Wednesday, January 3, 2024
Miese SPD-Umfragen im Osten: Forsa-Chef Manfred Güllner rät zu „Sachsen-Verbot“ für Saskia Esken
Berliner Zeitung
Miese SPD-Umfragen im Osten: Forsa-Chef Manfred Güllner rät zu „Sachsen-Verbot“ für Saskia Esken
Artikel von Anne-Kattrin Palmer •
5 Std.
Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD, kommt in Ostdeutschland besonders schlecht an.
2024 ist eines der Superwahljahre: Allein im September sind in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die Menschen an die Urne gerufen. Neben den drei Landtagswahlen findet am 9. Juni die Europawahl statt, nicht zu vergessen die Nachwahl in Berlin am 11. Februar wegen der verpatzten Bundestagswahl.
Eins kann man wohl jetzt schon voraussagen: Die Ampelparteien SPD, FDP und Grüne haben offenbar heftig in der Wählergunst verloren. Jüngsten Umfragen nach könnten vor allem SPD und FDP aus den Landtagen fliegen – noch mehr Quittung geht nicht.
Aufschrecken ließen jetzt viele die jüngsten Umfrageergebnisse des Meinungsforschungsinstituts Civey und der Sächsischen Zeitung (Dienstag). Danach liegt die AfD in Sachsen mit 37 Prozent sogar vor der CDU (33 Prozent). Vor einem Monat lagen die beiden Parteien in der gleichen Umfrage noch gleichauf. Und auch diese Zahlen sind erschreckend: Die SPD liegt laut dieser Umfrage aktuell bei drei Prozent und würde damit aus dem Landtag fliegen. Auch die FDP würde den Einzug verpassen, sie kommt nur auf ein Prozent. Die Grünen (sieben Prozent) und die Linke (acht Prozent) liegen weit abgeschlagen hinter AfD und CDU. Die nächste Landtagswahl in Sachsen ist am 1. September 2024.
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In Thüringen sieht es ähnlich aus. Auch dort führt die AfD mit 33 Prozent und läuft der Linkspartei (27 Prozent) mit Bodo Ramelow als Ministerpräsident an der Spitze den Rang ab. Geht es nach der Civey-Umfrage, dann ist es nicht einmal mehr ausgeschlossen, dass die AfD in Thüringen und Sachsen den nächsten Ministerpräsidenten stellen könnte. Spannend dürfte es auch in Brandenburg werden, wenn dort am 22. September gewählt wird. Die regierende SPD liegt dort derzeit bei 27 Prozent, die AfD bei 32 Prozent.
Der Chef des Meinungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, bezweifelt allerdings den kometenhaften Aufstieg der AfD in die Staatskanzleien. Zur Berliner Zeitung sagt er: „Das sehe ich derzeit nicht.“ Der Demoskop sagt aber auch: „Die demokratischen Parteien müssen sich jetzt zusammentun und gemeinsam gegen die AfD vorgehen. Die Front muss hart stehen. Damit kann man vor allem auch Nichtwähler mobilisieren und so einen Erfolg der AfD verhindern.“
Güllner bezeichnet diese jüngsten Daten für Sachsen allerdings als „unseriös“. Er bezweifelt die Ergebnisse. Laut dem Forsa-Chef könnte die AfD zwar 30 oder mehr Prozent erhalten, aber keine absolute Mehrheit. Vorsichtig ist er auch bei dem aktuellen SPD-Ergebnis. „Natürlich ist die SPD in Sachsen schwach, aber 3 Prozent und – wie behauptet – ein Rückgang von 4 Prozentpunkten von 7 auf 3 Prozent in nur 4 Wochen ist vollkommen absurd. Die SPD wird in Sachsen nicht in der Versenkung verschwinden“, sagt der Meinungsforscher. Er sieht 7 bis 8 Prozent als realistisch. Dennoch solle die Partei die Umfrageergebnisse als Weckruf begreifen. „Das ist natürlich auch nicht gerade ein tolles Ergebnis“, sagt er.
Jetzt helfe es nur, so der Forsa-Chef, wenn die Sachsen-SPD ihre eigenen Leute in den Vordergrund stelle. „Vor allem die SPD muss mit ihren eigenen Leuten klarmachen, was sie für die Menschen vor Ort tut“. Immerhin sind sie in Sachsen an der Regierung beteiligt.
Und auch bei der CDU gelte es, Front gegen die AfD zu machen, so Güllner. „Es ist noch viel Potenzial, vor allem für die CDU mit Ministerpräsident Michael Kretschmer an der Spitze.“ Dieser habe schon vor fünf Jahren in der letzten Phase knallhart Wahlkampf gegen die AfD gemacht und seine Wähler mobilisiert. „Wenn er das jetzt wieder macht, kann ein Erfolg der AfD verhindert werden“, sagt Güllner.
Doch in Sachsen sind die Parteien, vor allem auch die Sozialdemokraten, alarmiert. Petra Köpping, Spitzenkandidatin der SPD Sachsen, sagt zur Berliner Zeitung: „Die Umfragewerte sind nicht landespolitisch zu begründen.“ Sie spiegelten vielmehr die Stimmung hier in Sachsen gegenüber der Ampel wider. Sie sagt weiter: „Denn angesichts dieser Stimmung treten landespolitische Themen in den Hintergrund.“
Köpping weiter: Die Bundesregierung habe die Erwartungen vieler Menschen enttäuscht – gerade hier im Osten. „Viele haben das Gefühl, dass nicht an sie gedacht wird, wenn es um die vielen Veränderungen geht. Nach vielen Jahren des Umbruchs haben die Leute sehr feine Antennen dafür. Ihnen müssen wir Sicherheit geben“, so die Politikerin.
Zur Wahrheit gehöre aber auch, sagt die SPD-Spitzenkandidatin, dass die Kampagnen gegen die Ampel hier in Sachsen besonders stark seien. „Mit Populismus und Fake News wird die Stimmung angeheizt – und das eben nicht nur von der AfD – und das Resultat sehen wir jetzt.“ Wenn sich die CDU als Regierungspartei in Sachsen die ganze Zeit nur an der Ampel abarbeite, aber gleichzeitig selber keine Lösungen für die Probleme hier habe, dann schwäche das das Vertrauen der Menschen in die Politik insgesamt. „Und wem nutzt das? Am Ende nur einer Partei, der AfD.“
Dass sich die Stimmung gegenüber der Ampel in solchen Umfragen niederschlägt, sagt auch Güllner. Daher solle sich auch die SPD-Bundesspitze raushalten und Politiker wie beispielsweise SPD-Chefin Saskia Esken im Wahlkampf ein „Sachsen-Verbot“ erhalten, rät Güllner. Alles andere könnte der Landespartei eher schaden. „Die Ampel-Regierung wird als sehr schwach wahrgenommen. Sie kümmert sich meist nur um Randgruppen und die große Mehrheit der Bevölkerung fühlt sich nicht mehr vertreten“, sagt er. Es gebe nämlich nicht nur die Minderheit der Bürgergeldempfänger, sondern eine Mehrheit normaler Erwerbstätiger, so Güllner.
Hinzu kommt: „Es reicht nicht, Sonntagsreden zu halten und ewig von Respekt zu sprechen, sondern die Interessen und Sorgen der Menschen müssen endlich ernst genommen werden.“ Die Ampel habe viele Vorschusslorbeeren als sogenannte Fortschrittskoalition erhalten. „Doch die sind alle weg“, sagt Güllner. Und auch die Union fange die Stimmung im Land nicht auf. Statt draufzuhauen, sollte sie nach Lösungen im Konsens suchen.
Und auch in Thüringen sei das Rad noch umzudrehen, hofft der Meinungsforscher – ebenso wie in Brandenburg. Dennoch: Die Sorge bleibt. Es ist nicht mehr ausgeschlossen, dass die AfD in mindestens einem der Länder die absolute Mehrheit der Parlamentssitze erringen und einen Ministerpräsidenten stellen könnte.
Und das, obwohl der Verfassungsschutz die AfD in Sachsen, wie vorher bereits in Thüringen, im vergangenen Monat als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hatte. So kann der Verfassungsschutz geheimdienstliche Mittel ohne Einschränkungen einsetzen, um Informationen über extremistische Aktivitäten des Landesverbands zu gewinnen. Sachsen ist zugleich der Landesverband des Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla. Auch der Spitzenkandidat zur Europawahl 2024, Maximilian Krah, kommt aus dem Bundesland.
In der Partei ist die Stimmung angesichts der jüngsten Umfrage erwartbar gut. Jörg Urban, AfD-Vorsitzender in Sachsen, twittert am Dienstag siegessicher: „Diese Umfrage (seriös oder nicht) zeigt den richtigen Weg. Schon 40 Prozent können zur absoluten Mehrheit reichen. Ohne Kompromisse mit der vergrünten CDU machen zu müssen.“