Wednesday, December 1, 2021
Pandemie-Bekämpfung: Impfpflicht, Boostern, Schließungen: Darum geht es beim nächsten Bund-Länder-Gipfel am Donnerstag
Pandemie-Bekämpfung: Impfpflicht, Boostern, Schließungen: Darum geht es beim nächsten Bund-Länder-Gipfel am Donnerstag
Klöckner, Jürgen - Gestern um 20:00
Das heutige Treffen von Merkel und Scholz mit den Länderchefs verlief ergebnislos. Es gibt viele Vorschläge, über die noch in dieser Woche entschieden werden soll.
Angesichts der neuen Omikron-Variante und der Wucht der vierten Coronawelle wollen Bund und Länder am Donnerstag bei einem Krisengipfel über härtere Coronamaßnahmen entscheiden.
„Bund und Länder sind überzeugt, dass es zusätzlicher Maßnahmen bedarf, um die Zahl der täglichen Neuinfektionen zu senken und den Druck auf die Krankenhäuser möglichst bald wieder zu verringern“, heißt es in einer Mitteilung zum heutigen Bund-Länder-Treffen, an dem der designierte Kanzler Olaf Scholz (SPD), die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder teilnahmen.
Bis Donnerstag sollen die Vorschläge der Teilnehmer in einem gemeinsamen Papier zusammengefasst und auf dem Bund-Länder-Treffen am Donnerstag dann beschlossen werden.
Von der erneuten Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes, über eine allgemeine Impfpflicht bis hin zu strengeren Kontaktbeschränkungen liegt eine ganze Reihe von Maßnahmen auf dem Tisch.
Änderung des Infektionsschutzgesetzes
Unter anderem soll das vor Kurzem durch die Ampelfraktionen entschärfte Infektionsschutzgesetz erneut geändert werden. Scholz sagte in der Bund-Länder-Runde zu, er wolle es um „wichtige Regelungen“ ergänzen, damit „Hochinfektionsländer auch künftig einen angemessenen Instrumentenkasten zur Verfügung haben“, sagte der designierte Kanzler nach Teilnehmerangaben.
Dazu könnten auch zeitlich befristete Schließungen von Restaurants gehören. Es werde gesetzlich klargestellt, dass diese Maßnahmen auch regional differenziert angeordnet werden könnten. Die Fraktionen einer möglichen Ampelregierung hatten erst Mitte November entschieden, diese Maßnahmen aus dem Infektionsschutzgesetz zu streichen.
Neben der SPD-Seite forderten auch die unionsgeführten Bundesländer, das Infektionsschutzgesetz wieder zu verschärfen. „Die Länder sollen den Bund bitten – sofern die epidemische Lage von nationaler Tragweite nicht vom Deutschen Bundestag festgestellt wird –, bis zum 10. Dezember das Infektionsschutzgesetz dahingehend anzupassen, dass Lockdown-Maßnahmen auch weiterhin möglich sein werden“, heißt es in einem Beschlussvorschlag der von den Grünen und der Union geführten Bundesländer.
Unter anderem sollen „Klubs und Diskotheken geschlossen werden, da es sich um Bereiche handelt, die mit einem besonders hohen Risiko für Mehrfachansteckungen verbunden sind“, heißt es. Und: „Bei Großveranstaltungen soll die Kapazität nur zu einem Drittel ausgelastet sein dürfen.“
In Gebieten mit einer außerordentlich hohen Sieben-Tage-Inzidenz sollen über die genannten Maßnahmen hinausgehende Beschränkungen ergriffen werden. Das ebenfalls CDU-regierte Schleswig-Holstein will allerdings, dass die Regelungen für Klubs, Diskotheken und Großveranstaltungen inzidenzabhängig sein sollten, also nicht automatisch bundesweit gelten.
Einrichtungsbezogene und allgemeine Impfpflicht
Um den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen, soll die Impfung Schritt für Schritt verpflichtend werden. Bund und Länder diskutierten unter anderem, die bei dem Gipfel in der vergangenen Woche geforderte berufsbezogene Impfpflicht auf weitere Berufsgruppen auszuweiten – etwa die Feuerwehr, den Bildungsbereich und die Polizei.
In einem weiteren Schritt könnte die Impfpflicht dann auf die Allgemeinheit ausgeweitet werden. Dafür plädierte Scholz in der Bund-Länder-Runde. Die Abstimmung darüber solle im Bundestag ohne Fraktionszwang stattfinden, sagte Scholz.
Grünen-Chef Robert Habeck forderte gar, sofort mit den Vorbereitungen für eine allgemeine Impfpflicht zu beginnen. „Natürlich wäre eine Impfpflicht ein weitgehender Eingriff in die Freiheit des Einzelnen. Aber sie schützt eben Leben und letztlich auch die Freiheit der Gesellschaft“, sagte er am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „Um in Zukunft die Oberhand zu behalten und eine fünfte Welle zu verhindern, müssen wir jetzt die Vorbereitungen für eine allgemeine Impfpflicht treffen.“
Impfkampagne, Impfstatus und Kontaktbeschränkungen
Ungeimpften drohen außerdem strengere Kontaktbeschränkungen. Sie sollen sich nach den Plänen der Union nur mit höchstens fünf Personen aus maximal zwei Hausständen treffen dürfen. Geimpfte, Genesene sowie Kinder unter zwölf Jahren werden bei der Gesamtpersonenzahl nicht mitgezählt. Außerdem ist eine flächendeckende 2G-Regel geplant. Dies käme einem Lockdown für Ungeimpfte gleich.
Gleichzeitig soll auch der Druck auf vollständig Geimpfte erhöht werden, sich ein drittes Mal impfen zu lassen. Der Statuts als vollständig geimpft zu gelten, soll nach einem Vorschlag der SPD bereits nach sechs Monaten auslaufen.
Bund und Länder bekräftigen auf dem Treffen außerdem das Ziel, die Zahl der Impfungen deutlich auszuweiten. „Bis Weihnachten sollen bis zu 30 Millionen Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfungen möglich gemacht werden“, heißt es. Dafür soll der Kreis derjenigen, die Impfungen durchführen dürfen, deutlich ausgeweitet werden. Geplant ist beispielsweise, dass auch Apotheken mitimpfen dürfen.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Bundes-Notbremse
Anlass für die erneute Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes ist neben der Coronalage das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Bundes-Notbremse. Die im April 2021 beschlossene Maßnahme mit nächtlichen Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen sowie Schulschließungen war demnach mit dem Grundgesetz vereinbar.
Die Maßnahmen hätten in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte eingegriffen, seien aber „in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie“ mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen, gab das Gericht am Dienstagmorgen bekannt. Dieses diente „dem Lebens- und Gesundheitsschutz“.
Im Zuge des separaten Urteils zu den Schulschließungen haben die Richter erstmals ein Recht von Kindern und Jugendlichen auf schulische Bildung anerkannt. Dennoch sei das befristete Verbot des Präsenzunterrichts aufgrund des „dynamischen Infektionsgeschehens“ zulässig gewesen.
Bislang hatte das Bundesverfassungsgericht nur über Eilanträge gegen die Maßnahmen der bundeseinheitlichen Notbremse entschieden – und diese ebenfalls alle abgewiesen. Nun wurden erstmals Verfassungsbeschwerden im eigentlichen Hauptverfahren geprüft.
Bis zuletzt waren sich die Parteien allerdings uneins, welche Konsequenzen aus dem Urteil gezogen werden sollten. Während Grüne und Union auf schärfere Maßnahmen pochten, äußerten sich SPD und FDP zurückhaltend.
Der designierte Justizminister Marco Buschmann (FDP) sieht hingegen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Corona-Notbremse keine Notwendigkeit für eine Kurskorrektur der Ampelparteien. Für die zur FDP gehörenden Beschwerdeführer sagte er aber, dass „wir uns natürlich insbesondere mit Blick auf die Ausgangssperren ein anderes Ergebnis gewünscht hätten“. Die Entscheidung zeige, dass eine Bundesregierung „einen sehr weiten Spielraum bei der Beurteilung der Lage und auch bei der Wahl der Instrumente zur Bekämpfung der Pandemie“ habe, sagte Buschmann, derzeit noch erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, am Dienstag in Berlin.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht im Urteil „die Grundlage für eine neue Bundesnotbremse“. Es seien nun alle widerlegt, die versucht hätten, ein anderes Bild zu zeichnen, schrieb der CSU-Politiker bei Twitter. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer forderte den Bund zum Handeln auf: Dieser müsse „das Infektionsschutzgesetz schnell ändern und alle Instrumente zur Krisenbekämpfung für die Länder ermöglichen“, sagte der CDU-Politiker zu „Bild“. Am Donnerstag werde auch die Entscheidung getroffen, dass Spiele in der Fußball-Bundesliga ohne Zuschauer ausgetragen würden, sagte Kretschmer
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist am Dienstag derweil leicht gesunken. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Dienstagmorgen mit 452,2 an. Am Montag war ein Höchstwert von 452,4 erreicht worden. Vor einer Woche hatte der Wert bei 399,8 gelegen (Vormonat: 153,7).