Friday, March 8, 2024
Gastbeitrag von Gabor Steingart - Habeck lebt auf seinem eigenen Stern - jetzt holt ihn die harte Energie-Realität ein
FOCUS online
Gastbeitrag von Gabor Steingart - Habeck lebt auf seinem eigenen Stern - jetzt holt ihn die harte Energie-Realität ein
12 Std.
Robert Habeck lebt auf seinem eigenen Stern. Auf diesem Planeten scheint die Sonne und es weht der Wind. Die Energieversorgung ergrünt und überall da, wo noch das Alte und Braune und Schmutzige herrscht, schreitet die Planerfüllung voran.
„Wir biegen jetzt ein auf die Zielerreichungspfade“, sagte der Wirtschaftsminister kürzlich bei einer Klimakonferenz in Cottbus. Nicht ohne einen Anflug von Selbstzufriedenheit fügte er hinzu: „Wenn wir in dem Tempo weitermachen, dann haben wir es geschafft.“
Auf dem Habeck-Planeten sollen 2030 bereits 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Sagt er. Dafür müssen nicht nur Solar- und Windparks ausgebaut werden, sondern auch die Stromnetze. Fordert er. Zugleich braucht es neue Gaskraftwerke für den Fall, dass der Wind mal nicht weht und die Sonne nur hinterm Wolkenhimmel scheint. Das weiß er.
Dieser sagenhafte Planet hat nur einen Nachteil: Er liegt in einer anderen Galaxie als die Erde. Wie ein magischer Sehnsuchtsort kreist er über dem Himmel von Berlin. Nachts kann man die Windanlagen blinken sehen. Auf dem Boden der Tatsachen, da wo der Bundesrechnungshof siedelt, ist eine andere Wirklichkeit zu besichtigen. In einem Sondergutachten hat der Rechnungshof, der die Bundesregierung berät, ohne ihr zu unterstehen, den Tatsachen der Energiewende ins Auge geblickt. Er kommt zu deutlich anderen Schlussfolgerungen und Beobachtungen als der dafür zuständige Wirtschafts- und Klimaminister.
Hier die acht wichtigsten Punkte dieses Gutachtens im Originalton.
1. Versorgungssicherheit ist gefährdet
„Die Energiewende ist bei der Stromversorgung nicht auf Kurs: Die Versorgungssicherheit ist gefährdet, der Strom ist teuer und Auswirkungen der Energiewende auf Landschaft, Natur und Umwelt kann die Bundesregierung nicht umfassend bewerten. Insgesamt haben sich die Risiken seit der letzten Prüfung des Bundesrechnungshofes im Jahr 2021 verschärft. Stromspeicher können längere Schwankungen der Erzeugung und Last, z. B. bei einer Dunkelflaute, nicht ausgleichen.“
2. Realität wird schöngeredet
“Der Bundesrechnungshof bewertet die Annahmen im Monitoring der Bundesnetzagentur zur Versorgungssicherheit als wirklichkeitsfremd. Das Ergebnis ist ein unwahrscheinlicher ‚Best-Case‘."
“Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat es hingenommen, dass Gefahren für die Versorgungssicherheit nicht rechtzeitig sichtbar und Handlungsbedarfe zu spät erkannt werden. Damit wird der Zweck des Monitorings als Frühwarnsystem zur Identifizierung solcher Handlungsbedarfe derzeit faktisch ausgehebelt.“
3. Ausbau der erneuerbaren Energien kommt nicht schnell genug voran
„Es ist absehbar, dass insbesondere Windenergie an Land nicht in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang ausgebaut wird. Es ist nicht sichergestellt, dass die erforderlichen Backup-Kapazitäten rechtzeitig verfügbar sind; der Netzausbau liegt erheblich hinter der Planung zurück. Der Rückstand beträgt mittlerweile sieben Jahre und 6.000 km.“
4. Kraftwerksstrategie kommt zu spät
“Das Ministerium kann seinen Zeitplan zum Zubau gesicherter, steuerbarer Backup-Kapazitäten mit der Kraftwerksstrategie 2026 voraussichtlich nicht einhalten. Der Bundesrechnungshof sieht das Risiko einer erheblichen Lücke an gesicherter, steuerbarer Kraftwerksleistung zum Ende des aktuellen Jahrzehnts.“
5. Strompreise steigen weiter
„Bereits heute steht die Bezahlbarkeit der Stromversorgung in Frage. Die Preise für Strom sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und zählen zu den höchsten in der Europäischen Union: Private Haushalte zahlten mit 41,25 Cent/Kilowattstunde (kWh) im ersten Halbjahr 2023 beispielsweise 42,7 Prozent mehr als der EU-Durchschnitt, Gewerbe- und Industriekunden rund 5 Prozent mehr. Zugleich sind weitere Kostensteigerungen des Energiesystems absehbar.“
6. Regierung verschleiert Kosten der Energiewende
“So fallen bis zum Jahr 2045 massive Investitionskosten von mehr als 460 Mrd. Euro für den Ausbau der Stromnetze an; wird das Netzengpassmanagement voraussichtlich 6,5 Mrd. Euro pro Jahr kosten. “Bereits im Jahr 2022 kritisierte der Bundesrechnungshof, dass das BMWK erhebliche weitere Kosten für die Energiewende unberücksichtigt lässt. Dadurch entsteht außerhalb der Fachöffentlichkeit ein falsches Bild der tatsächlichen Kosten der Transformation.“
7. Dauersubventionen sind keine Lösung
„Punktuelle staatliche Subventionierungen des Energiesystems nach Kassenlage untergraben die Transparenz und Steuerungswirkung der Preise. Stattdessen muss die Bundesregierung auf Grundlage einer systematischen Betrachtung nachvollziehbar festlegen, in welcher Form die Kosten der Transformation zu tragen sind.“
8. Gefahr für den Wirtschaftsstandort
Auf dem Weg zu einer sicheren, bezahlbaren und umweltverträglichen Versorgung mit erneuerbaren Energien steht die Bundesregierung vor großen Herausforderungen. Diese werden bislang kaum bewältigt. Die Bundesregierung muss umgehend reagieren, andernfalls droht die Energiewende zu scheitern. Dies hätte gravierende Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“
Fazit:
Eine Klimawende lässt sich mit Erfolgsfanfaren, die keine sind, niemals erreichen. Alternative Energien sind gesund. Alternative Wahrheiten tödlich – vor allem für die Debattenkultur. Vielleicht sollte der Kanzler seinen Wirtschaftsminister bei Gelegenheit daran erinnern, dass er nicht der kleine Prinz, sondern der Diener seines Landes ist. Oder um mit Thomas Mann zu sprechen: “Eine schmerzliche Wahrheit ist besser als eine Lüge. “