Thursday, February 16, 2023
Meet the Germans: Kulturschock in zwei Richtungen
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Meet the Germans: Kulturschock in zwei Richtungen
Artikel von Brenda Haas • Vor 1 Std.
DW-Reporterin Brenda Haas lebt seit 19 Jahren fern ihrer Heimat Malaysia - hauptsächlich in Deutschland. Und sie hat festgestellt: Einen "Kulturschock" kann man auch bei der Rückkehr ins eigene Land erleben.
Als ich vor 19 Jahren von Malaysia nach Deutschland kam, war der Kulturschock vorprogrammiert: Das Fahren auf der "falschen" (rechten) Seite der Straße, die Mülltrennung oder die Einhaltung von Ruhezeiten - nahezu alles war mir fremd. Über die Jahre und mit viel trial and error begann ich, mich an das Leben hierzulande anzupassen. Das Lernen der Sprache und mein gesunder Sinn für Humor halfen mir dabei - auch wenn ich oft nur Kopfschütteln erntete.
Ohne es zu merken, habe ich mich an Dinge gewöhnt und manche davon sogar lieben gelernt, bei denen ich das niemals für möglich gehalten hätte. Manchmal höre ich sogar, ich sei mittlerweile "eingedeutscht". Es gibt jedoch auch Bereiche des deutschen Lebens, mit denen ich niemals so ganz zurechtkommen werde, die ich aber wohl akzeptieren muss.
Kürzlich kehrte ich nach vierjähriger Abwesenheit, die unter anderem Corona geschuldet war, in meine alte Heimat Malaysia zurück - und fand mich mit einem umgekehrten Kulturschock konfrontiert.
Nicht erlaubt! Einige malaysische Verbotsschilder erscheinen Deutschen ungewöhnlich
1) Autofahren auf Malaysisch
Eins ist klar: Wenn ich mich dazu entscheiden sollte, für immer nach Malaysia zurückzukehren, bräuchte ich einen Auffrischungskurs in Sachen Verkehr. Anders als in Deutschland, wo Fahrende im Allgemeinen auf ihrer Spur bleiben, Blinker benutzen und pflichtbewusst das Reißverschlussverfahren anwenden, muss ich in Malaysia meinen Kopf gefühlt um 360 Grad drehen, um den Verkehr aus allen Richtungen zu erfassen. Es sind vor allem Motorräder, die sich auf schwindelerregende Weise in den Verkehr ein- und ausklinken.
Die überwiegende Höflichkeit, die deutsche Autofahrer an den Tag legen, hat meine Reflexe etwas abstumpfen lassen. Abgesehen von einigen Hobby-Rennfahrern, die wie die Irren die Autobahn entlangbrettern, ist Autofahren in Deutschland für mich ein Kinderspiel.
Menschen, die zu Fuß gehen, stehen in Malaysia ganz am Ende der Nahrungskette. Wer also an einem Zebrastreifen wartet und darauf hofft, dass Autos für ihn oder sie bremsen, hofft in der Regel vergeblich. Und wer von "defensivem Fahren" spricht, wird höchstwahrscheinlich als Schwächling abgetan. Ich sollte das wissen. Als ich in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur lebte und arbeitete, war ich selbst eine "dieser" Fahrerinnen.
Für den Kontext sei erwähnt, dass es in den Großstädten Malaysias während der Stoßzeiten oft zu endlosen Staus kommt. Die Menschen sind nervös und drängen sich in jede mögliche Verkehrslücke, um schneller ans Ziel zu kommen. Daher ist sowohl das Benutzen der Standstreifen oder das Dranhängen an Krankenwagen mit Blaulicht - beides in Deutschland verboten - in Malaysia durchaus normal.
2) Wo die Zeit wie Gummi ist
Einst hatte ich eine Postkarte, auf der folgender afrikanischer Spruch stand: "Die Menschen im Westen haben Uhren, wir haben Zeit." Er hätte sehr gut auch aus der Feder eines Malaysiers stammen können. Tatsächlich verfügen wir über das Konzept der "Gummizeit" - was andeutet, dass Zeit wie Gummi nach Belieben gedehnt werden kann und Pünktlichkeitsfanatiker daher eine Beruhigungspille schlucken sollten.
Allerdings wurde ich von einem Vater erzogen, der sowohl extrem pünktlich als auch ungeduldig war, weswegen mich die Gummizeit immer genervt hat. Als ich in Kuala Lumpur als Reporterin anfing, war ein mindestens um 30 Minuten verzögerter Start eines offiziellen Pressetermins normal. Wer das beherzigt, regt sich nicht auf und schont den eigenen Blutdruck. Wenn es um Zeiteinhaltung geht, ist Deutschland für mich eindeutig der Sieger.
Einige haben Uhren, andere haben Zeit
3) Kein Termin notwendig
Die relative Leichtigkeit, mit der man in Malaysia einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen kann, legt für mich wiederum nahe, mich dort zur Ruhe setzen zu wollen. Dahinter steckt, dass wir hier zwei sehr unterschiedliche Gesellschaften miteinander vergleichen - eine alternde und eine, wo es viele junge Menschen gibt.
Aber auch nach Jahren in Deutschland und mit dem Wissen, dass das Gesundheitssystem über die Kapazitätsgrenze hinaus belastet ist, kann ich es nicht akzeptieren, dass ich manchmal erst nach einem halben Jahr einen Termin in einer Arztpraxis bekomme, wenn ich doch jetzt (!) Schmerzen habe und arbeitsunfähig bin.
Viele der malaysischen Allgemeinmediziner und Allgemeinmedizinerinnen - das Äquivalent zu den deutschen Hausarztpraxen - bieten ihre Dienste in 24-Stunden-Kliniken an. Termine benötigt man nicht. Man geht hin, wenn man sich unwohl fühlt, bekommt eine Nummer und dann eine Behandlung. Meine Vorstellung vom Himmel.
4) Alles ist ruhig
Eine unvergessliche Lektion in deutschen Gepflogenheiten fand ungefähr einen Monat nach unserem Einzug in eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus statt, als ich von der heiligen "Ruhezeit" erfuhr. In Deutschland sind die üblichen Ruhezeiten werktags von 22 Uhr bis 6 oder 7 Uhr morgens und an Sonn- und Feiertagen ganztägig. Doch die Regelungen können von Bundesland zu Bundesland und sogar von Vermieter zu Vermieter variieren. Während dieser Zeiten ist es verboten, laute Haushalts- oder Gartengeräte zu betreiben, laute Musik zu spielen oder laute Partys zu feiern. Bei uns kam damals ein aufgeregter Nachbar vorbei und sagte meinem Mann, dass ich ab 20 Uhr nicht mehr so laut lachen dürfe. Ja, Sie haben richtig gelesen. Mein Mann entgegnete ironisch, dass ich laut Hausordnung bis 22 Uhr laut lachen dürfe, danach würde ich notfalls in den Keller gehen. Und doch: Da ich aus einer Gesellschaft stamme, in der man nahezu ständig Lärm ausgesetzt ist, weiß ich das Konzept der Ruhezeit mittlerweile zu schätzen.
Ruhe und Frieden in Malaysia - das passt nicht immer zusammen
Fazit: Ein Kulturschock - egal in welche Richtung - kann auch eine Win-Win-Situation sein kann. Er macht uns toleranter den Dingen gegenüber, die wir lieber anders machen würden.
Adaption aus dem Englischen: Verena Greb
Autor: Brenda Haas