Friday, September 8, 2023
Heizungsgesetz beschlossen: Kein Frieden für den Heizungskeller der Nation
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Heizungsgesetz beschlossen: Kein Frieden für den Heizungskeller der Nation
Artikel von Julia Löhr •
7 Std.
Was wird von der Arbeit der Ampelkoalition nach dieser Legislaturperiode in Erinnerung bleiben? Womöglich nicht so sehr die Einführung des Bürgergelds oder die Kindergrundsicherung, sondern vor allem eines: der monatelange, bis an den Rand des Koalitionsbruchs geführte Streit um das Gebäudeenergiegesetz, die Vorgaben zum klimafreundlichen Heizen.
Einst war das „GEG“ nur Immobilienfachleuten ein Begriff, seit es zu „Habecks Heizungshammer“ wurde, kennt es nahezu jeder im Land. Zum Schluss waren sich SPD, Grüne und FDP so einig wie selten: Bloß nicht noch einmal einzelne Punkte des Gesetzes hinterfragen, sondern es einfach nur beschließen.
Doch niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass mit dem Bundestagsbeschluss vom Freitag wieder Frieden im Heizungskeller der Nation einkehrt. Etwas weniger Erregung, das vielleicht.
Den Konstruktionsfehler nicht korrigiert
Debatte um das Gebäudeenergiegesetz: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag im Bundestag
Aber es gibt nach wie vor viele offene Fragen, zu diesem Gesetz, zur Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung, zur finanziellen Förderung und auch zu den auf EU-Ebene geplanten Sanierungspflichten für alte Häuser, die schon bald eine abermalige Änderung des Gesetzes erforderlich machen könnten. Die Diskussion über das Erreichen der Klimaziele im Gebäudesektor ist nicht zu Ende. Sie hat gerade erst begonnen.
Leider konnte sich die Ampelkoalition nicht dazu durchringen, den zentralen Konstruktionsfehler im Umbau der Wärmeversorgung zu korrigieren. Zwar gilt die Pflicht, dass eine neue Heizung zu 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen muss, zunächst nur in Neubaugebieten. Überall sonst können Eigentümer abwarten, wie sich ihre Stadt oder ihr Landkreis die Wärmeversorgung der Zukunft vorstellen.
So sieht die Zukunft aus: Luftwärmeheizung in Frankfurt am Main
Die Gesetzgebung erfolgt aber in der umgekehrten Reihenfolge. Das Gebäudeenergiegesetz ist beschlossen, über das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung berät der Bundestag noch. Politisch lässt sich das erklären. Wirtschaftsminister Robert Habeck brauchte einen Erfolg, etwas Grünes nach dem Bau der Flüssiggasterminals und dem verlorenen Kampf um das Kohledorf Lützerath. Inhaltlich bleibt diese Vorgehensweise falsch.
Debatte um das Gebäudeenergiegesetz: der Bundestag in Berlin während der Rede von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag
Technikzwang schafft wenig Akzeptanz für Klimaschutz
Andere Fehler wurden zumindest teilweise geheilt. Der erste Entwurf zur Reform des Gebäudeenergiegesetzes aus Habecks Ministerium war noch ganz darauf ausgerichtet, die von den Grünen präferierte Wärmepumpentechnik durchzusetzen. Für Holzheizungen oder wasserstofftaugliche Gasheizungen gab es hohe Hürden. Anfangs drängte vor allem die FDP, später auch die SPD darauf, diese zu senken – zu Recht.
Eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für Klimaschutz wird es nur dann geben, wenn die Menschen nicht das Gefühl haben, dass die Politik ihnen eine bestimmte Technik aufzwingt. Im Falle der Wärmepumpe eine sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb vergleichsweise teure Technik. Die Strompreise in Deutschland sind nun mal deutlich höher als in Ländern, die für ihre hohe Wärmepumpen-Verbreitung bewundert werden. Und entgegen der Schlachtrufe, Sonne und Wind schickten keine Rechnung, geht auch das Wirtschaftsministerium davon aus, dass die Preise hoch bleiben werden.
Auf Mieter kommen hohe Kosten zu
Über die Bedeutung des Klimaschutzes reden Politiker gern, über die damit verbundenen Kosten weniger. Derzeit wird Hauseigentümern suggeriert, durch staatliche Zuschüsse von bis zu 70 Prozent gebe es eine klimafreundliche Heizung künftig beinahe geschenkt. Tatsächlich könnten aber viele Eigentümer mit den neuen Förderbedingungen schlechter dastehen als heute, besonders dann, wenn sie ihr Haus oder ihre Wohnung nicht selbst bewohnen.
Auf Mieter kommen über die Modernisierungsumlage erhebliche Mieterhöhungen zu. Der Ausbau des Fernwärmenetzes wiederum wird Milliarden kosten, die am Ende über die Preise auf die Verbraucher umgelegt werden. Schon heute sorgen vielerorts Anschlusszwänge für Unmut, ohne die der Ausbau der Fernwärme aber nicht wirtschaftlich wäre.
Wie schon im Klimaschutzgesetz stehen auch im Gebäudeenergiegesetz und im Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung wieder viele Jahreszahlen, bis wann welche Ziele erreicht sein sollen. Doch wenn schon das Einrichten eines Fahrradweges in einer Stadt Jahre dauert, wie lange wird sich dann wohl erst das Erschließen von Geothermie und das großflächige Verlegen neuer Fernwärmerohre hinziehen?
Noch stellt niemand das Ziel in Frage, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll. Doch es ist nicht auszuschließen, dass dies erst einige Jahre später gelingt – so wie es sich andere Industrieländer von vornherein vorgenommen haben.