Thursday, September 28, 2023
Peinliche Enthüllung für Baerbock? Partner des Auswärtigen Amts soll Mullah-Ghostwriter gewesen sein
Berliner Zeitung
Peinliche Enthüllung für Baerbock? Partner des Auswärtigen Amts soll Mullah-Ghostwriter gewesen sein
Artikel von Maximilian Both •
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Für Außenministerin Annalena Baerbock ist die Kontroverse um Adnan Tabatabai äußerst unangenehm. Es steht der Verdacht im Raum, dass das Auswärtige Amt einen Thinktank gefördert hat, der der iranischen Regierung nahesteht.
Ein deutschlandweit bekannter Iran-Experte soll sich dem iranischen Außenministerium als Ghostwriter angedient haben, dies geht aus einem Bericht der US-Newsplattform Semafor hervor. Konkret geht es um Adnan Tabatabai, dem Geschäftsführer und Mitgründer des Bonner Thinktanks Center for Applied Research in Partnership with the Orient (Carpo). Semafor berichtet aus einem Konvolut an geleakten E-Mails des iranischen Außenministeriums aus der Zeit der Atomverhandlungen, die im Juli und November 2014 in Wien stattgefunden haben. Die E-Mails wurden von Iran International, einem persischsprachigen Fernsehsender mit Sitz in London, beschafft und übersetzt.
Brisant: In der Vergangenheit ist Tabatabai bereits mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen) öffentlich aufgetreten. Sein Thinktank wurde zudem vom Auswärtigen Amt in der Vergangenheit umfassend gefördert. So sind in der Vergangenheit für diverse Dialog-Projekte über 1 Million Euro Steuergeld an Carpo als Partner des Auswärtigen Amts geflossen. In zahlreichen deutschsprachigen Medien wurde Tabatabai in der Vergangenheit als Iran-Experte befragt. Auf der Internetseite von Carpo wird zudem angegeben, dass Tabatabai europäische Politik und Wirtschaft zu Iran-Angelegenheiten berät.
Semafor berichtet, dass Tabatabai im direkten Austausch mit dem iranischen Außenministerium stand, um als Teil der Iran Expert Initative (IEI) für die Position der iranischen Regierung zu werben. So soll bereits am 14. Mai 2014 im Hotel Palais Coburg in Wien, dem Ort der internationalen Atomgespräche, eine Auftaktkonferenz zur iranischen Initiative stattgefunden haben. Der damalige iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif war laut einer geleakten E-Mail als Teilnehmer aufgeführt, ebenso wie Mitglieder seines Atomverhandlungsteams und acht Vertreter westlicher Thinktanks. Unter den westlichen Vertretern soll sich auch Tabatabai befunden haben.
Später soll Tabatabai laut Semafor im E-Mail-Austausch mit dem iranischen Außenministerium gestanden und vorgeschlagen haben, als Ghostwriter für das Außenministerium tätig zu werden, um über den Verlauf der damals laufenden Atomverhandlungen zwischen dem Westen und dem Iran zu berichten. „Unser Vorschlag könnte sein, dass wir als Gruppe einen Aufsatz (2000 Wörter) über die laufenden Gespräche verfassen“, soll Tabatabai in einer E-Mail an den damaligen iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif geschrieben haben. Die Beiträge sollten dann laut Semafor unter den Namen ehemaliger Regierungsbeamte veröffentlicht werden, nachdem sie von dem Außenministerium des Irans abgenommen wurden. Zarif soll den Vorschlag akzeptiert und empfohlen haben, „diese Artikel oder Op-Eds“ unter den Namen verschiedener Iraner und Nicht-Iraner im Ausland sowie ehemaliger Beamter zu veröffentlichen. Ob und wie viele Artikel tatsächlich auf diese Weise veröffentlicht wurden, ist allerdings unklar.
Diese E-Mail soll Adnan Tabatabai an den damaligen iranischen Außenminister Javad Zarif geschrieben haben. Carpo und Tabatabai streiten die Echtheit der E-Mail ab
Auf Anfrage der Berliner Zeitung bestreitet Carpo die Echtheit der geleakten E-Mails und ordnet den Sachverhalt anders ein. „Die Iran Experts Initiative war ein loses Netzwerk von Analyst:innen in Europa und den USA. Anders als im Beitrag dargestellt, wurde die IEI jedoch weder vom iranischen Außenministerium gelenkt noch finanziert“, sagt Jan Hanrath von Carpo. „Unser Mitarbeiter Adnan Tabatabai hat zu keinem Zeitpunkt dem iranischen Außenministerium angeboten, als Ghostwriter tätig zu werden. Anderslautende Unterstellungen weisen wir und Herr Tabatabai ebenso entschieden zurück wie die Authentizität der im Beitrag aufgeführten E-Mail-Korrespondenz zu dieser Frage.“
Tabatabai war bereits zuvor aufgrund seiner möglichen Nähe zur iranischen Regierung in die Kritik geraten. So berichtete das Medienmagazin Übermedien von einem „Iran-Experten mit Nähe zum System“. Im Beitrag bestätigen anonym befragte Exil-Iraner die große inhaltliche Nähe von Tabatabai zu Teheran. „Man muss ihn nicht interviewen, man kann auch einfach iranisches Staatsfernsehen schauen“, sagt ein Interviewpartner des Medienmagazins. Tatsächlich wird auch Tabatabais familiärer Hintergrund von zahlreichen Exil-Iranern kritisch beurteilt, so war Tabatabais Vater Sadegh (gest. 21. Februar 2015 in Düsseldorf) ein Vertrauter des iranischen Revolutionsführer Ruhollah Khomeini (auch bekannt als Ayatollah Khomeini), der 1979 gegen den Schah von Persien putschte.
Tabatabai selbst führte unlängst ein Interview in der Welt, in dem er auf einen Teil der Vorwürfe gegen ihn einging. „Es ist falsch, mich aufgrund meines familiären Hintergrunds unter Generalverdacht zu stellen“, wird Tabatabai darin zitiert.
Das Auswärtige Amt gibt sich auf Anfrage der Berliner Zeitung zum Sachverhalt schmallippig: „Aus früherer Projektförderung ergab sich zu keinem Zeitpunkt privilegierter, exklusiver oder beratender Zugang zum Außenministerium.“ Pikant: Tabatabai berichtet in seinem Welt-Interview auch von seinem „inhaltlichen Austausch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amts“, dieser orientiere sich an tagesaktuellen Entwicklungen und spricht dabei im Präsenz.
Die Iran-Expertin und FDP-Politikerin Saba Farzan überzeugt das nicht. „Die aktuellen Enthüllungen zur Desinformationskampagne der islamischen Diktatur im Iran bilden eine Zäsur“, sagt Farzan der Berliner Zeitung. Dass das Auswärtige Amt unter Annalena Baerbock (Grünen) in der Vergangenheit Projekte von Tabatabai gefördert hat, sieht sie als erhebliches Versagen an. „Wie ist es möglich, dass das Auswärtige Amt mit solchen Vertretern zusammenarbeitet und ihren Rat einholt? Es braucht in diesem Ministerium einen Code of Conduct mit welchen Akteuren man spricht und wen man aus berechtigen politischen Gründen zur Persona non grata erklärt“, so Farzan weiter.