Thursday, April 28, 2022
Bundestag: Friedrich Merz verwandelt Ukraine-Debatte in Generalattacke auf Olaf Scholz
DER SPIEGEL
Bundestag: Friedrich Merz verwandelt Ukraine-Debatte in Generalattacke auf Olaf Scholz
Marc Röhlig - Vor 1 Std.
In der Bundestagsdebatte ging es trotz des gemeinsamen Vorgehens sehr robust zu: CDU-Chef Merz nahm sich Kanzler Scholz vor – und war damit nicht der einzige.
Bundestag: Friedrich Merz verwandelt Ukraine-Debatte in Generalattacke auf Olaf Scholz
Die Ampel-Fraktionen haben im Bundestag gemeinsam mit der Union neue Waffenlieferungen in die Ukraine beschlossen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) nutzte die Debatte über Waffenlieferungen trotzdem für harsche Kritik an Olaf Scholz (SPD).
»Der Bundeskanzler hat über Wochen die Diskussion über die Frage, ob der Ukraine denn nun Waffen geliefert werden sollten oder nicht, hingehalten, offengelassen, ausweichend beantwortet«, kritisierte der CDU-Chef am Vormittag im Bundestag in Berlin. »Das ist nicht Besonnenheit, wie Sie es in den Ampel-Fraktionen versuchen, in den letzten Tagen zu erklären. Das ist Zögern, das ist Zaudern und das ist Ängstlichkeit.«
Merz kritisierte zudem eine Äußerung von Scholz, der in einem Interview gesagt hatte, »manchen von diesen Jungs und Mädels muss ich mal sagen: Weil ich nicht tue, was Ihr wollt, deshalb führe ich.« Gemeint gewesen seien offenbar die drei Vorsitzenden der Ausschüsse für Auswärtiges, Verteidigung und Europa – Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne), die Mitte April in die Westukraine gereist waren, sagte Merz. »Mitglieder des Deutschen Bundestages herablassend mit Jungs und Mädels zu bezeichnen, das ist auch für einen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland völlig inakzeptabel«, rief der Oppositionsführer.
»Ein Zeichen von Unsicherheit und von Schwäche«
Merz ergänzte: »Einfach nur das Gegenteil von dem zu tun, was Mitglieder des Deutschen Bundestages für richtig halten, ist auch kein Ausdruck von Führung.« Dieser Sprachgebrauch sei »eher ein Zeichen von Unsicherheit und von Schwäche«.
Äußerungen von Scholz, die Lieferung deutscher Waffen würden möglicherweise einen dritten Weltkrieg auslösen, nannte Merz »ebenso unverantwortlich wie aus unserer eigenen historischen Erfahrung heraus falsch und irreführend«. Im SPIEGEL hatte Scholz noch vergangene Woche seine Ablehnung zur Entsendung schwerer Waffen mit der Furcht vor einem Atomkrieg begründet.
Der Hinweis lasse nur den Schluss zu, so Merz, dass aus der Sicht von Scholz alle anderen Länder, die mehr für die Ukraine täten als Deutschland, die Kriegsgefahr in Europa erhöhten. »Das ist doch eine geradezu groteske Umkehrung von Ursache und Verantwortung für diesen Krieg.« Warum sollten gerade deutsche Waffen diese Wirkung haben, alle anderen aber nicht, fragte Merz.
»Kommunikationsdesaster« der Ampel-Koalition
Auch die AfD und die Linkspartei kritisierten Scholz. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einem »Kommunikationsdesaster« der Ampel-Koalition in der Waffenfrage. Noch am Wochenende habe Scholz vor einem Dritten Weltkrieg und einem Atomkrieg gewarnt. »Millionen Menschen in Deutschland haben genau diese Sorgen und Ängste«, sagte Bartsch. Deshalb verstehe er überhaupt nicht, dass »72 Stunden später das Gegenteil verkündet« wird, als die Lieferung von Gepard-Panzern zugesagt wurden.
AfD-Chef Tino Chrupalla kritisierte Scholz' Fehlen bei der Abstimmung. Es sei »unentschuldbar«, dass Scholz in dieser wichtigen Stunde nicht im Bundestag anwesend sei, sondern nach Japan »zur Kirschblütenzeit« reise. Zuletzt habe Scholz noch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wegen der Abstimmung zur Impfpflicht vorzeitig von einem Nato-Treffen abkommandiert – nun fehle er selbst. »Das zeigt, wo hier die Prioritäten liegen«, so Chrupalla.
Scholz war am Morgen in der japanischen Hauptstadt Tokio eingetroffen, wo er Ministerpräsident Fumio Kishida treffen und an einer Wirtschaftskonferenz teilnehmen wird. Japan gilt als wichtiger Partner der G7-Staaten.