Tuesday, April 5, 2022
Wie die Beweissuche läuft : Das Puzzle von Butscha – einem Kriegsverbrechen auf der Spur
Tagesspiegel
Wie die Beweissuche läuft : Das Puzzle von Butscha – einem Kriegsverbrechen auf der Spur
Georg Ismar - Vor 1 Std.
Satellitenbilder, Munitionsfunde, Obduktionen, Überlebenden-Berichte: Spezialisten versuchen, Beweise für die Anklage zu sammeln. Wie gehen sie dabei vor?
Es ist ein Puzzle, dass die russischen Darstellungen von Falschinformationen widerlegen soll. Außenminister Sergej Lawrow nennt die hunderten getöteten Zivilsten von Butscha eine „Inszenierung durch die Ukraine, um Russland zu schaden“. Schon im Ersten Weltkrieg hieß es: „Im Krieg ist Wahrheit das erste Opfer.“ Doch wie lässt sich die Schuldfrage gerichtsfest rekonstruieren?
Einen wichtigen Ansatzpunkt bietet im 21. Jahrhundert die Auswertung von Satellitenbildern. Demnach haben viele Leichen bereits lange vor dem Abzug der russischen Truppen dort gelegen. Die hochauflösenden Bilder „bestätigen die jüngsten Videos und Fotos in den sozialen Medien, auf denen Leichen zu sehen sind, die seit Wochen auf der Straße liegen“, sagt ein Sprecher der US-Satellitenbildfirma Maxar Technologies.
Die „New York Times“ verglich die Satellitenbilder mit diversen Aufnahmen von ukrainischen Beamten und internationalen Medien und bestätigte, dass einige der Leichen sich bereits drei Wochen vor dem russischen Abzug in der gezeigten Position befunden hatten, bevor sie vor wenigen Tagen von ukrainischen Soldaten nach der Rückeroberung entdeckt wurden.
„Die Leichen lagen da, die haben die Ukrainer nicht für die Presse da hingelegt“, steht damit für den Direktor von Human Rights Watch Deutschland, Wenzel Michalski, schon einmal fest.
„Alles deutet darauf hin, dass die Opfer absichtlich ins Visier genommen und direkt getötet wurden", sagt auch die Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte. Das humanitäre Völkerrecht verbiete bei bewaffneten Konflikten aber absichtliche Angriffe auf Zivilisten - das käme einem Kriegsverbrechen gleich. Auch UN-Experten sollen hierhin reisen.
Bei der Suche nach den Tätern berichtet zudem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" unter Verweis auf ukrainische Quellen von wichtigen Indizien: Demnach würden Packzettel in Munitionskisten daraufhin deuten, dass in Butscha auch eine Einheit des russischen Militärs im Einsatz war, die mutmaßlich schon bei der Annexion der Krim dabei war.
Auf den Packzetteln, die auf einem aufgegebenen Stützpunkt der russischen Truppen in Butscha gefunden worden seien, sei die Militäreinheit 74268 angegeben. Dahinter verberge sich das 234. russische Garde-Fallschirmjägerregiment. Es gehört zu einer Division aus Pskow im Nordwesten Russlands.