerfern an, um zu löschen. Der Polizeisprecher sprach von einer "silvestertypischen Nacht". Im Stadtteil Connewitz hat die Leipziger Polizei in der Nacht auch Wasserwerfer eingesetzt. In Freiburg attackierte eine Gruppe von etwa 80 Menschen mehrere Polizeistreifen gezielt mit Feuerwerkskörpern. Eine Beamtin wurde dabei leicht verletzt, wie ein Sprecher sagte. Am frühen Montagmorgen sei man mit dem Hinweis auf Straßenbarrikaden im Stadtteil Stühlinger gerufen worden. Vor Ort hätten die Streifen einen Pkw-Anhänger quer auf der Straße vorgefunden und seien unmittelbar nach dem Eintreffen angegriffen worden. Auch in Erkrath, Hannover und Bremerhaven wurden Feuerwehrmänner bei Einsätzen mit Feuerwerk beschossen und verletzt. "Dramatische Amputationsverletzungen" in Berlin Trotz aller Warnungen kam es auch wieder zu schweren Unfällen mit Feuerwerk. In Berlin verlor ein 40-jähriger Mann durch eine illegale Signalrakete eine Hand. Im dortigen Unfallkrankenhaus in Marzahn wurden fast zwei Dutzend Menschen mit Böllerverletzungen behandelt: Zum Teil habe es "dramatische Amputationsverletzungen" gegeben, meldete die Klinik. In Hof in Oberfranken wurde eine 34-Jährige laut Polizei von einer Silvesterrakete im Brustbereich getroffen. Dabei wurde die Rakete abgelenkt und explodierte auf Höhe des Kopfes der Frau; sie kam schwer verletzt in eine Klinik. Erst Terroralarm in Köln, dann "nichts Ungewöhnliches" Am Kölner Dom wurde der Jahreswechsel wegen des Terroralarms unter hohen Sicherheitsmaßnahmen gefeiert. Dabei lief alles weitgehend ruhig ab - auch auf der Domplatte und dem Bahnhofsvorplatz. "Ein paar Böllerwerfer, einige Ingewahrsamnahmen, nichts Ungewöhnliches", sagte ein Sprecher der Polizei gegen 1.30 Uhr. Die Sicherheitskontrollen am Dom hält sie gleichwohl vorerst aufrecht. Groß war hier die Sorge vor einem Zwischenfall. Ein Anschlag habe mit einem Auto verübt werden sollen, sagte der Kölner Polizeipräsident Johannes Hermanns. Es habe sich herausgestellt, dass der schon an Heiligabend in Gewahrsam genommene Tadschike Teil eines größeren Netzwerkes sei, das sich auch auf andere Bundesländer und andere europäische Staaten erstrecke. Am Sonntag seien in Nordrhein-Westfalen drei weitere Personen festgenommen worden. Unter massivem Polizeischutz zelebrierte Kardinal Rainer Maria Woelki am Abend die gut besuchte Silvester-Messe. Auf der Kölner Domplatte patrouillieren schwer bewaffnete Polizisten in der Silvesternacht. In Hamburg, München und Frankfurt bleibt es ruhig Auch in anderen Großstädten verlief die Silvesternacht laut Polizei ohne größere Vorkommnisse. Trotz großen Andrangs an den Landungsbrücken, wo etwa 10 000 Menschen das Feuerwerk verfolgten, oder auch auf der Reeperbahn, wohin bis zu 45 000 Menschen strömten, blieb es in Hamburg ruhig. Auch in der Frankfurter Innenstadt wurde gefeiert - nach Angaben der Polizei vorerst friedlich. In München rückte sie zu knapp 500 Einsätzen aus. Dabei handelte es sich nach eigenen Angaben um mehr als 25 Brände, 70 Einsätze wegen Pyrotechnik, 20 Ruhestörungen und 15 Körperverletzungsdelikte.