Monday, March 11, 2024

Taurus-Abhöraffäre: Inspekteur der Luftwaffe war über unsichere Leitung zugeschaltet

DER SPIEGEL Taurus-Abhöraffäre: Inspekteur der Luftwaffe war über unsichere Leitung zugeschaltet 3 Std. • 3 Minuten Lesezeit Der Verteidigungsminister hat bestätigt, dass ein weiterer hochrangiger Offizier sich falsch in das abgehörte Taurus-Gespräch eingewählt hat. Kanzler Scholz bekräftigt derweil sein Nein zur Taurus-Lieferung an die Ukraine. Die Taurus-Abhöraffäre schlägt international wie auch innerpolitisch hohe Wellen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat an einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags teilgenommen, wo weitere Details zu der Affäre ans Licht kamen. So habe sich bei dem abgehörten Gespräch von Bundeswehroffizieren zu Taurus-Marschflugkörpern ein zweiter Teilnehmer falsch eingewählt. Dies bestätigte Pistorius nach der Sondersitzung. Es habe sich dabei um den Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, gehandelt. Allerdings sei es nach bisherigen Ermittlungen bei ihm anders als bei einem anderen Teilnehmer nicht zu einem "Datenabfluss" gekommen. Vor möglich dienstrechtliche Konsequenzen müssten jedoch Ermittlungen abgewartet werden. »Ich bin nicht gewillt, das will ich noch mal deutlich sagen, Putin hier auf den Leim zu gehen und meine besten Offiziere, ob sie hier einen Fehler gemacht haben oder nicht, an die Luft zu setzen«, sagte Pistorius. Ein derartiges Verhalten wäre »genau das, was Wladimir Putin von uns erwartet«. Ein russischer Nachrichtendienst hatte eine Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren der Luftwaffe abgehört. Sie hatten über Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper gesprochen, falls der Taurus doch noch an die Ukraine geliefert würde. Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Florian Hahn, sagte nach der Sitzung, es seien noch Fragen offen. Nötig sei es, in der Taurus-Debatte auch Kanzler Olaf Scholz sowie zu der Abhöraffäre den Luftwaffeninspekteur zu sprechen. In der Debatte über eine Lieferung von Marschflugkörpern in die Ukraine werden unterdessen auch die Meinungsverschiedenheiten in der Ampelkoalition deutlicher. Nachdem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einen sogenannten Ringtausch, bei dem Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben könnte und London dafür weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefert, als »Option« bezeichnet hat, äußerte sich ihr Parteichef Omid Nouripour ähnlich: Dies könne »eine Option sein, wie wir den Knoten durchschlagen können«, sagte er. CDU-Chef Friedrich Merz steht der Option eines Taurus-Ringtauschs skeptisch, aber grundsätzlich offen gegenüber. »Das mag die zweitbeste Lösung sein, um das Ziel zu erreichen – besonders ehrenhaft ist das nicht«, sagte Merz nach einer Sitzung der Präsidien von CDU und CSU in Berlin aber. Auf ihn wirke die Option eines Ringtausches »ein bisschen« wie die Aussage, »Wasch’ mir den Pelz, aber mach mich nicht nass«. Den Ringtausch-Überlegungen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) derweil eine deutliche Absage erteilt. »Meine Klarheit ist da. Das ist meine Aufgabe als Kanzler, als Regierungschef hier mich präzise zu äußern und keine missverständlichen Erwartungen zu wecken. Entsprechend klar sind auch meine Antworten«, sagte Scholz bei einer Pressekonferenz in Berlin auf die Frage, ob er wie Baerbock einen Ringtausch als Option sehe. Er halte den Einsatz des Taurus nicht für vertretbar, deswegen gehe es in dieser Frage »weder um direkt noch um indirekt«, betonte Scholz. Röttgen und Hofreiter werfen Scholz Angstmache vor CDU-Außenexperte Norbert Röttgen und Grünenpolitiker Anton Hofreiter kritisierten Scholz gemeinsam heftig. In einem Gastbeitrag für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« warfen sie dem SPD-Politiker »katastrophalen Defätismus« sowie »dramatisch schlechte Kommunikation« vor. Mit Blick auf Scholz’ Argumente gegen eine Taurus-Lieferung kritisierten sie, der Kanzler verbreite in der Bevölkerung Angst und Schrecken. Wenn Scholz behaupte, Taurus-Lieferungen machten Deutschland zur Kriegspartei, sei »faktisch und rechtlich falsch«. Zudem brüskiere dies Frankreich und Großbritannien, die bereits lieferten. Die Union will am Donnerstag im Bundestag erneut einen Antrag zur Abstimmung stellen, der Ukraine das Taurus-System zu liefern. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Unions-Antrag auch von einzelnen Abgeordneten der FDP und Grünen unterstützt werden könnte. Strack-Zimmermann ließ trotz ihrer Befürwortung von einer Taurus-Lieferung an die Ukraine Distanz zu dem Vorgehen der Union erkennen. Der Bundestag könne zwar jede Woche abstimmen, sagte sie. Man müsse aber aufpassen, dass das für die Ukraine wichtige Thema »nicht zur Posse verkommt«.