Wednesday, March 26, 2025

Signalgate: Sicherheitsbehörden haben einen Rat für deutsche Politik

Berliner Morgenpost Signalgate: Sicherheitsbehörden haben einen Rat für deutsche Politik Christian Unger • 17 Std. • 2 Minuten Lesezeit Die Bewertung von Fachleuten ist vernichtend: fahrlässig, entsetzlich. Das sind Reaktionen, nachdem bekannt wurde, dass ranghohe Mitglieder der US-Regierung in einem Gruppenchat hochsensible Pläne zu einem Militärangriff im Jemen teilten – und ein Journalist mitlesen konnte. Der Vorfall weckt Erinnerungen an einen Abhör-Skandal, den die Bundeswehr vor einem Jahr erlebte. Vier Top-Offiziere der Bundeswehr, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, sprachen über brisante Militärinformationen im Rahmen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Das Problem: Sie nutzen keine verschlüsselte Leitung, sondern die Videokonferenzsoftware Webex. Aus Singapur schaltete sich ein Offizier per Handy zu, anscheinend über das Wlan eines Hotels. Und ein mutmaßlich russlandtreuer Hacker hörte mit. In beiden Fällen wird eines deutlich: Die Sicherheitspanne ist nicht durch eine schwache und anfällige Technik entstanden. Es sind menschliche Fehler, Nachlässigkeiten, die Außenstehenden als Einfallstor dienen – Cyberkriminellen, fremden Nachrichtendiensten oder eben, wie jetzt in den USA, Journalisten. Soldaten bei der Bundeswehr, Politikerinnen im Bundestag, Mitarbeitende bei politischen Stiftungen und in der Verwaltung, sie alle sind Ziel ausländischer Spionage. Und sie alle nutzen Emails, Software für Videokonferenzen und Messengerdienste wie Signal und vor allem Whatsapp. Vor einigen Jahren gerieten 40.000 interne Chatnachrichten von AfD-Abgeordneten an die Medien, die nach Recherchen der ARD „zahlreiche radikale, rassistische und beleidigende Äußerungen“ enthielten. Als die Bundeswehr-Offiziere abgehört wurden, nutzten sie keine Chatgruppe, sondern die Software WebEx, eine Plattform des US-amerikanischen Technikkonzerns Cisco. Ministerien, Parteien und Abgeordnete im Bundestag nutzen WebEx für Besprechungen, interne, wie auch Hintergrundgespräche mit Journalisten. Dienstreisen, aber auch vermehrte Arbeitstage im Home-Office machen Video-Software zur Alltagstechnik. WebEx-Verabredungen lassen sich per Kennwort verschlüsseln. Für Konferenzen und Tagungen im digitalen Raum schalten sich Mitarbeitende in Behörden oftmals über das Programm „BigBlueBotton“ zu, eine Software, die auch die Bundeswehr nutzt. Dieses Programm kommt zum Einsatz, wenn die Gespräche als „geheim“ eingestuft sind. Oder, wie es im Behördendeutsch heißt, „nur für den Dienstgebrauch“. Aus den Behörden heißt es, dass die Mitarbeitenden noch einmal stärker sensibilisiert werden, bei der Kommunikation vorsichtig zu sein. „Wir wissen, dass ausländische Geheimdienste mithören“, sagt ein deutscher Beamter. In den meisten Fällen meint er Russland. „Oft sind es die Bedienfehler, und nicht die technische Penetration von Systemen“, sagt der Vize-Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen. Früher habe man das „Funkdisziplin“ genannt, also die Vorsicht bei Informationen über offene Verbindungen. „Wenn Sie sich die Telefonate im ICE von Berlin nach Köln anhören, dann brauchen Sie keinen russischen Cyberangriff“, sagt Selen. Es zeigt, wo der Nachrichtendienst die größte Schwäche bei der Spionage sieht: beim Menschen.