Monday, March 11, 2024
Karl Lauterbach und ein AfD-Vergleich: Krankenhäuser laufen gegen Minister Sturm
Berliner Zeitung
Karl Lauterbach und ein AfD-Vergleich: Krankenhäuser laufen gegen Minister Sturm
von Christian Schwager • 2 Std. • 3 Minuten Lesezeit
Immer wieder regt sich in der Branche harsche Kritik rund um Karl Lauterbachs Kommunikation.
Karl Lauterbach hat Deutschlands Krankenhäuser gegen sich aufgebracht. Der Bundesgesundheitsminister hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in den sozialen Netzwerken mit der AfD verglichen. Grund ist eine Plakataktion, die sich derzeit in Planung befindet und mit der die Kliniken auf ihre finanziell schwierige Lage, die anhaltenden Insolvenzen und Lauterbachs Untätigkeit hinweisen. So ist auf einem der Plakate ein Neugeborenes zu sehen, dazu der Text: „... gibt’s hier bald keinen Nachwuchs mehr.“ Ein anderer Text lautet: „... wird es knapp für die Patienten in der Notaufnahme.“
Immer wieder regt sich in der Branche harsche Kritik zur Kommunikation des SPD-Politikers. Diesmal scheint er den Bogen deutlich überspannt zu haben. Auch die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) findet, dass das öffentliche Gebaren Lauterbachs als Gesundheitsminister nicht mehr tragbar ist. BKG-Geschäftsführer Marc Schreiner sagt: „Wir Krankenhausgesellschaften halten die Reaktion des Ministers Karl Lauterbach für völlig deplatziert.“ Schreiner erkennt in den fraglichen Posts auf Instagram und X ein Muster, das ihn an das Verhalten anderer Vertreter der Bundesregierung erinnere: „Jeder, der ihre Politik nicht mitträgt, wenn sie verheerend für das Land ist, wird in die rechte Ecke gestellt. Das ist ein Zeichen von Hilflosigkeit. Es wirkt, als würden sich die betreffenden Politiker in die Enge getrieben fühlen und um sich schlagen.“
Deutschlands Kliniken werfen Lauterbach seit langem vor, dass seine Krankenhausreform nicht vorankommt. Die Krankenhausgesellschaften fühlen sich zudem in dem Prozess übergangen. Währenddessen findet eine kalte Strukturreform statt. Bundesweit haben seit Ende 2022 mehr als 40 Standorte Insolvenz angemeldet, davon 30 allein im vergangenen Jahr. Trotz Energiehilfen vom Bund hat sich ein Defizit von mehr als 8,5 Milliarden Euro angehäuft, wie die DKG zu Jahresbeginn mitteilte.
„Das ist ein ungeordnetes Sterben, das zulasten der Mitarbeiter und Patienten geht“, sagte der DKG-Chef Gerald Gaß unlängst. Auf ihn zielt Lauterbachs Statement über Instagram und X ab, wenn er schreibt: „Mit dieser persönlichen, unseriösen Hetzkampagne will der Krankenhaus-Cheflobbyist @die_deutschen_krankenhaeuser bald die Patienten verunsichern. Damit argumentiert man nicht differenzierter als die AfD.“ Und: „Wir arbeiten Tag und Nacht, um mit einer großen Reform das Krankenhaussterben abzuwenden.“
„Wo ist denn diese Reform, Herr Minister?“, fragt BKG-Geschäftsführer Schreiner. „Seit bald anderthalb Jahren warten wir, mit dem Willen zur Strukturveränderung, auf die Umsetzung seiner Ankündigungen. Und es kommt immer noch nichts.“ Am 22. März geht das Vorhaben in die nächste Runde. Ein zur Reform gehörendes Transparenzgesetz wird im Bundesrat verhandelt. In der Länderkammer ist es in erster Lesung durchgefallen. Nach ebenjenem Gesetz sollen künftig Deutschlands Krankenhäuser danach eingestuft werden, welche Leistungen sie erbringen können und dürfen. Die Bundesländer lehnten den bisherigen Entwurf ab.
Frühestens 2028 könne die Krankenhausreform greifen, sagt Schreiner. Mit ihrer Plakataktion wollen die Krankenhäuser erneut darauf aufmerksam machen, dass sich die Kliniklandschaft in dieser Zeit weiter ungeordnet verändert, Strukturen verloren gehen. Gleichzeitig, so stellt der BKG-Geschäftsführer verwundert fest, stellte Lauterbach in der vergangenen Woche ein Gesetz in Aussicht, mit dessen Hilfe die Krankenhäuser der Republik für die zivile Verteidigung fit gemacht werden sollen. „Wie passt das zusammen?“
Der Vergleich mit der AfD sei insbesondere für die Berliner Krankenhäuser „unerträglich“, sagt Schreiner: „In unseren Reihen befindet sich das Jüdische Krankenhaus, da sind die kirchlichen Träger, das Rote Kreuz. Wir haben Menschen aus weit mehr als 100 Nationen, die mit uns arbeiten.“ Mehr als 55.000 Beschäftigte weist die Statistik für Berlins Krankenhäuser aus. „Für all diese Menschen, die sich Tag und Nacht mit großem Engagement in den Dienst der Berlinerinnen und Berliner stellen, ist das ein Schlag ins Gesicht.“
Eine Entschuldigung Lauterbachs für seinen Post sei das Mindeste, findet Schreiner. So formulieren es die Vertreter der deutschen Krankenhäuser auch in ihrer Replik auf den Kommentar des Ministers in den sozialen Netzwerken. An diesem Montagnachmittag hat die DKG in einer Konferenz zusammen mit den Krankenhausgesellschaften der Länder über die Plakate diskutiert. Bislang handelte es sich bei den Motiven um Entwürfe. Wie auch immer Karl Lauterbach in ihren Besitz gekommen sein mag – er schien sie aufregend genug gefunden zu haben, um Deutschlands Kliniken erneut gegen sich aufzubringen.