Thursday, January 4, 2024
Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Die SPD ist alles andere als ein „Bollwerk“ gegen die AfD
Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Die SPD ist alles andere als ein „Bollwerk“ gegen die AfD
Artikel von Von FOCUS-online-Autor Hugo Müller-Vogg •
2 Std.
Die SPD bezeichnet sich selbst als „Bollwerk gegen rechts“. Doch in Sachsen kommt sie in einer neuen Umfrage auf gerade einmal drei Prozent. An den miesen Werten sind die Sozialdemokraten selbst schuld.
Falls es bei der AfD so etwas wie den „Mitarbeiter des Monats“ gibt, käme dafür Saskia Esken zweifellos in Betracht. Die Co-Vorsitzende der SPD tut, was sie kann, um die Rechtsaußen-Partei in die Schlagzeilen zu bringen oder dort zu halten.
Die neueste Initiative dieser Art: Esken schlägt vor, ein AfD-Verbot „immer wieder zu prüfen“. Es sei wichtig, darüber zu sprechen „und so auch Wählerinnen und Wähler aufzurütteln“. Die AfD sei Teil eines rechtsextremen Netzwerks und klar demokratiefeindlich.
Letzteres stimmt. Gleichwohl wertet es die rechtsradikale, in Teilen rechtsextremistische Partei nur auf, wenn immer wieder ihre Gefährlichkeit beschworen wird, ohne dass dies irgendwelche Folgen hätte.
Verbotsdrohung hilft AfD mehr, als es ihr schadet
Aus guten Gründen lassen sich Parteien in einem demokratischen Rechtsstaat nicht so einfach verbieten. Darüber kann nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden, und so ein Verfahren dauert Jahre.
Wer zu Beginn des Wahljahres 2024 – Europawahl und Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg – mit der Verbotsdrohung herumfuchtelt, hilft der AfD nur, sich als Märtyrer zu inszenieren.
Auch Eskens Hoffnung, so ließen sich die Wähler „aufrütteln“, ist nicht sehr realistisch. Schon als der Verfassungsschutz begann, die AfD zu beobachten, war die Rede davon, das werde Wähler und Sympathisanten beeindrucken. Es entpuppte sich als krasse Fehleinschätzung.
Falls die SPD-Linke Esken mit ihrer Verbots-Rhetorik vor allem die ostdeutschen Wähler im Blick haben sollte, hätte sie sich besser bei einem erkundigt, der den Osten besser kennt als sie: dem thüringischen SPD-Politiker Carsten Schneider, dem Ostbeauftragten der Bundesregierung.
Der hat seiner Vorsitzenden Esken in einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ erklärt, wie falsch und gefährlich ihr Ansatz ist. Schneider: „Wenn wir eine Partei verbieten, die uns nicht passt, die in Umfragen aber stabil vorne liegt, dann führt das zu noch größerer Solidarisierung mit ihr“.
„Die SPD gefällt sich in der Rolle des Kämpfers gegen alles, was rechts von ihr ist“
Dieser Solidarisierungseffekt setzte, so Schneider, selbst bei Leuten ein, „die keine AfD-Sympathisanten oder -Wähler sind“. Die „Kollateralschäden“ eines Verbots wären folglich sehr hoch. Kollateralschäden verursacht Esken ebenso mit ihren fanatischen – man möchte fast sagen – hasserfüllten Angriffen auf den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz und ihre Gleichsetzung der Union mit der AfD.
Wenn es zwischen CDU und AfD angeblich keine Unterschiede gibt, wird das Wähler der Mitte eher ermuntern als abschrecken, ihr Kreuz bei der Höcke-Truppe zu machen.
Die SPD gefällt sich in der Rolle des unerschrockenen Kämpfers gegen alles, was rechts von ihr ist. Wo immer sich Gelegenheit ergibt, rühmt sich Eskens Vorsitzendenkollege Lars Klingbeil, „die SPD ist das Bollwerk gegen rechts in diesem Land“.
Ampel-Politik treibt Umfragewerte der AfD in die Höhe
Wenn’s denn nur so wäre! Tatsächlich hat ja gerade die SPD mit dazu beigetragen, der AfD Wähler zuzutreiben. Es ist nicht zuletzt die verfehlte Ampel-Politik in Berlin, die vor allem im Osten die Umfragewerte der AfD ansteigen lässt. Der Ostbeauftragte Schneider jedenfalls führt es auch auf „das Erscheinungsbild der Koalition“ zurück, dass die Stimmung dort so schlecht ist.
Nach Schneiders Einschätzung hat vor allem das von den Grünen vorangetriebene, von der SPD mitgetragene Heizungsgesetz bei vielen Menschen Ärger ausgelöst: „Das Heizungsthema war in der Wahrnehmung vieler Menschen ein harter Eingriff in das Privatleben.“
Schneider begründet das unter anderem mit dem geringen Wert vieler Ostimmobilien: „In manch einem Dorf im Kyffhäuserkreis kosten alle Häuser zusammengerechnet so viel wie ein Mietshaus in Berlin. Und wenn Sie dann den Leuten sagen, sie müssen in ihr Haus jetzt für mehrere Zehntausend Euro eine Wärmepumpe einbauen, dann erzeugt das natürlich Unsicherheiten.“
Das alles kann oder will Esken wohl nicht sehen. So wie die Merkel-CDU lange nicht wahrnehmen wollte, dass ihre Politik ehemalige CDU-Wähler nach rechts getrieben hat, so verkennen die Sozialdemokraten, dass die Politik der Ampel bisweilen wie ein Konjunkturprogramm für Weidel, Chrupalla & Volksgenossen wirkt.
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„Viele Menschen wünschen sich sozialdemokratische Politik, trauen es nur der SPD gerade nicht zu.“
Da wirken Forderungen nach einem Verbot oder die Selbstdarstellung als Bollwerk wie Hilferufe, nicht wie eine Strategie. Ohnehin hat die verbale Bollwerk-Kraftmeierei mehr mit eigenen Wünschen als mit der Wirklichkeit zu tun.
In Sachsen kommt die AfD in der neuesten Umfrage auf 37 Prozent, während die SPD es gerade noch auf 3 Prozent bringt. Diese katastrophalen Zahlen erklärt Sachsens Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping so: Viele Menschen seien verunsichert, „und das liegt auch an der Ampel“, sagte sie „Table.Media“. „Viele Menschen wünschen sich sozialdemokratische Politik, trauen es nur der SPD gerade nicht zu.“
Auch in Thüringen kann die SPD die AfD ebenfalls nicht stoppen – mit ihren 7 Prozent gegenüber 36,5 Prozent für die Höcke-Partei. Von der SPD als „Bollwerk“ kann allenfalls noch in Brandenburg die Rede sein. Dort liegt die SPD immerhin bei 27 Prozent – aber dennoch deutlich hinter der AfD mit 32 Prozent.
Dies alles will über den Wahlausgang im September noch nicht allzu viel besagen. Die Wähler sind beweglich, vor allem die im Osten. Aber von einem kann ausgegangen werden: Wenn Esken weiterhin mit ihrem Verbotsgerede die Wähler „aufzurütteln“ versucht, wird sie die Falschen mobilisieren. Dann hätte sie sogar den Titel „AfD-Mitarbeiterin des Jahres“ verdient.