Monday, May 2, 2022
„Bis heute wissen wir nicht, wo diese Akte sein soll“
WELT
„Bis heute wissen wir nicht, wo diese Akte sein soll“
Gestern um 16:31
Manuela Schwesig (SPD) bittet um Verständnis: „Beide Ministerien haben die Vorwürfe gestern dementiert und sich dazu geäußert und ich bitte um Verständnis, dass ich mich jetzt nicht um diese Details kümmere.“ Am Rande des 11. Demokratiefests in Neubrandenburg befragte der NDR die zu der verschwundenen Akte zur Klimastiftung. Dabei gab sich die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern kurz angebunden. Mehr wollte sie auch auf Nachfrage nicht sagen.
Am Montagabend kündigten Innen- und Wirtschaftsministerium in Schwerin an, die Akte offenlegen zu wollen. Konkret geht es um die Akte des früheren Schweriner Energieministers Christian Pegel (SPD) dazu. Pegel habe im Februar 2021 seine Unterlagen zur Stiftungsgründung an die Energieabteilung übergeben, hieß es. Die Energieabteilung habe dann im März 2021 eine elektronische Akte angelegt, die bis heute geführt werde. Mit der Regierungsneubildung im November 2021 ist die Energieabteilung in das Wirtschaftsministerium übergegangen.
Hannes Damm, klimapolitischer Sprecher der Grünen im Schweriner Landtag, hatte zuvor gegenüber WELT Schwesig scharf für ihre Äußerungen kritisiere: „Dass eine Ministerpräsidentin sich nicht zuständig fühlt, wenn Vorwürfe von Vertuschung und Kontrollverlust in ihrer Landesregierung laut werden, passt nicht zu ihrem Amt.“ Schwesig müsse dafür Sorge tragen, dass das Land sorgfältig und aufrichtig geführt wird, allem voran durch die Kontrolle ihrer eigenen Regierung.
Damm: „Wissen nicht, wo diese Akte sein soll“
Recherchen von WELT AM SONNTAG hatten am Wochenende gezeigt, dass die Hauptakte zur Entstehung der umstrittenen Klimastiftung MV unauffindbar ist. Demnach ist die Akte nach dem Regierungswechsel vom damaligen Energieministerium unter Christian Pegel (SPD) in das jetzt zuständige Wirtschaftsministerium abhandengekommen. Damit lässt sich nicht mehr nachvollziehen, inwiefern Russland die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern beim Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 beeinflusst hat.
Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa dementierte die Landesregierung, dass die Akte verloren gegangen sei. „Das Innenministerium und das Wirtschaftsministerium stellen übereinstimmend fest, dass Unterlagen zur Gründung der Klimaschutzstiftung der Energieabteilung übergeben worden sind.“ Dem wiederum widersprach Grünen-Politiker Damm: „Bis heute wissen wir nicht, wo diese Akte sein soll.“ Beide Ministerien hätten nur mitgeteilt, „sie hätten die Akten verwaltungsintern ,übergeben‘“. Das sei wie „in der Grundschule, immer wissen alle, wer etwas verbrochen hat, aber nie ist es irgendjemand gewesen“.
Damm kritisierte zudem Schwesigs Passivität in der Frage: „Sie hat in der Vergangenheit all ihr politisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um die Stiftung durch das Parlament zu bekommen und gegen Kritik zu verteidigen. Wenn es unbequem wird, weist sie wieder einmal alle Verantwortung von sich.“ Entweder man stehe für ein Projekt mit seinem Namen wie Frau Schwesig oder man verliere seine „Glaubwürdigkeit“.
Schwesig widerspricht Altmaier
Am Montag begann Schwesig einen Twitter-Thread mit der Aussage, Putins Angriffskrieg auf die Ukraine sei ein Kriegsverbrechen und Bruch des Völkerrechts. Allerdings löschte sie die Tweets nach nicht einmal einer Minute wieder. Mehrere Stunden später postete sie ihn dann doch wieder. „Wer die Verantwortung Russlands leugnet, so wie einige protestierende Menschen am 1. Mai in Neubrandenburg, entzieht der wichtigen Debatte über Waffenlieferungen jede sachliche Grundlage“, schreibt sie darin.
Zur Kritik des damaligen Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier (CDU) im Vorfeld der Gründung von Nord Stream 2 sagte Schwesig am Montag: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass das Land – die Landesregierung und der Landtag – eigenständig entscheidet.“ Die Bundesregierung sei lediglich informiert worden, sagte Schwesig am Rande einer Gedenkveranstaltung in Wöbbelin.
Sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung hätten immer hinter dem Projekt Nord Stream 2 gestanden, betonte die Regierungschefin. „Wir haben damals dieses Projekt unterstützt als Projekt für bezahlbare und sichere Gasversorgung gerade für den Übergang in der Energiewende und als großes Infrastrukturprojekt in unserem Land.“
Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa dementierte die Landesregierung, dass die Akte verloren gegangen sei. „Das Innenministerium und das Wirtschaftsministerium stellen übereinstimmend fest, dass Unterlagen zur Gründung der Klimaschutzstiftung der Energieabteilung übergeben worden sind“, teilte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Samstag in Schwerin mit.
Der frühere Energieminister und heutige Innenminister Christian Pegel teilte WELT AM SONNTAG mit: „Die Akte ist im Energieministerium verblieben.“ Dieses Ministerium aber wurde im Zuge eines neuen Ressortzuschnitts aufgelöst. Wohin die brisanten Papiere gelangt sind, vermochte er nicht zu sagen.
Opposition warnt Landesregierung und fordert Schwesigs Rücktritt
Die FDP-Opposition in Mecklenburg-Vorpommern hat die Landesregierung vor dem Verschwinden relevanter Informationen zur Stiftung gewarnt. „Wir möchten keine negativen Überraschungen erleben“, sagte Fraktionschef René Domke kürzlich. Er äußerte die Befürchtung, wichtige Papiere könnten „gelöscht oder anderweitig vernichtet“ worden sein.
Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Mario Czaja, forderte den Rücktritt von Ministerpräsidentin Schwesig. WELT AM SONNTAG sagte er: „Sollten die Vorwürfe sich bewahrheiten, hätte sie ihrem Amt schweren Schaden zugefügt.“ Kanzler Olaf Scholz müsse endlich dringend aufklären, wie viel Einfluss der Kreml auf die Politik der SPD habe. „Eine Ministerpräsidentin, die sich durch einen ausländischen Staat fremdsteuern lässt, ist nicht tragbar“, sagte Czaja.
Der energiepolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Hannes Damm, erklärte gegenüber WELT AM SONNTAG: „Es macht uns fassungslos, dass die Hauptakte zur Gründung der Stiftung verloren gegangen sein soll. Das wirft zahlreiche neue Fragen auf.“
Mit den Vorgängen um die Klimastiftung wird sich ab Mai ein Untersuchungsausschuss im Schweriner Landtag beschäftigen, den CDU, Grüne und FDP auf den Weg gebracht haben. Die Stiftung hatte den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 unterstützt. Die Inbetriebnahme der Leitung wurde durch die Bundesregierung nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gestoppt. Die Stiftung soll dem Willen des Landtags in Schwerin nach aufgelöst werden, es ist jedoch noch nicht geklärt, ob das juristisch möglich ist.