Wednesday, March 6, 2024
Streit über Ramadan-Schriftzug in Frankfurt sorgt bundesweit für Debatten
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Streit über Ramadan-Schriftzug in Frankfurt sorgt bundesweit für Debatten
3 Std.
Happy Ramadan: Am Sonntag soll der Schriftzug leuchten.
Die Debatte über die Ramadan-Beleuchtung in der Frankfurter Innenstadt zieht immer weitere Kreise. Als erste deutsche Stadt hat Frankfurt einen Festschmuck für den muslimischen Fastenmonat mit dem Schriftzug „Happy Ramadan“ an der Freßgass’ zwischen Hauptwache und Opernplatz befestigt. Am Sonntag, zum Beginn des Ramadans, wird die Beleuchtung angeschaltet.
In den sozialen Netzwerken, besonders auf der Plattform X, hat die Aktion eine Empörungswelle ausgelöst. Der Festschmuck wird als Zeichen einer „Islamisierung“ gedeutet, Nutzer sprechen vom Islam als einer „Steinzeit-Ideologie“, es wird zum Boykott der Geschäfte auf der Freßgass’ aufgerufen. Auch die einflussreiche, weit rechts stehende Influencerin Anabel Schunke teilt ein Video zum Thema. Den Muezzinruf, öffentliche Gebete oder das Fastenbrechen auf der Straße nennt sie darin „islamische und islamistische Machtdemonstrationen“. Andere wie die SPD-Politikerin Sawsan Chebli oder Lamya Kaddor, die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, loben die Initiative. „Fangen wir doch einfach mal an, religiöse und kulturelle Vielfalt als Normalität in unserer Gesellschaft zu betrachten“, fordert Kaddor.
Besonders scharf kritisiert wird die Aktion von der hessischen Landtagsfraktion der AfD. Von einer „Geste der Unterwerfung“ spricht Fraktionschef Robert Lambrou. Die Aktion sei „ein sichtbares Zeichen für die schrittweise Islamisierung unseres Landes“, heißt es in einer Mitteilung. Bedenklich nennt es Lambrou auch, wenn Arbeitgeber auf die Fastenzeiten ihrer muslimischen Mitarbeiter Rücksicht nehmen.
„Inhaltlich haben wir damit kein Problem“
Die oppositionelle CDU-Fraktion im Frankfurter Rathaus hatte den Etat-Antrag der Koalition zur Ramadan-Beleuchtung nicht unterstützt. „Inhaltlich haben wir damit kein Problem“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Yannick Schwander. Frankfurt sei eine liberale, weltoffene Stadt. Seine Fraktion habe aber gestört, dass 100.000 Euro ausschließlich für die Anbringung von Festschmuck während des Ramadans bereitgestellt werden, die Weihnachtsbeleuchtung aber vielfach von den Gewerbevereinen getragen werde. Die CDU plädiert dafür, einen „Finanztopf“ einzurichten, aus denen alle Religionen Geld bekommen könnten, sagt Schwander.
Eduard Singer, der Leiter des Frankfurter Stadtmarketings, stellt klar, dass die Weihnachtsbeleuchtung auf der Zeil, die es nach vielen Jahren seit 2020 wieder gebe, vollständig von der Stadt finanziert worden sei. Die Anschaffung habe 96.000 Euro gekostet, die jährliche Aufhängung werde mit 26.000 Euro veranschlagt. Und auch auf der Freßgass’ übernehme inzwischen das Stadtmarketing das Aufhängen der Weihnachtsbeleuchtung. Die Anschaffung und die Installation von zehn Stahlseilen habe die Aktionsgemeinschaft Freßgass’ vor Jahren selbst übernommen.
Die Linken-Fraktion hatte ebenfalls gegen den Antrag gestimmt – aus finanziellen Erwägungen, wie der Stadtverordnete Michael Müller sagt. Die Stadt kürze nämlich „an allen Ecken und Enden“: „Das war eine Abwägungssache.“ Nun findet Müller die Aktion allerdings doch gut, wie er in den sozialen Netzwerken verkündet. Auf Nachfrage sagt er: „Das ist ein wichtiges Signal an die Menschen muslimischen Glaubens. Die Diskursräume werden enger. Da ist es richtig, die Hand auszustrecken.“
Diverse Stadtgesellschaft stärken
Für die Grünen im Römer ist die Aktion „Ausdruck unserer tiefen Verpflichtung gegenüber den Werten des Miteinanders, der Toleranz und des Dialogs“, teilt der stellvertretende Fraktionschef Emre Telyakar mit. Der Kritik, die Beleuchtung begünstige Muslime, entgegnet Telyakar, dass seine Fraktion für alle ein offenes Ohr habe, „die neue und innovative Formate des Gedenkens und des Begehens von Feiertagen einbringen wollen“. Gesten des Zusammenhalts seien gerade in Zeiten von Krisen und Kriegen wichtig, um die „diverse Stadtgesellschaft zu stärken“.
Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt begrüßt die Aktion und nennt sie eine „wertschätzende Geste“. Mehr Sichtbarkeit für Religionen im öffentlichen Raum sei generell wichtig, sagt Vorstandsmitglied Marc Grünbaum. Er wünscht sich allerdings, man würde dabei noch „größer denken“. Auch andere Feiertage wie Rosch Haschana, das jüdische Neujahrsfest, oder Feste von Buddhisten und Hindus sollten „sichtbarer werden“. Irritiert zeigt sich Grünbaum über die Äußerung von Bürgermeisterin Eskandari-Grünberg (Die Grünen), die Beleuchtung würde gegen Antisemitismus wirken. „Diese Verbindung erschließt sich mir nicht.“
Der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz findet es richtig, „den Ramadan zu ehren“. Nur wünsche er sich, dass die säkulare Stadt Frankfurt mit ebenso großer Freiheit „Frohe Weihnachten“ wünsche und nicht mit neutralen Formulierungen wie „Season’s Greetings“ die christlichen Wurzeln verleugne. Von einer „schönen Geste“ spricht auch der evangelische Stadtdekan Holger Kamlah. „Ein solches Zeichen ist gut und angemessen für die vielen Muslime, die in der Stadtgesellschaft leben.“ Der Ramadan stehe für eine Stärkung der Gemeinschaft und damit auch der Stadtgesellschaft.
Der Frankfurter Koordinationsrat der Moscheen hofft, dass die Initiative auch als Vorbild für andere Städte in Deutschland dienen kann. So könnten Brücken zwischen den verschiedenen Communitys gebaut und könne ein Klima der gegenseitigen Achtung und des Verständnisses gefördert werden. London war 2023 die erste Stadt in Europa überhaupt, die eine Festbeleuchtung anlässlich des Ramadans installiert hat. Finanziert wurde sie durch Spenden. In muslimischen Ländern wie Malaysia, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien oder Ägypten werden in wenigen Großstädten prominente Straßen mit Monden, Sternen und Lampions beleuchtet. Weit verbreiteter ist es, die großen Moscheen besonders zu illuminieren oder mit Schriftzügen aus Lichterketten zu schmücken.