Saturday, January 20, 2024

Pisa-Studie: Lehrer zu bequem? Verband wirft OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher »Stammtischparolen« vor

DER SPIEGEL Pisa-Studie: Lehrer zu bequem? Verband wirft OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher »Stammtischparolen« vor 15 Std. Ein Selbstverständnis als Befehlsempfänger, zu wenige Ideen für den Unterricht: Mit diesem Urteil über Lehrerinnen und Lehrern hat sich der Chef der Pisa-Bildungsstudie zu Wort gemeldet. Nun kommt die Gegenkritik. Pisa-Studie: Lehrer zu bequem? Verband wirft OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher »Stammtischparolen« vor Die Kritik des OECD-Bildungsdirektors Andreas Schleicher hatte es in sich: Viele Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland betrachteten sich in erster Linie als »Befehlsempfänger« – und ließen Ideen vermissen, wie der Unterricht besser gestaltet werden könnte. Schleicher hinterfragte, ob die viel beklagte Arbeitsüberlastung wirklich dazu führen müsse, dass Pädagogen sich als »Einzelkämpfer« durchschlügen anstatt in Teams an Innovationen zu arbeiten. DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war - und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren. Verärgert auf die Anwürfe hat der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Stefan Düll, reagiert. »Das ist Lehrerbashing, das führt uns nicht weiter«, sagte er dem SPIEGEL. »Die Mär von den wehleidigen Lehrkräften klingt wie Stammtischparolen.« Es sei das gute Recht der Lehrkräfte, auf Überforderung hinzuweisen, andere Berufsgruppen täten das legitimerweise auch. Es werde zudem durchaus in kleinen Teams gearbeitet, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern. Aus Sicht von Düll haben Lehrer es aber zunehmend schwer, ihren Schülern Kompetenzen zu vermitteln – sie seien daher nicht überwiegend für die schlechten Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie verantwortlich. »Es liegt nicht allein an den Lehrern. Wir müssen die Leistung bei den Schülern abfordern, und da nehmen die Probleme zu. Es ist ein Fehler, den Leistungsgedanken zunehmend zu verbannen.« Auch von der Lehrergewerkschaft GEW kam Widerspruch zu Schleicher. Als »kontraproduktiv und am Arbeitsalltag der Lehrkräfte völlig vorbei« bezeichnete die GEW-Vorsitzende Maike Finnern die Aussagen des OECD-Mannes. »Wer ausblendet, dass in Deutschland der größte Lehrkräftemangel in der Geschichte herrscht, der die Lehrerinnen und Lehrer seit Jahren ans Belastungslimit bringt und die notwendigen Reformen blockiert, argumentiert nicht seriös.« Alle Arbeitszeit- und Belastungsstudien belegten, dass der Lehrberuf extrem herausfordernd sei. Schleicher hatte die Lehrkräfte in Deutschland scharf kritisiert. »Ich habe, ganz ehrlich, wenig Verständnis für Lehrer, die nur darauf pochen, dass sie überlastet seien«, sagte Schleicher, der auch Chef der internationalen Schulvergleichsstudie Pisa ist, der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten«. »Eine solche Haltung würde in keinem anderen Job akzeptiert.« Deutschland sei »beim Lehrerberuf noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen«. Schülerinnen und Schüler seien »relativ gut darin, auswendig gelerntes Wissen wiederzugeben«, führte Schleicher aus. Vielen falle es aber schwer, ihr Wissen auf neue Zusammenhänge zu übertragen. Sie könnten Fakten nicht gut genug von Meinungen unterscheiden. In deutschen Klassenzimmern habe die Umstellung, »den Kindern und Jugendlichen vor allem selbstständiges Denken beizubringen«, noch nicht ausreichend stattgefunden. Lehrkräfte müssten »Coaches« für die Kinder und Jugendlichen sein, forderte Schleicher. Sie müssten ihnen »bei ihren individuellen Lernprozessen helfen«. Zudem müsse ein guter Pädagoge den Eltern als Bezugspersonen zur Seite stehen. »Er kennt die Eltern und besucht sie, wenn nötig, zu Hause.« »Das sind schöne, nette Gedanken« entgegnete Düll. »Lehrer betreuen meist aber mehrere Klassen. Wenn die Klassen kleiner sind, kann man das vielleicht machen.« Schleicher verkenne die Realität des Schulalltages in Deutschland. Diese werde auch nicht genügend in internationalen Vergleichsstudien berücksichtigt. »Die Pisa-Studie verschweigt vorsätzlich, dass die tollen Ergebnisse in Estland, Südkorea, Japan und Singapur in sprachlich und kulturell homogenen Klassen erzielt werden.«