Sunday, March 17, 2024
Stegner schafft sich seine Rolle selbst - die als Sprecher der Putin-Freunde
Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Stegner schafft sich seine Rolle selbst - die als Sprecher der Putin-Freunde
Von FOCUS-online-Autor Hugo Müller-Vogg • 10 Std. • 4 Minuten Lesezeit
In der SPD gibt es offizielle Sprecherpositionen für eine Vielzahl von Politikfeldern. Der Parteilinke Ralf Stegner hat sich selbst eine Position geschaffen - die des Putin-Relativierers. Zudem gibt er denen in der SPD eine Stimme, die immer noch in ihrer Moskau-Nostalgie gefangen sind.
Die AfD hat ein Faible für starke Männer. Ihr wahrer Anführer Björn Höcke versucht, sich als solcher zu inszenieren. Kein Wunder, dass diese Partei aus ihren Sympathien für Putin und seine Politik keinen Hehl macht.
Die in Teilen rechtsextreme Truppe hat nun beim Verharmlosen des Kriegsverbrechers Putin Konkurrenz bekommen: das Bündnis Sahra Wagenknecht. Dessen Namensgeberin schafft es, über all die angeblichen Kriegstreiber in Berlin herzuziehen, ohne den Kreml-Zaren auch nur zu erwähnen.
Wäre der ständige Ruf nach Rücksichtnahme auf angeblich gefährdete russische Interessen allein Sache der politischen Ränder, könnte man das als Kollateralschaden des parlamentarischen Systems hinnehmen. Die Demokratie lässt eben auch Raum für extreme Positionen.
Stegner geht es vor allem um eines: keine Waffen für die Ukraine
Russland-Versteher gibt es aber auch in der stärksten Bundestagsfraktion, in der SPD. Dazu zählt der Fraktionsvorsitzende Ralf Mützenich, der sich in der vergangenen Woche für ein „Einfrieren“ des Ukrainekriegs aussprach, was selbst bei den Ampel-Partnern, den Grünen und der FDP, für Kopfschütteln sorgte.
In der Kanzlerpartei gibt es offizielle Sprecherpositionen für viele Politikfelder. Der Parteilinke Ralf Stegner hat sich seinen eigenen Posten geschaffen – den des Putin-Relativierers. Als solcher ist er Dauergast in Talkshows und häufig Interviewpartner der öffentlich-rechtlichen Sender. Dabei geht es ihm vor allem um eines: keine Waffen für die Ukraine.
Stegner gehört seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 zu denen, die zunächst generell vor Waffenlieferungen gewarnt haben – und später dann zunächst einmal gegen die Weitergabe bestimmter Systeme. Als Putin bereits 100.000 Mann, Panzer und schwere Artillerie an der Grenze zur Ukraine in Stellung gebracht hatte, beklagte Stegner im Januar 2022 das „verbale Säbelrasseln“ deutscher Politiker.
In der Debatte um den Taurus gehört Stegner ebenfalls zu denen, die im Zweifel eher an die Befindlichkeit Putins als an das Leid der brutal überfallenen Ukrainer denken. So kritisierte er jetzt auf der Plattform X, „den ganzen Wahnsinn aus dem militaristischen rhetorischen Überbietungswettbewerb der letzten Tage“.
Im Talk bei Lanz offenbart SPD-Mann erschreckende Wissenslücke
Statt für Waffenlieferungen plädiert Stegner stets für „Diplomatie und Entspannung“. Putins fehlende Verhandlungsbereitschaft nimmt er einfach nicht wahr. Im Interview mit dem ZDF entgegnete er auf den Vorhalt, Putin wolle gar nicht verhandeln, mit „das weiß ich nicht“.
Dabei hätte Stegner sich nur Putins Interview mit dem russischen Staatsfernsehen anhören müssen. Da fragte Putin recht zynisch, „Sollen wir verhandeln, nur weil denen jetzt die Munition ausgeht?“. Und beantwortete das so: Das wäre „lächerlich“.
Den SPD-Linken Stegner stört das nicht. Er befindet sich da in einem gewissen Gleichklang mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Der hatte bisher ebenfalls vor jeder Waffenlieferung – von den berühmten 5000 Helmen einmal abgesehen – erhebliche Bedenken, rühmt sich aber stets, wie viel Berlin für Kiew tue. Nach dieser Methode operiert auch sein „Sprecher“ Stegner.
Stegner ist ein Politprofi, weiß, wie man in Diskussionen Punkte macht. Aber in seinem verbissenen Feldzug für Verhandlungen unterlaufen ihm auch böse Fehler.
Bei „Lanz“ warnte er, eine Demokratie könne nicht einfach eine „Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede“ halten „und dann ist alles gut“. Da offenbarte der promovierte Politologe freilich eine erschreckende Wissenslücke.
Er gibt denen in der SPD eine Stimme, die immer noch in ihrer Moskau-Nostalgie gefangen sind
Die berühmteste „Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede“ hielt bekanntlich Winston Churchill im Jahr 1940. Der britische Premier schaffte es, die Menschen im Mutterland der Demokratie zu gewaltigen Anstrengungen zu bewegen, um den Vormarsch Hitler-Deutschlands zu stoppen.
Demokratie und der militärische Einsatz zur Verteidigung der Freiheit schließen sich, anders als Stegner glauben machen will, also keineswegs aus.
Stegner steht in der eigenen Partei schon lange nicht mehr in der ersten Reihe. Bei seinem Anlauf auf den Parteivorsitz schnitt er im Team mit Gesine Schwan am schlechtesten unter sechs Kandidaten-Paaren ab. Dem Parteivorstand gehört er nicht mehr an.
Gleichwohl übt Stegner für Scholz und Mützenich eine wichtige Funktion aus: Er gibt denen in der SPD eine Stimme, die immer noch in ihrer Moskau-Nostalgie gefangen sind.
In der Kanzlerpartei gab es schon immer einen linken Flügel, der für die Sowjetunion oder Russland mehr Verständnis und Sympathie aufbringt als für die „kapitalistischen und imperialistischen“ USA. Das wurde in der Nachrüstungsdebatte Anfang der 1980er-Jahre besonders deutlich.
Die auf Europa und die Bundesrepublik gerichteten, sowjetischen SS20-Raketen waren aus Sicht der sogenannten Friedensbewegung defensive Waffen. Die Antwort der USA, in Deutschland Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II zu stationieren, wurden dagegen als Provokation der amerikanischen „Kriegstreiber“ geschmäht.
Da treffen sie sich wieder - die Putin-Relativierer aus höchst unterschiedlichen Lagern
Stegner kann die Genossen und Sympathisanten, die Russland heutzutage als nicht so gefährlich einstufen, besser bei der Stange halten als etwa Mützenich. Dem legt sein Amt als Fraktionsvorsitzender gewisse Beschränkungen auf.
Der Putin-Relativierer Stegner macht indes keinen Hehl daraus, dass seine Einlassungen das Ziel der SPD-Spitze, Olaf Scholz als „Friedenskanzler“ zu inszenieren, befördern sollen. Das Ziel: Die CDU/CSU als „Partei der Kriegstreiber“ darzustellen.
In der Taurus-Debatte am Donnerstag machte Stegner deutlich, wie sehr der Kampf gegen die Lieferung dieses Waffensystems mit Blick auf die kommenden Wahlkämpfe geführt wird. Stegner hob hervor, dass Scholz mit seinem Nein zum Taurus „das Richtige populär“ mache.
Was er dann in Richtung CDU/CSU sagte, war Wahlkampf pur: „Das gefällt Ihnen nicht, uns schon und – Sie werden es noch merken – der Bevölkerung auch.“ In der Tat sind laut „Politbarometer“ 59 Prozent der Deutschen gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine.
Stegner verschwieg allerdings einen für Linke peinlichen Punkt: Das mehrheitliche Nein zur Taurus-Lieferung basiert nicht zuletzt auf den hohen Ablehnungsquoten bei AfD (90 Prozent) und dem Wagenknecht-Bündnis (85 Prozent). Da treffen sie sich wieder – die Putin-Relativierer aus höchst unterschiedlichen Lagern.