Saturday, April 9, 2022

Ukraine aktuell | USA: Moskau verübte Attacke von Kramatorsk

Ukraine aktuell | USA: Moskau verübte Attacke von Kramatorsk dw.com - Gestern um 11:35 Der Angriff mit einer Kurzstreckenrakete sei ein weiteres Beispiel russischer "Brutalität", so das Pentagon. Der ukrainische Präsident Selenskyj verlangt eine entschiedene internationale Reaktion. Der Überblick. Das Wichtigste in Kürze: Washington macht Russland für Angriff auf Kramatorsk verantwortlich EU bringt fünftes Sanktionspaket auf den Weg Angriffe im Donbass dauern an USA: Russland mobilisiert 60.000 Reservisten Moskau schließt Büros von Amnesty und deutschen Stiftungen Nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums sind die russischen Streitkräfte für den tödlichen Raketenangriff auf einen Bahnhof in der ostukrainischen Stadt Kramatorsk verantwortlich. Russlands offizielle Dementis in dieser Sache seien "nicht überzeugend", sagte der Sprecher des Pentagons, John Kirby. "Unsere Einschätzung ist es, dass das ein russischer Angriff war und dass sie eine ballistische Kurzstreckenrakete genutzt haben, um ihn auszuführen", sagte Kirby. Der Angriff sei erneut ein Beispiel der russischen "Brutalität" und der "Sorglosigkeit" gegenüber der Zivilbevölkerung. Nach Angaben eines ranghohen Pentagon-Vertreters setzte Russland bei dem Angriff wohl den Raketentyp SS-21 ein, der in Russland unter dem Namen Totschka bekannt ist. Bislang sei noch unklar, ob dabei auch Streumunition zum Einsatz gekommen sei, sagte der leitende Beamte. Die Ukraine und Russland gaben sich am Freitag gegenseitig die Schuld für die Attacke. Bei dem Angriff auf den Bahnhof waren mindestens 50 Menschen getötet worden, darunter fünf Kinder. Etwa 100 Menschen wurden verletzt, wie der Gouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, sagte. An dem Bahnhof hätten Tausende Menschen darauf gewartet, fliehen zu können. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlangte eine entschiedene Antwort der internationalen Gemeinschaft. "Wir erwarten eine entschlossene, weltweite Reaktion auf dieses Kriegsverbrechen", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft am Freitagabend. Angriffe im Donbass dauern an Die Angriffe russischer Einheiten im Donbass im Osten der Ukraine gehen ukrainischen Angaben zufolge weiter. Die russischen Truppen konzentrierten sich darauf, die Orte Rubischne, Nischne, Popasna und Nowobachmutiwka zu übernehmen und die volle Kontrolle über die Stadt Mariupol zu erlangen, teilte der ukrainische Generalstab mit. Im Süden des Landes seien in der Region Odessa Ziele mit Raketen beschossen worden. Laut dem Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, wird ein Teil der 50.000-Einwohner-Stadt Rubischne bereits von russischen Einheiten kontrolliert. Es gebe ständige Positionskämpfe und Beschuss. Auch Popasna mit seinen rund 20 000 Einwohnern werde seit mehr als einem Monat "niedergebügelt". Es sei unmöglich, Menschen aus der Gefahrenzone zu bringen. Insgesamt gebe es verstärkten russischen Beschuss. "Sie bündeln Kräfte für eine Offensive, und wir sehen, dass die Zahl der Granateneinschläge zugenommen hat." Es müssten mehr Siedlungen evakuiert und die Zivilbevölkerung in Sicherheit gebracht werden. Noch immer hielten sich 30 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in den Orten der Region auf. Weitere Sanktionen gegen Russland wirksam Die EU hat ihr fünftes großes Sanktionspaket gegen Russland in Kraft gesetzt. Das am Freitagabend im EU-Amtsblatt veröffentlichte Paket enthält unter anderem Strafmaßnahmen gegen mehr als 200 weitere russische Personen, darunter die beiden erwachsenen Töchter von Kreml-Chef Wladimir Putin, und 18 weitere russische Unternehmen. Das ebenfalls in dem Sanktionspaket enthaltene Kohle-Embargo gegen Russland wird nach 120 Tagen wirksam. Auf der neuen EU-Sanktionsliste stehen unter anderem auch der Chef des größten russischen Geldinstituts Sberbank, Herman Gref, der Oligarch und Waffenfabrik-Besitzer Oleg Deripaska und der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Gegen Putin selbst hatte die EU bereits kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar Strafmaßnahmen verhängt. Der Druck auf die EU-Staaten, Importverbote für russische Energielieferungen zu verhängen, war zuletzt gestiegen. Einigen konnten sich die 27 Mitgliedstaaten bislang jedoch nur auf einen Exportstopp für Kohle. Ein von der Ukraine sowie dem EU-Parlament gefordertes Gas-Embargo wird insbesondere von Deutschland und Österreich abgelehnt. "Deutschland ist konservativ und kalt" Selenskyj wirft der Bundesregierung erneut einen zu zögerlichen Kurs in der Ukraine-Politik und im Kampf gegen Russland vor. Im Interview mit "Bild" lobt Selenskyj das Kohle-Embargo im neuen EU-Sanktionspaket gegen Russland, kritisiert jedoch, dass es nicht weit genug gehe. "Einige Länder, Deutschland gehört auch dazu, sind gegen ein Öl und Gas-Embargo. Ich bin froh, dass das fünfte Paket (der EU-Sanktionen) das Kohle-und-Holz-Embargo enthält", sagt Selenskyj. Zwei Länder, darunter auch Deutschland, hätten für Übergangsfristen von vier Monaten gestimmt, sagte er. Der Präsident mahnte erneut mehr Unterstützung an. "Deutschland hat uns nicht mit Waffen unterstützt. Deutschland hat offen darüber gesprochen, dass wir kein Mitglied der NATO sein werden. Aber wenn wir ehrlich bleiben: die Rhetorik von Deutschland hat sich verändert. Deutschland ist konservativ und kalt - aber der Zug hat sich bewegt". Die Menschen in Deutschland seien aber "absolut nicht kalt", betonte der ukrainische Präsident. Er habe die großen Demonstrationen für die Ukraine gesehen. "Da war viel Unterstützung. Dort habe ich das Gesicht der Deutschen gesehen", sagte Selenskyj. EU-Botschaft bald wieder in Kiew Kurz nach Kriegsbeginn war die Vertretung der Europäischen Union in der Ukraine geschlossen worden. Nun soll die Arbeit dort wieder aufgenommen werden, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bei einem gemeinsamen Besuch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in der Hauptstadt des Landes ankündigte. "Unsere Vertretung kommt zurück, die Europäische Union kommt zurück nach Kiew", sagte er. Zunächst solle es ein kleines Team rund um EU-Botschafter Matti Maasikos geben. Ukraine aktuell | USA: Moskau verübte Attacke von Kramatorsk Die EU-Vertretung war einen Tag nach Kriegsbeginn komplett evakuiert worden, ein Kernteam arbeitete fortan von Rzeszow in Südpolen aus. Die Rückkehr des Botschafters solle zeigen, "dass die Ukraine existiert, dass es da eine Hauptstadt gibt, eine Regierung gibt und Vertretungen anderer Länder", sagte Borrell. Das Land sei noch immer unter der Kontrolle der Ukrainer. Auf der Flucht Mehr als 6500 Menschen konnten nach Angaben aus Kiew am Freitag umkämpfte ukrainische Gebiete verlassen. Das teilte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk in einer auf Facebook veröffentlichten Videobotschaft mit. Mehr als 1600 Menschen stammten aus der belagerten Hafenstadt Mariupol, mehr als 3500 seien Bewohner des Gebiets Saporischschja. Rund 1500 weitere Menschen habe man aus dem Gebiet Luhansk in Sicherheit bringen können. Mobilisierung von 60.000 Reservisten Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums Tausende zusätzliche Soldaten nahe der Grenze zur ukrainischen Stadt Charkiw zusammengezogen. Die Zahl der taktischen Bataillone in der Nähe der russischen Stadt Belgorod sei von 30 auf inzwischen 40 angestiegen, sagte ein ranghoher Beamter am Freitag. Er nannte keine genaue Zahl der zusätzlichen Truppen, aber solche Bataillone bestehen typischerweise aus etwa 600 bis 1000 Soldaten. Das russische Militär ziehe seine Kräfte dort zusammen, um seinen Einsatz auf die Eroberung der ostukrainischen Region Donbass zu konzentrieren, sagte er. Es gebe auch Berichte, wonach die Einheiten, die nun im Osten eingesetzt werden sollten, durch das Mobilisieren "Zehntausender Reservisten" verstärkt werden sollten. Demnach gebe es Hinweise, dass die Russen hofften, "mehr als 60.000 Soldaten" zu mobilisieren. Russland schließt Büros von Amnesty und deutschen Stiftungen Russland schließt die Büros mehrerer namhafter internationaler Organisationen, darunter deutsche Parteistiftungen sowie die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch. Sie seien "aus dem offiziellen Register ausländischer Nichtregierungsorganisationen" in Russland aufgrund von "Verstößen gegen das russische Recht" ausgeschlossen worden, teilte das Justizministerium in Moskau mit. Dies entspreche de facto der Schließung, erklärte Amnesty. Zu den insgesamt 15 betroffenen Organisationen gehören laut dem Justizministerium auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung, das Politikinstitut Carnegie Endowment for International Peace und die polnische Organisation Wspolnota Polska. Will trotz Hürden weiter für Menschenrechte in Russland kämpfen: Amnesty-Generalsekretärin Callamard (Archivbild) © Claudio Bresciani/TT News Agency/picture alliance Will trotz Hürden weiter für Menschenrechte in Russland kämpfen: Amnesty-Generalsekretärin Callamard (Archivbild) Die Organisationen seien "dafür bestraft worden, dass sie die Menschenrechte verteidigt und den russischen Behörden die Wahrheit gesagt haben", erklärte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnes Callamard. Die Regierung in Moskau täusche sich aber, wenn sie glaube, durch die Schließung des Moskauer Büros Amnesty daran hindern zu können, "Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und aufzudecken". Auch Human Rights Watch kündigte an, weiter zu Verstößen gegen die Menschenrechte in Russland zu recherchieren. Neutraler Beistand aus Österreich Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer will sich an diesem Samstagvormittag in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj treffen. Das gab das Bundeskanzleramt bekannt. Zudem soll Nehammer mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko sprechen und die Stadt Butscha besuchen. "Es ist wichtig, dass wir im Rahmen unserer Neutralität der Ukraine sowohl auf humanitärer als auch auf politischer Ebene beistehen", erklärte der Kanzler.