Wednesday, March 13, 2024
Verabschiedung im EU-Parlament: Was die Sanierungspflicht für Hauseigentümer bedeutet
DER SPIEGEL
Verabschiedung im EU-Parlament: Was die Sanierungspflicht für Hauseigentümer bedeutet
19 Std. • 5 Minuten Lesezeit
Lange wurde darum gerungen, jetzt hat das EU-Parlament die Richtlinie zur energetischen Sanierung von Wohngebäuden abgesegnet. Nun kommt es auf die Umsetzung in Deutschland an. Der Überblick.
Verabschiedung im EU-Parlament: Was die Sanierungspflicht für Hauseigentümer bedeutet
Das Europaparlament hat am Dienstag eine Richtlinie zu Sanierungsvorgaben gebilligt, die dazu beitragen sollen, dass die EU ihre Klimaziele einhält. Der Energieverbrauch von Wohngebäuden soll so bis 2030 im Schnitt um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent sinken. Für Gebäude, die nicht zum Wohnen gedacht sind, sehen die Vorschriften vor, dass 16 Prozent der am wenigsten energieeffizienten Gebäude bis 2030 und 26 Prozent bis 2033 renoviert werden müssen.
Das Vorhaben geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück. Sie hatte den Richtlinienentwurf vor knapp zwei Jahren vorgelegt, weil Gebäude ihren Angaben zufolge für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich sind. Wenn Häuser besser gedämmt sind oder moderne Heizungen verwendet werden, kann das den Energiebedarf senken und somit Energiekosten und die Umweltbelastung verringern.
Im Dezember hatten sich EU-Parlamentarier und der ebenfalls beteiligten EU-Staaten auf das neue Gesetz geeinigt. Jetzt folgt die Abstimmung im EU-Parlament. Was Hauseigentümer jetzt wissen müssen:
Werde ich gezwungen, mein Haus zu sanieren?
Laut EU-Chefunterhändler Ciarán Cuffe gibt es grundsätzlich keine Verpflichtungen für einzelne Gebäude. Welche konkreten Auswirkungen die Vorgaben für Hausbesitzer und Wirtschaft haben, kommt vor allem darauf an, wie Deutschland diese umsetzt. Auch Bundesbauministerin Klara Geywitz versicherte gegenüber dem SPIEGEL, dass niemand zu etwas gezwungen werde: »Wir haben verstanden. Klimaschutz braucht Akzeptanz. Wir haben den Sanierungszwang für Ein- und Mehrfamilienhäuser verhindert«, sagte Geywitz. Ein Gebäude sei nichts Abstraktes, sondern das Zuhause von Menschen. Jedes sei verschieden gebaut und werde unterschiedlich beheizt. »Ein Zwang zu one-fits-all hätte zu sozialen Verwerfungen geführt, die auch nicht mit dem Schutz des Klimas zu rechtfertigen sind.«
Auf die Bundesregierung komme damit eine große Herausforderung zu, teilte der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie mit. Denn es müsse trotzdem vorab genau geklärt werden, welche Gebäude wann saniert werden müssen. Für Bauunternehmen sei das wichtig, um planen zu können.
Die Vorgabe, dass der Energieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 um 16 und bis 2035 um mindestens 20 Prozent sinken muss, ist ein übergeordnetes Ziel. Das bedeutet, dass das Ziel auch erreicht wird, wenn bereits gut isolierte Gebäude auf einen noch besseren Standard gehoben werden. Gut die Hälfte der Einsparungen soll aber durch die Renovierung von Gebäuden mit der schlechtesten Energieeffizienz erzielt werden.
Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es, man werde den Umsetzungsbedarf prüfen. Man werde die Klimaziele einhalten, indem man ganze Quartiere einbeziehe und nicht jedes einzelne Gebäude.
Ist die jetzt zur Abstimmung stehende Regelung ein Kompromiss?
Ursprünglich hatte das EU-Parlament einen konkreten Sanierungszwang vorgesehen, nach der Devise »Worst First«: Die schlechtesten Gebäude hätten als Erste modernisiert werden müssen. Bis 2030 sollten alle Objekte mindestens Energieeffizienzklasse E und bis 2033 Klasse D erreichen. Dafür hatte das Parlament bereits Mitte März gestimmt – und war damit noch über einen Vorschlag der EU-Kommission hinausgegangen, die bislang lediglich Klasse F bis 2030 für alle Gebäude verpflichtend machen wollte.
Auch die Bundesregierung hatte zunächst für möglichst strenge EU-Vorgaben plädiert und eine Sanierungspflicht auch für konkret benannte Gebäude verlangt. Nach dem verheerenden Echo auf das deutsche Heizungsgesetz schloss man sich der Linie an, die den Nationalstaaten weitreichende Spielräume lässt.
Kritiker monieren jedoch, dass der klimapolitische Nutzen der Richtlinie damit praktisch neutralisiert ist. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) nennt den Deal der EU-Institutionen zwar »provisorisch«. Es sei ein »wichtiger, wenngleich unzureichender Schritt in die richtige Richtung«. Das Ambitionsniveau bliebe weit hinter dem zurück, was zur Erreichung der Klimaziele notwendig sei. Viele Experten halten die Klimaziele ohne Sanierungspflichten schlicht nicht für erreichbar.
Verliert mein Haus durch das neue Gesetz an Wert?
Auch das kommt darauf an, wie Deutschland die Richtlinie umsetzt. Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund, hält den Plan für sehr ambitioniert, dass 50 Prozent der Einsparungen durch Arbeiten an besonders schlecht isolierten Gebäuden erreicht werden sollen. Dies werde viele Eigentümer finanziell überfordern. Sollte die Bundesregierung Mindeststandards einführen, die alle Gebäude erfüllen müssen, droht aus Sicht des Verbands ein starker Wertverlust bei zahlreichen Immobilien.
Das klang im Dezember noch ganz anders. Damals bezeichnete der Lobbyist den Kompromiss als »gutes Ergebnis«. Ein massiver Wertverfall, Vermögensverlust und zahlreiche Hausnotverkäufe hätten abgewendet werden können. Ordnungsrechtliche Maßnahmen hält Warnecke ohnehin für eher kontraproduktiv. »Eine CO₂-Bepreisung mit einer Rückgabe der Einnahmen an die Bürger in Form eines Klimageldes wäre der einfachste, günstigste und wirksamste Weg«.
Wie teuer wird das Vorhaben?
Nach Angaben von Haus & Grund entsprechen 15 Prozent der ineffizientesten Gebäude in Deutschland etwa 2,4 Millionen Wohngebäuden. Basis für diese Aussage sind Zahlen der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen von 2022.
Bereits für eine Teilmodernisierung dieser Gebäude könnten rund 17,2 Milliarden Euro im Jahr fällig werden. Bis 2030 entspreche das einem Gesamtaufwand von knapp 140 Milliarden Euro. Im Schnitt seien es knapp 60.000 Euro je Gebäude. Die EU-Staaten sollen laut Gesetz Maßnahmen ergreifen, dass finanziell schlechter gestellte Menschen Zugang zu Unterstützung bekommen. EU-Chefunterhändler Cuffe teilte mit: »Die Mitgliedstaaten müssen EU-Mittel für bedürftige Haushalte zur Verfügung stellen.«
Die Bauwirtschaft verspricht niedrigere Kosten, wenn Wohnblocks im Ganzen saniert werden könnten. Denn wenn zeitgleich eine größere zusammenhängende Zahl von Wohnungen und Häusern renoviert werde, könnten Skaleneffekte erzielt werden. Gleichzeitig kritisiert die Industrie, dass die Anforderungen des Vorhabens Neubauten teurer machten. Von dem Gesetz gingen kaum Impulse aus, die aktuelle Wohnungsbaukrise in Deutschland abzumildern.
Sind Ausnahmen vorgesehen?
Ja. Nach Angaben des EU-Parlaments können etwa landwirtschaftliche und denkmalgeschützte Gebäude von den neuen Vorschriften ausgenommen werden. Mitgliedstaaten können Gebäude auch von Verpflichtungen befreien, wenn sie unwirtschaftlich zu renovieren sind. Gleiches gilt für Bauwerke, die wegen ihres besonderen architektonischen oder historischen Wertes geschützt sind. Auch Kirchen und andere Gotteshäuser können von den Vorgaben ausgenommen werden. Laut EU-Kommission können die EU-Staaten beispielsweise auch Ferienhäuser von den Verpflichtungen befreien.
Welche weiteren Maßnahmen sind geplant?
Bis 2040 sollen Öl- oder Gasheizungen aus dem Sortiment der Heizungsbauer praktisch verschwinden. Das Parlament teilte mit, die EU-Staaten müssten zudem ab 2025 Subventionen für Heizungen mit fossilen Energieträgern wie Öl oder Gas einstellen. Anreize für hybride Systeme, etwa eine Kombination aus fossilem Heizen und einer Wärmepumpe, sollen aber weiter möglich sein.
Außerdem müssen auf öffentlichen Gebäuden und Nichtwohngebäuden ab 2027 schrittweise Solaranlagen installiert werden, sofern das technisch, wirtschaftlich und funktionell machbar ist. Darüber hinaus sollen ab 2030 nur noch Gebäude gebaut werden, die am Standort keine Treibhausgase aus fossilen Brennstoffen ausstoßen. Ausnahmen sind laut Kommission möglich.