Monday, May 30, 2022

Verteidigungsausgaben: Mützenich bezeichnet Zwei-Prozent-Ziel als "abstruse Kennziffer"

SZ.de Verteidigungsausgaben: Mützenich bezeichnet Zwei-Prozent-Ziel als "abstruse Kennziffer" Vor 1 Std. Die Einigung der Koalition mit der Union über das Bundeswehr-Sondervermögen betrachtet er, wie viele andere, jedoch als wichtige Entscheidung. Nur die Linke kündigt ihre Ablehnung an. Mützenich bezeichnet Zwei-Prozent-Ziel als "abstruse Kennziffer" SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat sich kritisch zu einem fixen Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben geäußert und betont, dass der Bundestag über den Haushalt entscheidet. Er sprach am Montag im Deutschlandfunk von einer Unionsforderung, "eine vollkommen abstruse Kennziffer ins Grundgesetz festzuschreiben, um nachfolgenden Generationen aufzuerlegen, immer zwei Prozent zu erreichen" - dies sei "vollkommen falsch". Union und Koalition hatten sich am Sonntagabend auf die gesetzlichen Grundlagen für das geplante Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr verständigt. Dabei werde das Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, "im mehrjährigen Durchschnitt" erreicht, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Union hatte ursprünglich vorgeschlagen, dieses Ziel im Grundgesetz zu verankern, war davon aber bereits vor einiger Zeit zugunsten einer normalen gesetzlichen Verankerung abgerückt. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Ende Februar im Bundestag gesagt, dass Deutschland "von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts" in Verteidigung investieren werde. Auf die Frage, ob das noch steht, sagte Mützenich: "Es entscheidet der Deutsche Bundestag über den Haushalt." Auch eine Bundesregierung unter Olaf Scholz werde jedes Jahr schauen, was notwendig ist. Mützenich betonte: "Wir haben eine wichtige Entscheidung diese Nacht getroffen, 100 Milliarden in die Hand zu nehmen, ich würde mal sagen für die nächsten vier, fünf Jahre, was dann diesen zusätzlichen Aufwuchs zum Verteidigungshaushalt auch sicherstellt, um große Investitionen auf den Weg zu bringen." Und dann müsse man sich einfach nochmal vor Augen führen, was zusätzlich notwendig sei. Er argumentierte, dass die Nato-Partner 2014 in Wales vereinbart hatten, sich auf das Zwei-Prozent-Ziel zuzubewegen. Und diese Kennziffer sage doch erstmal gar nichts aus. "800 Milliarden Euro werden jedes Jahr für Militär und Rüstung durch Nato-Staaten ausgegeben." Das zeige, dass es innerhalb der Nato keine Unterfinanzierung gebe, sondern dass die einzelnen Streitkräfte nicht gut zusammenwirkten. Auf die Frage, ob es nach der Verwendung des nun vereinbarten einmaligen Sondervermögens wieder eine Lücke gegenüber dem Zwei-Prozent-Ziel geben wird, sagte der SPD-Fraktionschef: "Was es für Lücken gibt, das wird man 2027 dann in einem neuen Deutschen Bundestag entscheiden." Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Verständigung mit der Union auf die gesetzlichen Grundlagen für das Sondervermögen begrüßt. "Die deutsche Bundeswehr wird gestärkt werden. Sie wird in der Lage sein, ihren Verteidigungsauftrag besser als jemals zu erfüllen, und sie wird ihren Beitrag in der Nato leisten können, damit wir uns gegen Angriffe von außen jederzeit zur Wehr setzen können", sagte der SPD-Politiker am Montag auf der Hannover Messe. "Es ist die richtige Antwort auf die Zeitenwende, die mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine angefangen hat." Er zeigte sich dankbar dafür, dass eine parteiübergreifende Verständigung gefunden wurde. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht sagte im ZDF über die Einigung: "Dies ist ein ganz wichtiges Zeichen, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Bundeswehr endlich so ausgestattet wird, wie es notwendig ist, damit wir die Landes- und Bündnisverteidigung gewährleisten können." Sie rechnet nach eigenen Worten fest mit einer Grundgesetzverankerung des Sondervermögens noch vor der Sommerpause des Bundestages. Auf die Frage, wie schnell Deutschland der Ukraine welche Waffen liefere, erklärte Lambrecht, Deutschland stimme sich mit seinen Partnern ab und lege großen Wert auf eine angemessene Ausbildung an den Waffen. Dieses Training dauere mitunter 40 Tage. Lambrecht wehrte sich gegen Kritik an ihrer Arbeit und verwies unter anderem auf die Umsetzung des Sondervermögens: "Ich habe eine große Aufgabe, und die erfülle ich." Die Linke fordert statt der Mittel für die Bundeswehr ein Sondervermögen gegen Kinderarmut Auch Außenministerin Annalena Baerbock hat die Einigung auf Grundzüge des geplanten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens begrüßt. Es sei "ein guter Kompromiss, wo wir dafür sorgen, dass sich die Nato auf uns verlassen kann", sagte die Grünen-Politikerin am Montag im Deutschlandfunk. Zugleich habe man "die große Herausforderung von Cyberabwehr, die wir ebenfalls massiv angehen müssen", gesetzlich verankert. Die Union hatte darauf gepocht, dass das Sondervermögen ausschließlich für die Bundeswehr verwendet wird. Vor allem die Grünen wollten, dass mit dem Geld auch Cyberabwehr sowie Unterstützung für Partnerstaaten finanziert wird. Bei diesem Streitpunkt wurde nun zwar vereinbart, dass auch Maßnahmen zur Cybersicherheit, für den Zivilschutz sowie zur Stabilisierung von Partnerländern ergriffen werden - aber "aus dem Bundeshaushalt finanziert", also nicht aus dem Sondervermögen. Die Unionsfraktion kündigte wie zu erwarten an, will im Bundestag der Vereinbarung mit der Koalition über das Sondervermögen zuzustimmen. Die einstige Drohung von Fraktionschef Friedrich Merz, nur die nötigen Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit beizusteuern, aber ablehnende Stimmen aus den Reihen der Koalition nicht auszugleichen, habe sich erübrigt, sagte der Verhandlungsführer der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), dem "Handelsblatt". Er fügte hinzu: "Es besteht der gemeinsame Wille, das Verfahren in dieser Woche abzuschließen." Anders die Linkspartei, sie kündigt ihre Ablehnung im Bundestag an. Die Linke werde "eine entsprechende Grundgesetzänderung nicht mittragen", sagt Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Angemessene Ausstattung der Bundeswehr für ihren grundgesetzlichen Auftrag ja, Aufrüstung nein." Die Bundeswehr habe zuallererst ein Beschaffungsproblem. Stattdessen fordert Bartsch ein Sondervermögen zum Kampf gegen Kinderarmut.