Wednesday, July 5, 2023

„‚Diese Syrer‘ haben Sie gerade gesagt?“ Aiwanger verblüfft Lanz - Söder-Vize beklagt „formale“ Demokratie

Merkur „‚Diese Syrer‘ haben Sie gerade gesagt?“ Aiwanger verblüfft Lanz - Söder-Vize beklagt „formale“ Demokratie Vor 43 Min. Freie-Wähler-Chef verteidigt sich „‚Diese Syrer‘ haben Sie gerade gesagt?“ Aiwanger verblüfft Lanz - Söder-Vize beklagt „formale“ Demokratie Wer Aiwanger bestellt, bekommt Unterhaltung. Bei „Lanz“ liefert Söders Vize einige Schrecksekunden - etwa bei der Rede von „diesen Syrern“. Hamburg – Zum ersten Mal, „aber nicht zum letzten Mal“, wie er verspricht, hat Markus Lanz am Dienstag (4. Juli) Hubert Aiwanger in seinem ZDF-Talk begrüßt. Und der liefert. Bayerns Vize-Regierungschef redet sich mehrfach in Rage - um manchmal zu relativieren, oder aber Lanz vorzuwerfen: „Das ist doch eine Masche!“ Lanz erinnert Aiwanger direkt an seine mittlerweile berüchtigte Aussage von der Erding-Demo. Bei den Heizungs-Protesten sprach Bayerns Wirtschaftsminister von einer „schweigenden großen Mehrheit dieses Landes“, die sich „die Demokratie wieder zurückholen“ solle. Aiwanger braucht nicht lange nach einer Erklärung zu suchen: „Ich habe das Volk dort abgeholt, wo es war. Dort waren 13.000 Leute. Die hatten Ärger wegen diesem Heizungsgesetz.“ Lanz muss sich daraufhin erstmal sortieren. Er legt eine kurze Pause ein, denkt augenscheinlich über das Gesagte nach. Dann pirscht er sich vorsichtig heran: „Im Gegensatz zu Ihnen glaube ich, dass es diese Demokratie gibt.“ Dem will Aiwanger nicht widersprechen: „Ich habe nie gesagt, die Demokratie gibt‘s nicht.“ Der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Bayerns Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nimmt bei „Markus Lanz“ Stellung zu den gegen ihn gerichteten Populismus-Vorwürfen und zu seiner wirtschaftspolitischen Agenda. Der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Bayerns Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nimmt bei „Markus Lanz“ Stellung zu den gegen ihn gerichteten Populismus-Vorwürfen und zu seiner wirtschaftspolitischen Agenda. © Cornelia Lehmann/ZDF Aiwanger im Talk bei Lanz: Der Moderator schwankt zwischen Staunen und Lachen Lanz wandelt zwischen Staunen und Lachen - Letzteres versucht er sich zu verkneifen. „Sie haben gesagt, wir müssen sie uns zurückholen“, wiederholt er und ergänzt: „Sie verstehen sich quasi als Lautsprecher für Sätze, die sich sonst keiner zu sagen traut?“ „Teilweise ja“, gibt der studierte Agraringenieur zurück. Aiwangers Auftritt dominiert die Sendung so stark, dass die übrigen Gäste mit ihren Themen nur noch wenig Raum erhalten. Allerdings lassen sie das Gehörte nicht unkommentiert. Die Politologin Ursula Münch nennt Aiwangers Erding-Rede „abstrus und niveaulos“. Der Journalist Florian Flade sieht in Aiwangers Auftritten gar etwas Gefährliches. Markus Söders Minister befeuere die Schelte von den „abgekoppelten Eliten“, wenn er fordere, man solle sich die Demokratie zurückholen. Aiwanger: Heizungsgesetz als Beleg für bloß „formale Demokratie“ „Was ist für Sie eine Demokratie?“, möchte Lanz von Aiwanger wissen - der Niederbayer geht daraufhin tatsächlich ins Grundsätzliche. „Die Politik muss sich regelmäßig rückkoppeln zur Bevölkerung“, fordert er. Dazu gehöre auch, dass man sich nach der Wahl nicht vier Jahre zurücklehnen und machen dürfe, was man will. Das umstrittene Heizungsgesetz diene als Beispiel dafür, dass es sich nur noch um „eine formale Demokratie“ handle. Aiwanger ist sich sicher: „Die Bevölkerung fühlt sich nicht mehr abgeholt.“ Seine Auftritte und Reden verteidigt der 52-Jährige vehement. Ohne ihn wäre das Land „noch polarisierter“ ist sich Aiwanger sicher: „Die Menschen müssen in der politischen Mitte wieder Parteien finden, die ihre Alltagssorgen ernst nehmen.“ Die Ampel-Koalition agiere undemokratisch, wenn sie „gegen die Mehrheit der Bevölkerung Politik macht“. Aiwanger sorgt für betretenes Schweigen bei „Lanz“: „Diese Syrer“ Doch die größte Unruhe innerhalb der Talkrunde sollte erst noch kommen: Als Aiwanger von „diesen Syrern“ spricht. Dabei geht es um die Ausschreitungen verfeindeter Großfamilien in Essen. Aiwanger spricht in diesem Zusammenhang über „diese Syrer, die seit acht Jahren bei uns sind.“ Darin sieht er ein schweres Versagen der Regierung: „Es ist ein schwerer Fehler, dass man jetzt einbürgert, bevor die Integration funktioniert hat.“ Betretenes Schweigen im Studio. „‚Diese Syrer‘, haben Sie gerade gesagt?“, fragt Lanz vorsichtig nach. Aiwanger gibt zurück: „Natürlich nicht pauschal alle Syrer“, sagt er. Er meine „die Syrer, die seit 2015 hier sind“. Diese bekämen zu schnell deutsche Pässe, ohne auf dem Arbeitsmarkt integriert zu sein. Man laufe diesen Menschen mit deutschen Pässen hinterher. Aiwanger setzt bei „Lanz“ den Rundumschlag - und bügelt AfD-Vergleiche ab Lanz stört sich daran. „Ich finde das eine schwierige Formulierung: Wer läuft wem mit dem deutschen Pass hinterher?“ Aiwanger gibt zurück: „Die Ampel! Es gibt ein zu liberales Aushändigen unserer Pässe.“ Flade fühlt sich an die Rechtspopulisten erinnert: „Ihre Sprache ähnelt der der AfD, das kann gefährlich werden.“ Das nervt Aiwanger offenbar: „Sie lenken jetzt schon wieder von der inhaltlichen Debatte ab ins Wording.“ Aiwanger holt zum Rundumschlag aus, nicht nur auf die Bundesregierung, sondern schnell auch auf gegen die Medien und Lanz. „Sie setzen meine Aussagen in den falschen Kontext. Mit der Masche kriegen Sie mich nicht!“ Lanz nimmt es mit Fassung, er attestiert Aiwanger einen „komischen Verfolgungswahn“. „Welche Angst haben Sie denn?“, fragt der Moderator - um selbst eine Antwort nachzuschieben, „Sie sind wahnsinnig misstrauisch, weil Sie merken, mit der Art und Weise, wie Sie reden, kann man was anfangen.“ Markus Lanz – Das Fazit der Sendung „Herr Aiwanger, ich wusste, dass das ein großer Spaß mit Ihnen wird!“, sagte Lanz zum Ende seiner Sendung. Und das war es für den nach Unterhaltung suchenden Zuschauer tatsächlich. Der Auftritt zeigte aber auch eines: Wie dicht konservative Parteien teils an die Sprache der AfD heranrücken, um gehört zu werden. Dass Aiwanger damit den gereizten Nerv so einiger Bürger trifft, ist sicher. Ist es aber auch gefährlich, wie Florian Flade sagt? Die Zukunft wird es zeigen. (Christoph Heuser)