Friday, January 12, 2024
„Ersauf, du A****loch“: Augenzeugen berichten über verstörende Szenen bei Blockade der Habeck-Fähre
Kreiszeitung
„Ersauf, du A****loch“: Augenzeugen berichten über verstörende Szenen bei Blockade der Habeck-Fähre
Artikel von Ulrike Hagen •
3 Std.
„Keiner wusste, was passieren wird“
Was genau passierte am Hafen von Schlüttsiel? Augenzeugen berichten über die Eskalation der Proteste gegen Robert Habeck auf einer privaten Fährfahrt.
Schlüttsiel – Der Hafen des beschaulichen Ockholm in Schleswig-Holstein kommt nicht zur Ruhe. Seit hier in der vergangenen Woche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nach seinem Urlaub auf Hallig Hooge von hunderten Demonstrantinnen und Demonstranten am Verlassen der Fähre gehindert wurde, ist Schlüttsiel in den Schlagzeilen. Die Situation eskalierte, als die Demonstranten nicht nur die Fähre blockierten, sondern versuchten, sie zu stürmen. Inzwischen ist klar, dass Strafbestände vorliegen. Doch was geschah genau letzten Donnerstag (4. Januar)? Nun sprach der NDR mit Augenzeugen.
Wütende Bauern hindern Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um mehr als hundert Demonstranten.
Brüllende Bauern, verschreckte Fahrgäste: Augenzeugen berichten von bedrohlichen Szenen
Brüllende Demonstranten, verschreckte Reisende: Als die Fähre „Hilligenlei“, auf der sich auch Vizekanzler Habeck als Privatperson befindet, am vergangenen Donnerstag in Schlüttsiel von demonstrierenden Landwirten bedrängt wird, kommt es zu teils tumultartigen Situationen. In Videos sind die Szenen dokumentiert. Zahlreiche Protestierende hätten versucht, das Schiff zu stürmen, heißt es. Nun berichten Augenzeugen, darunter Steuermann Thimo Silberstein, über die Geschehnisse.
„Stimmung war aufgebracht, nicht freundlich“ – Landwirte hindern Fahrgäste am Verlassen der Fähre
Silberstein, der von der Brücke den wohl besten Blick hatte, schildert, dass ursprünglich geplant war, das Eintreffen einer Polizeieinheit abzuwarten und die Fähre nach Rücksprache mit der Polizei am Anleger festzumachen.
Doch die Situation eskaliert, als ein Lastwagen, der vom Schiff fährt, von den Landwirten blockiert wird – und die Stimmung am Anleger kippt. „Die Stimmung war aufgebracht, nicht freundlich“, berichtet der Steuermann dem NDR. Er habe sich an Bord aber sicher gefühlt. „Ich hatte keine Angst, dass mir etwas passiert. Aber ich wusste auch, dass es nicht um mich geht.“
„Kurzen Moment, wo ich dachte, jetzt schwappt das alles über“: Steuermann über Proteste
Die Landwirte wollen Habeck zur Rede stellen, aber die Personenschützer des Vizekanzlers wollen nicht, dass er sich in die Menge begibt. Ein Angebot von Habeck, mit zwei oder drei Landwirten an Bord zu sprechen, wird von den Protestierenden abgelehnt. Sie fordern, mit mindestens zehn Personen an Bord zu kommen und verlangen, dass der Minister an der Reling mit einem Megafon zur Menge spricht. Die Frage des Polizei-Einsatzleiters, ob Habeck danach ungehindert abfahren könne, wird von den Protestlern verneint, berichtet Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags in Kiel.
Die Polizei ist mit 20 Beamten vor Ort, steht jedoch einer weitaus größeren Menschenmenge gegenüber. Aufgrund von Traktorenblockaden ist es nicht möglich, Verstärkung zu holen.
Weil die Bauern weiter die Brücke blockieren, versucht die Fähre daraufhin, wieder abzulegen. Dann kommt es zu tumultartigen Szenen. „Beim Ablege-Manöver hatte ich einen kurzen Moment, wo ich dachte, jetzt schwappt das alles über“, so Steuermann Silberstein. „Als die Leute gemerkt haben, dass die Fähre wieder ablegt, wurde versucht und teilweise auch geschafft, die Polizeisperre zu durchbrechen. Und einige sind dann die Brücke hochgelaufen.“ Es sei unklar, ob die Demonstranten lediglich Habeck anbrüllen oder das Schiff stürmen wollten. Als das Schiff ablegt, sei zu hören gewesen: „Ersauf, du Arschloch!“.
„Keiner wusste, was passieren wird“ – Augenzeugin berichtet über Sturm auf Habeck-Fähre
Auch eine Familie, die gemeinsam mit Vizekanzler Habeck an Bord der von Demonstranten bedrängten Fähre im Hafen von Schlüttsiel war, berichtet von den Ereignissen bei dem Sturm der Habeck-Fähre gegenüber dem Spiegel. Die Frau, die sich mit ihrem Mann und Kindern an Bord befand, sagte: „Die Stimmung war sehr aufgeheizt, und keiner wusste, was passieren wird.“ Die Familie, einschließlich des über 80-jährigen Großvaters, möchte anonym bleiben.
„Hatten nichts Besseres zu tun hatten, als auch auf die verängstigten Kinder einzubrüllen“
Die Frau erzählt, dass sie möglichst weit hinten an Deck geblieben seien, um die Kinder zu schützen. „Die Kinder haben richtig Angst bekommen, und es war wirklich unheimlich.“ Die Demonstranten hätten in Richtung Habeck gerufen: „Komm‘ raus du Feigling.“ Ein aufgemalter Galgen sei auf einem Schild zu sehen gewesen. Nachdem die Fähre in Schüttsiel angelegt hatte, drängte sich die Familie mit ihrem Gepäck und an den Händen haltend durch die Menge von Bord. „Durch die pöbelnden Demonstranten durch. Die dann nichts Besseres zu tun hatten, als auch auf die verängstigten Kinder einzubrüllen“, so die Mutter. Sie seien schließlich zum bewachten Parkplatz und zu ihrem Auto gelangt „Wir waren und sind entsetzt“, erklärt der Vater.
Sturm auf Habeck-Fähre: Staatsanwaltschaft sieht Straftatbestände bei Bauernaktion erfüllt
Inzwischen scheint sich der Verdacht zu verdichten, dass wohl Rechtsextreme Strippenzieher der Proteste waren. Und es ist klar, dass es bei der Protestaktion gegen Robert Habeck (Grüne) zu strafbaren Handlungen gekommen ist, so Erkenntnisse der Flensburger Staatsanwaltschaft: „Dass wir hier Straftatbestände haben, ist vollkommen unbestritten“, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp im Innen- und Rechtsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Landwirt-Vertretungen wie der Hessischer Bauernverband distanzieren sich inzwischen von der Blockade-Aktion.