Monday, September 11, 2023

Kehrt Indien russischen Öllieferanten den Rücken? Neuer Bericht offenbart Moskaus Plan

Berliner Zeitung Kehrt Indien russischen Öllieferanten den Rücken? Neuer Bericht offenbart Moskaus Plan Artikel von Liudmila Kotlyarova • 18 Std. Der russische Außenminister Sergej Lawrow begrüßt beim G20-Gipfel in Neu-Delhi den indischen Premierminister Narendra Modi. Indien, der Spitzenkäufer des russischen Rohöls, will nach Angaben des Ölministers Hardeep Puri weg von der Abhängigkeit. Das Rohöl aus den Golf-Staaten sei jetzt preislich attraktiver, behauptet Puri in den Medien, und die Statistik soll es bestätigen: Die Importe von russischem Rohöl sinken seit drei Monaten und erreichten kürzlich mit nur 1,57 Millionen Barrel pro Tag den niedrigsten Stand seit Januar. Doch sehen indische Ölraffinerien und Marktteilnehmer die Lage genauso wie ihre Politiker? Ob sie aus dem Handel mit dem verteuerten russischen Rohöl der Marke Urals freiwillig aussteigen? Ein neuer Bericht von Kpler, dem führenden Anbieter von Rohstoffdaten, Analysen und Markteinblicken mit Sitz in Brüssel, zeigt: Entgegen den Behauptungen kommt Indien nicht ohne russisches Rohöl aus. Der interne Bericht liegt der Berliner Zeitung vor. Die Prognose der Rohstoff-Experten ist eindeutig: Das russische Urals-Rohöl wird seine Wettbewerbsvorteile unter Ölsorten mittlerer Dichte auf dem indischen Markt behalten, obwohl die Urals-Rabatte gegenüber der weltweit wichtigsten Referenzsorte Brent auf nur vier bis fünf US-Dollar pro Barrel gesunken sind. „Wir würden auch der Einschätzung nicht zustimmen“, schreiben die Autoren des Berichts, dass das arabische Rohöl für Indien jetzt attraktiver sei als das russische. Trotz des starken Rückgangs der Öltanker-Frachtraten kostet selbst die billigste saudische Sorte – Arab Heavy, schwerer als Ural – satte 7,50 US-Dollar pro Barrel mehr als die russische Urals-Marke. Auch das irakische Basrah Medium-Öl kostet sieben US-Dollar mehr pro Barrel. Gleichzeitig kostet das saudische Rohöl Arab Light, das in seinen Eigenschaften dem Urals sehr ähnlich ist, genau zehn US-Dollar mehr. „Daher glauben wir, dass die Äußerungen des indischen Ölministers eher ein Versuch sind, die Preise [für russisches Öl] zu senken, statt tatsächlicher politischer Leitlinien“, steht im Bericht geschrieben. Zu diesen Versuchen gehören wohl auch die verbalen Ankündigungen des indischen Ölministeriums, den westlichen Preisdeckel von 60 US-Dollar einzuhalten. Die Kpler-Ökonomen stellen fest: Russische Ölströme nach Indien werden sich mindestens bis Oktober nicht erholen, aber nicht, weil dort keine Nachfrage vorhanden ist, sondern weil Moskau selbst die Exporte einschränkt. Sie verweisen auf die Reduzierung der Ölexporte durch Russland und die neue Strategie Moskaus „mehr für weniger“. Dieser Plan soll Moskau ermöglichen, mehr Einnahmen durch gestiegene Ölpreise und gesunkene Exporte zu kassieren – ähnlich wie beim Erdgas im letzten Jahr. Rabatte für russisches Rohöl werden dabei stark reduziert, ohne dass Urals seine Wettbewerbsvorteile komplett verliert. Die tatsächliche indische Nachfrage sinkt daher künstlich aufgrund von Wartungsarbeiten in den Raffinerien: Als nächste wird im Oktober die weltweit größte Ölraffinerie von Reliance Industries in Jamnagar den Betrieb einer seiner wichtigsten Anlage vorübergehend einstellen. Indien und China hatten früher im Jahr die Importe von russischem Rohöl wieder erhöht. Am Anfang des Jahres lag der Preisunterschied zum Brent-Rohöl aufgrund der Rabatte bei etwa 40 US-Dollar pro Barrel, reduzierte sich aber bereits im März auf nur zehn US-Dollar. Nichtsdestotrotz erreichten die russischen Lieferungen nach Indien im Mai dieses Jahres zum ersten Mal einen Anteil von 46 Prozent an den gesamten Rohölimporten: Russische Exporteure, der Staatskonzern Rosneft allen voran, lieferten fast zwei Millionen Barrel Rohöl täglich. Die Lieferverträge zwischen Russland und Indien sind dabei an die Sorte Dubai Fateh gebunden – den wichtigsten Maßstab für die Öllieferungen nach Asien. Die Preise für die Rohölmarken Brent und Dubai Fateh sind nahezu identisch. Darüber hinaus besitzt Rosneft über 49 Prozent Anteile an der zweitgrößten indischen Ölraffinerie Nayara Energy, die zum Großteil mit russischem Öl beliefert wird. Russische Lieferanten nutzen also den Rückgang der Exportmengen, um die Urals-Position auf dem Ölmarkt wiederherzustellen. Indische Abnehmer würden im Gegenteil versuchen, einen Rabatt von mindestens sieben Dollar pro Barrel auszuhandeln, kommentiert der Kpler-Rohstoffexperte Viktor Katona. Aber es gebe keine freien Mengen im Angebot, und die zurückgegangenen russischen Exporte würden im Endeffekt die indischen Importe begrenzen. Eine Rückkehr zu den Rekordwerten von Mai werde es daher nicht geben.