Wednesday, March 6, 2024

Tränen und Wut auf Podiumsdiskussion – Mittelstand konfrontiert Politiker mit Vorwürfen

Merkur Tränen und Wut auf Podiumsdiskussion – Mittelstand konfrontiert Politiker mit Vorwürfen 1 Std. Veranstaltung der Kreishandwerkerschaft Zahlreiche Vorwürfe und Forderungen an die Politik kamen von den Besuchern der Podiumsdiskussion, die die Kreishandwerkerschaft im Ludwig-Thoma-Haus veranstaltete. Rund 80 Unternehmer und Selbstständige sind bei einer Podiumsdiskussion der Kreishandwerkerschaft alles losgeworden, was sie bewegt: Wut über Bürokratie, Frust über Steuerabgaben und Energiepreise und die Angst vor der Zukunft. Die Seele des Mittelstands kocht. Dachau – „Mittelstand im Fokus – lasst uns reden“ lautete das Motto einer Einladung von Dachaus Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs an die drei Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler (CSU), Michael Schrodi (SPD) und in Vertretung von Beate Walter-Rosenheimer der Unternehmer Christoph Lochmüller (Bündnis 90/Die Grünen). Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Nikola Obermeier, Redaktionsleiterin der Dachauer Nachrichten. Die Idee entstand laut Dachs anlässlich eines Berlin-Besuchs zusammen mit seinem Fürstenfeldbrucker Kreishandwerksmeister-Kollegen Franz Höfelsauer. „Die Unruhe in der Bevölkerung ist so groß, das haben Sie noch gar nicht gemerkt“, stellte der Dachauer Kreisvorsitzende des Bayerischen Bauernverbands Simon Sedlmair fest und belegte, wie hoch brisant dieses Treffen von Politikern und Mittelständlern war. Tatsächlich ging es mächtig zur Sache, von Tränen der Verzweiflung und wegbleibender Stimme etwa beim Obermeister der Bau-Innung Dachau Raffael Diepold bis zu Zornausbrüchen wie bei Transportunternehmer Josef Reischl. Alles lief respektvoll, aber knallhart in der Sache ab. Zahlreiche Vorwürfe und Forderungen an die Politik kamen von den Besuchern der Podiumsdiskussion Auf die Eingangsfrage an Dachs, ob es Deutschland gut geht dieser: „Deutschland geht es noch gut, aber wie kriegt man eine vertrauensvolle Zukunft hin?“ Das Vertrauen in die Bundesregierung und der Mut der Unternehmer und deren Mitarbeiter aufgrund fehlender Planungssicherheit, ständig neuer und häufig wechselnder Vorschriften und Auflagen drohe gänzlich verloren zu gehen. „Wenn bis Juni nichts Gravierendes passiert, wird es bei uns etwas kälter.“ Konkreter wurde Raffael Diepold: „Die Bauwirtschaft ist zusammengebrochen.“ Er prangerte die Bürokratie, Steuerbelastungen, Vorschriften bezüglich der Baustoffwahl – die Lobbyarbeit des Bundes für den Holzbau – an, bevor er auf seine Zukunftssorgen zu sprechen kam. „Wir Mittelständler können nicht einfach zur Konkurrenz gehen oder ins Ausland abwandern – und das will ich auch nicht!“ Unter Tränen und mit stockender Stimme sagte Diepold: „Wir werden unsere Fachkräfte entlassen müssen. Das wird einen erheblichen Schub bei der Arbeitslosigkeit geben.“ Den SPD-Bundestagsabgeordneten und finanzpolitischen Sprecher seiner Fraktion Schrodi versuchte er konkret festzunageln: „Wenn am 31. März die Saison ausläuft, was machen Sie ganz persönlich für uns?“ Keine verbindenden Worte von Michael Schrodi Schrodi, der kein verbindendes, empathisches Wort für Diepold hatte, versuchte auszuweichen und verwies auf die anstehenden riesigen Veränderungen. In den USA hätten massive Steuererleichterungen durch Präsident Donald Trump nur zu hohen Aktienrückkäufen geführt. Aber die Investitionserleichterungen durch Nachfolger Joe Biden hätten den ersehnten Aufschwung gebracht. Ähnliches wolle die Bundesregierung mit ihrem Wachstumschancengesetz. So gelte es jetzt, den Sozialwohnungsbau anzukurbeln. Für Diepold war die Antwort nur eine „Themaverfehlung“. Kartin Staffler gibt sich selbstkritisch Selbstkritischer gab sich Katrin Staffler. Die von der Union vorgeschlagene Grundsteuer-Aussetzung werde allein die Bauindustrie auch nicht retten. Den Umbruch in der Wirtschaft schaffe man nicht dadurch, dass man erst Geld wegnehme und es dann wieder ausschütte. „In Deutschland hat es noch nie so viele Steuereinnahmen wie jetzt gegeben.“ Nicht mit dem Geld umgehen zu können, warf stellvertretender Metzger-Landesinnungsmeister Werner Braun der Bundesregierung vor. Der Grüne Christoph Lochmüller verwies auf die brutale Grundstücks-Preisentwicklung und die plötzlich explodierenden Zinsen. Er verteidigte den Holzbau, erntete aber ablehnende Rufe aus dem Publikum. Massive Kritik an der Bürokratie Projektentwickler Hansjörg Tschan nahm die überbordende Bürokratie ins Visier. Von einem Investor sei bei dessen Grundsteuererklärung verlangt worden, genau zu beschreiben, welche Bodenbeläge verwendet wurden. „Reicht es nicht abzufragen, ob die Ausstattung hochwertig, mittel oder niedrig ist?“ In die gleiche Kerbe schlug Kreishandwerksmeister Franz Höfelsauer, der früher eine Bäckerei in Fürstenfeldbruck hatte. Er hätte jeden Tag dreimal nachweisen müssen, dass die Kühlgeräte in seinem Betrieb die richtige Temperatur haben. „Ich habe doch selbst das größte Interesse daran, dass die stimmt.“ Mittelstand hat Zukunftsangst Die Bonpflicht nahm Dachaus stellvertretender Kreishandwerksmeister und Bäckermeister Hans Wörmann aufs Korn: „Kein Kunde will einen Bon. Aber trotzdem muss ich den ausdrucken.“ Dafür musste er extra 6000 Euro in digitale Kassen investieren. „Nicht alles an der Bürokratie ist falsch“, entgegnete Schrodi. Es gehe um Gerechtigkeit, damit der Ehrliche nicht benachteiligt werde. Kleine Unternehmer würden unter Generalverdacht gestellt, kritisierte Braun. Mit dem Verweis auf das vorzeitige Ende von Energiepreisbremse und des abgesenkten Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie erklärte der Landesgeschäftsführer für das Bayerische Fleischerhandwerk Lars Bubnick: „Das Vertrauen der Unternehmer ist weg!“ Transportunternehmer Reischl schimpfte mit Blickrichtung Politiker: „Ihr spaltet die Gesellschaft!“ Während Schrodi meinte, die Lage sei längst nicht so schlimm, wie sie das Publikum darstellte, zeigte sich Lochmüller doch sehr betroffen. Er werde Beate Walter-Rosenheimer mitteilen, wie groß die Verärgerung unter den Besuchern war. Mehr Freiraum für unternehmerische Entscheidungen wünscht Staffler den Selbstständigen, denn alle Unternehmer wollten erfolgreich sein – und wenn sie das seien, sei es auch unsere Gesellschaft. Reinhard-Dietmar Sponder