Wednesday, March 6, 2024
Her mit der Staatsknete «gegen rechts»: Zwei deutsche Ministerinnen wollen mit aller Macht ihr «Demokratiefördergesetz» durchsetzen
Neue Zürcher Zeitung Deutschland
Her mit der Staatsknete «gegen rechts»: Zwei deutsche Ministerinnen wollen mit aller Macht ihr «Demokratiefördergesetz» durchsetzen
Geschichte von Susanne Gaschke, Berlin • 4 Std.
eite an Seite für die linke Zivilgesellschaft: die grüne Familienministerin Lisa Paus (links) und die SPD-Innenministerin Nancy Faeser.
Die sozialdemokratische Innenministerin Nancy Faeser marschiert ganz vorn im deutschen Kampf «gegen rechts». Ein neues «Demokratiefördergesetz» soll mit rund 200 Millionen Euro Steuergeld im Jahr Initiativen finanzieren, die sich für «Vielfalt, Toleranz und Demokratie» einsetzen.
Denen, die Demokratie lebendig machten, müsse der Rücken gestärkt werden, sagt die Ministerin: Das seien «unzählige gesellschaftliche Initiativen». Um diese «dauerhaft und verlässlich» zu fördern, wirbt Faeser dafür, das Demokratiefördergesetz nun «endlich» zu beschliessen. Bis jetzt blockiert das die FDP.
Die Federführung für den Gesetzentwurf liegt allerdings nicht bei Faeser, sondern bei der grünen Familienministerin Lisa Paus. Im Deutschen Bundestag fand im März 2023 eine erste Lesung des Entwurfs statt. Dennoch streiten die Ampelkoalitionspartner weiter darüber, wie die finale Fassung des Gesetzes aussehen könnte. Sie streiten zu Recht, denn inzwischen gibt es ernsthafte Zweifel daran, ob ein solches Gesetz überhaupt verfassungsgemäss wäre.
«Gender-Apartheid» in Afghanistan
Seit 2015 bündelt das Bundesfamilienministerium, damals geleitet von der Sozialdemokratin Manuela Schwesig, verschiedene Projekte zur Extremismusprävention und zur «Stärkung der Zivilgesellschaft», die zuvor aus unterschiedlichen Töpfen finanziert wurden, in einem Programm mit dem Titel «Demokratie leben!».
Die Projektliste umfasst heute rund 600 Träger, die Zahl der von ihnen organisierten Massnahmen wurde vom Familienministerium bereits vor vier Jahren in einer Presseerklärung mit 5000 angegeben; es dürften inzwischen mehr geworden sein. Über die Jahre sind die Bundesmittel dafür stark angestiegen: Erhielt «Demokratie leben!» 2015 erst 40 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt, so waren es 2022 bereits 165 Millionen. Für 2024 sind 182 Millionen eingeplant.
Bei 350 der 600 Träger – im Verwaltungsjargon «Zuwendungsempfänger» – handelt es sich um sogenannte «Partnerschaften für Demokratie»: «Partnerschaft für Demokratie der Stadt Nürnberg», «Partnerschaft für Demokratie der Stadt Pfungstedt», «Partnerschaft für Demokratie der Stadt Alsfeld» und so weiter.
Auf den Websites dieser Partnerschaften entdeckt man Hinweise auf die unterschiedlichsten Aktivitäten – nicht alle haben mit der Bekämpfung von Rechtsextremismus zu tun. In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel etwa fand vor kurzem eine Veranstaltung zur «Gender-Apartheid» in Afghanistan statt. In Kassel gab es im vergangenen Sommer ein «Queer-Spektakel» für Kinder und junge Menschen, auf dem die Teilnehmer unter Anleitung des «Queer-Referats» der Stadt Stofftaschen, Buttons und Sticker gestalten konnten. In Aachen feiert die «Partnerschaft» die aktuellen Demos «gegen rechts» mit Fotostrecken.
CSU-Politiker unerwünscht
Man darf vermuten, dass die steuerfinanzierten Demokratiebündnisse in vielen Städten mit zu diesen Demonstrationen aufrufen. Das wird allerdings spätestens dann problematisch, wenn die Veranstalter entweder gar keine Parteienvertreter auftreten lassen wollen oder wenn sie, wie etwa in München, die Beteiligung von CDU- oder CSU-Politikern ablehnen.
Der Eindruck, dass im Programm «Demokratie leben!» vor allem Initiativen aus dem rot-grünen Milieu gefördert werden, verdichtet sich, wenn man in die Liste der Zuwendungsempfänger schaut. Neben den örtlichen Partnerschaften werden dort etwa Aktionen «für Zivilcourage» und «gegen Verschwörungstheorien» finanziert. Im Angebot sind «digitales Training zur Rechtsextremismusprävention» und «intersektionale Jugendarbeit». Es gibt «Kompetenznetzwerke» gegen jeden nur denkbaren Diskriminierungstatbestand. Nach erkennbar konservativen Trägern sucht man hingegen vergeblich.
Zu den grossen Zuwendungsempfängern gehören auch jene Institutionen, die die Wirksamkeit des Programms «Demokratie leben!» evaluieren sollen, darunter das Deutsche Jugendinstitut. Und Evaluation scheint tatsächlich nötig, denn auf den ersten Blick ist es ein Widerspruch, dass der Staat seit 2015 so viel Geld in die zivilgesellschaftliche Arbeit «gegen rechts» investiert – und dass gleichzeitig die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) immer bessere Wahl- und Umfrageergebnisse einfährt. Nützen die Projekte also gar nichts?
Die Ziele sind unklar
Auf die Frage, ob und gegebenenfalls warum offenbar nur linke Projekte gefördert werden, antworten Politikwissenschafter gern, es seien nun einmal vor allem die kritischen Menschen, die sich zivilgesellschaftlich engagierten. Und die lokalen Demokratie-Partnerschaften erläutern diesen kritischen Menschen dann liebevoll, wie sie an das Steuergeld kommen, das ihr Engagement bezahlt. Auf vielen Homepages steht die Anleitung für Förderanträge im Zentrum.
Allein beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Anliegen, einer dem Familienministerium nachgeordneten Behörde, sind nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes vom November 2022 hundert Mitarbeiter damit beschäftigt, die Zuwendungsbescheide zu bearbeiten. Der Bericht liegt der NZZ vor. Vielfach erhielten die Träger zu hohe Mittelzuweisungen, heisst es da. Und in mehr als einem Drittel der Fälle erbrächten sie die Verwendungsnachweise für das Geld zu spät, ohne dass das Folgen für sie habe.
Der Rechnungshof geht mit dem Programm «Demokratie leben!» ohnehin sehr hart ins Gericht. Seine zwei Haupteinwände lauten: Erstens seien die Ziele des Programms unklar. Eine «sachgerechte Zielerreichungskontrolle» sei so nicht möglich. Und zweitens fehle die «Förderkompetenz» des Bundes. Die wäre nur gegeben, wenn alle geförderten Massnahmen von überregionaler Bedeutung wären. In diesem zweiten Kritikpunkt steckt Sprengkraft.
Ein verfassungswidriger Eingriff in die Länderhoheit?
In einem aktuellen Gutachten, das der NZZ vorliegt, kommt auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dem Schluss, dass der Bundesgesetzgeber keine Befugnis zur gesetzlichen Regelung habe, wenn Demokratieförderung auch auf Landesebene betrieben werden könne. Das Familienministerium bemüht sich zwar sehr, eine «gesamtstaatliche Verantwortung» und die «überregionale Bedeutung» seiner Fördermassnahmen herauszustellen. Doch eine lokale «Partnerschaft für Demokratie» in der Stadt Böblingen wird naturgemäss vor allem in Böblingen wirksam.
Der stellvertretende Bundestagspräsident und Parteivize der FDP Wolfgang Kubicki kritisiert den Gesetzentwurf aus diesem Grund scharf: «Wie der Bundesrechnungshof und der Wissenschaftliche Dienst richtig erkannt haben, fehlt dem Bund für das vorliegende Gesetz die Kompetenz. Er würde mit dem Gesetz unzulässig und verfassungswidrig in die Länderhoheit eingreifen.»
Die Ministerinnen Paus und Faeser erklärten zwar stets wortreich, dass sie die Demokratie schützen wollten, sagt der Jurist Kubicki: «Tatsächlich setzen sie sich aber auf zweifelhafte Weise über unsere Verfassung hinweg.» Auch der vermeintlich gute Wille könne am Ende grossen Schaden anrichten.
Intransparentes Geflecht von Aktivisten
Die liberale Innen- und Rechtspolitikerin Linda Teuteberg hat den Gesetzentwurf von Anfang an scharf kritisiert: Sie bemängelt unter anderem, dass von den geförderten Organisationen kein eindeutiges Bekenntnis zum Grundgesetz verlangt werde. Und sie befürchtet eine Unterminierung des Parlamentarismus durch ein intransparentes Geflecht von aktivistischen Gruppierungen, die letztlich Lobbyarbeit machten.
Justizminister Marco Buschmann, ebenfalls FDP, sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», er sei dagegen, dass man «eine genehme Öffentlichkeit mit staatlichem Geld herstellen möchte».
Der Einwand, das gesamte Demokratiefördergesetz sei wegen Nichtzuständigkeit des Bundes verfassungswidrig, wiegt juristisch gewiss am schwersten. Doch es gibt zusätzliche politische Kritikpunkte gegen das rot-grüne Vorhaben.
Die CDU-Bundestagsabgeordneten Silvia Breher und Christoph de Vries haben sie in einem Brief an die Unionsfraktion formuliert. Sie beklagen , dass bei der Kinder- und Jugendhilfe, bei Wohlfahrtsverbänden, bei Freiwilligendiensten oder der Bundeszentrale für politische Bildung «finanzielle Mittel in erheblichem Umfang» gestrichen würden – «also genau bei den Programmen, die sich bereits aktiv vor Ort für unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen».
Steuergeld für radikale Islam-Vereine
Zudem müsse sichergestellt werden, dass alle aus «Demokratie leben!» geförderten Organisationen tatsächlich die Grundwerte der deutschen Demokratie akzeptierten. «Derzeit erleben wir zum Beispiel, dass Vereine unterstützt werden, die aufgrund ihrer Nähe zum radikalen Islam vom Verfassungsschutz beobachtet werden», sagt de Vries. Gleiches gelte für Organisationen mit linksextremistischen Tendenzen. Nicht alle Feinde des Rechtsextremismus seien automatisch Freunde der Demokratie.
Ein Bekenntnis zum Grundgesetz wird im Gesetzentwurf der «Ampel», wie gesagt, ebenso wenig gefordert wie eine nachgewiesene Gemeinnützigkeit. «Das ist gerade aus Sicht der politischen Stiftungen schwer zu verstehen», sagt Rolf Halfmann, Justiziar der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. «Im jüngst verabschiedeten Stiftungsfinanzierungsgesetz des Bundes wird von uns sogar ein ‹aktives Eintreten› für die freiheitlich-demokratische Grundordnung verlangt.» Es sei nicht nachvollziehbar, warum diese Anforderung nicht auch an «irgendwelche NGO überall im Lande» gestellt werde.
Der Traum vom «Zusammenland»
Thomas Krüger, der langjährige sozialdemokratische Direktor der Bundeszentrale für politische Bildung, will sich lieber nicht öffentlich zum Konkurrenzprogramm «Demokratie leben!» äussern. Er dürfte froh sein, die schlimmsten Etatkürzungen, die für seine Behörde geplant waren, abgewehrt zu haben.
Dabei gibt es durchaus Dinge, die Krüger sagen könnte: zum Beispiel, dass sich politische Bildung im Idealfall an wissenschaftlichen Standards orientiert. Dass sie Kontroversen und Interessengegensätze sichtbar macht – während der Aktivismus von «Demokratie leben!» einen wohligen Konsens beschwört, der sich auf die kitschige Formel «Zusammenland» bringen lässt.
Bei allen, die diesen Konsens nicht in jedem Punkt teilen, muss die einseitige Agitation «gegen rechts» Verdrossenheit auslösen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die FDP dem vermutlich ohnehin verfassungswidrigen Verdrossenheitsfördergesetz weiterhin entgegenstellt.