Wednesday, March 26, 2025
Nicht nur in Europa gelten die USA nun als Sicherheitsrisiko
WELT
Nicht nur in Europa gelten die USA nun als Sicherheitsrisiko
Jack Detsch, Paul McLeary • 1 Std. • 5 Minuten Lesezeit
Der in den „Signal-Gate“ verwickelte Pentagon-Chef Pete Hegseth bemüht sich nach dem Skandal um Schadensbegrenzung bei den Verbündeten im Pazifik. Doch es ist nicht der erste Fehltritt, mit dem der Minister die Glaubwürdigkeit der Trump-Regierung untergräbt. Die Folgen wiegen schwer.
Wieder einmal befindet sich US-Verteidigungsminister Pete Hegseth auf einer Auslandsreise, die von einer größtenteils von ihm selbst verursachten Kontroverse überschattet wird. Schon Hegseths erste Auslandsreise nach Brüssel im vergangenen Monat war nicht reibungslos verlaufen. Damals schloss der Verteidigungsminister einen Nato-Beitritt der Ukraine aus, noch bevor die Trump-Administration die Debatte offiziell beigelegt hatte.
Nun, während der Pentagon-Chef seine erste Reise nach Asien antritt, steckt er erneut in der Klemme. Diesmal geht es um seine sowie die Teilnahme weiterer Spitzenpolitiker der Regierung an einem Gruppen-Chat des kommerziellen Messengerdiensts Signals, in dem nicht nur offenbar versehentlich ein Journalist mitlesen konnte, sondern in dem auch Pläne und vertrauliche Informationen über Militärschläge gegen die Huthi-Miliz im Jemen besprochen wurden.
Dieser jüngste Fehltritt steht nicht nur im Gegensatz dazu, wie sich Hegseth vor Kameras und in den sozialen Medien inszeniert. Er droht auch, sein Ansehen bei zwei wichtigen Verbündeten im indopazifischen Raum, Japan und den Philippinen, zu beschädigen. Demokraten sowie einige Republikaner, die dem ehemaligen Fox-News-Moderator seit jeher vorgehalten haben, für das Amt als Verteidigungsminister nicht qualifiziert zu sein, dürften sich durch die Vorfälle bestätigt sehen.
„Man muss kein Mitglied des Militärs oder des Geheimdienstes sein, um zu wissen, dass der Feind genau solche Informationen haben will“, sagt Mick Mulroy, ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister während Trumps erster Amtszeit (2017-2021). „Und das gefährdet eindeutig unsere Militärangehörigen.“
Eigentlich will Hegseth seine Asienreise nutzen, um Bündnisse im Pazifik zu stärken, die für die Eindämmung Chinas entscheidend sein könnten. Auf der Agenda steht ein Besuch im fernab vom amerikanischen Festland im Pazifik gelegenen Bundesstaat Hawaii und im Außengebiet Guam, Zentrum der US-Luftverteidigung im Indopazifik. In Japan und auf den Philippinen soll er die Präsidenten der jeweiligen Länder treffen.
Doch über all dem steht die Frage, ob der Pentagon-Chef geheime Informationen missbraucht und gegen das Gesetz verstoßen hat – auch wenn das Weiße Haus bestreitet, dass die im Chat ausgetauschten Informationen als geheim eingestuft waren.
„Keine hohen Erwartungen“
„Das ist sicherlich eine wenig hilfreiche Ablenkung“, sagt ein ehemaliger Beamter des Verteidigungsministeriums mit Erfahrung in der indopazifischen Region, der sich wie andere Gesprächspartner nur anonym äußern will. „Man würde erwarten, dass die erste Reise des Verteidigungsministers in den Indopazifik eine Gelegenheit für ihn wäre, der Region Priorität einzuräumen. Stattdessen wird er erklären müssen, wie es zu den Vorgängen rund um den Signal-Chat gekommen ist und was schiefgelaufen ist.“ Ähnlich äußert sich ein weiterer ehemaliger Verteidigungsbeamter. „Die Verbündeten haben keine hohen Erwartungen an Hegseth. Das war zu erwarten.“
Währenddessen hat der Minister sogar seiner eigenen Regierung widersprochen. Am Montagabend sagte er gegenüber Journalisten, dass „niemand Angriffspläne getextet hat“ – obwohl ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats die Existenz des Gruppenchats bestätigt und den Inhalt der Nachrichten zwischen dem Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz, Vizepräsident J.D. Vance und anderen hochrangigen Beamten nicht dementiert hatte.
Das Pentagon besteht darauf, dass die Vorgänge nicht von Hegseths einwöchiger Reise ablenken würden. „Der offizielle Besuch von Minister Hegseth im Indopazifik zur Stärkung unserer Bündnisse und zur Förderung der nationalen Sicherheitsprioritäten von Präsident Trump war – und wird – ein durchschlagender Erfolg sein“, so Pentagon-Sprecher Sean Parnell in einer schriftlichen Erklärung. „Die sensationslüsternen Berichte der etablierten Medien können davon nicht ablenken und werden es auch in Zukunft nicht. Wir konzentrieren uns voll und ganz auf unsere Mission.“
Irritationen bei Verbündeten
In Chat-Nachrichten, die Anfang der Woche in einem Artikel des Chefredakteurs der Zeitschrift „The Atlantic“, Jeffrey Goldberg, veröffentlicht worden waren, hatte Hegseth zwar nicht den Indopazifik erwähnt, aber seine „Abscheu für Europas Schmarotzen“ deutlich zum Ausdruck gebracht, das er „ERBÄRMLICH“ nannte.
Das löste auf der anderen Seite des Atlantiks Irritationen aus. Ein europäischer Diplomat bezeichnete die offengelegten Nachrichten als „empörend“ und wies darauf hin, dass Nato-Verbündete gemeinsam mit der US-Marine im Roten Meer patrouillieren. Auch die Europäische Union führt mit zehn Mitgliedstaaten eine Marinemission in der Wasserstraße durch, wo die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz seit Beginn des Gaza-Kriegs vor rund anderthalb Jahren immer wieder Schiffe angreift. Die durch das Rote Meer und den Suezkanal führende Passage ist für die Schifffahrt von großer Bedeutung, weil es sich um kürzeste Verbindung zwischen Asien und Europa handelt.
Verbündete wie Japan und die Philippinen würden die Kontroverse um den Gruppen-Chat zwar wahrscheinlich nicht einmal im privaten Gespräch ansprechen, glaubt der ehemalige Beamte des Verteidigungsministeriums mit Verbindungen in die Region. Keines der beiden Länder ist Mitglied der Five Eyes, also der Allianz der Geheimdienste der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands.
Trotzdem haben die Kontroversen, die Hegseths Auslandsreisen als Verteidigungsminister überschatten, das Vertrauen unter den Verbündeten in die USA womöglich beschädigt. Hinter verschlossenen Türen könnten sie in Washington die Frage aufwerfen, wie die US-Regierung zu ihnen steht. „Das ist das Einzige, worüber alle reden wollen“, sagt ein ehemaliger Beamter der Trump-Regierung, der für die Planung von Reisen für Spitzenpolitiker zuständig war. „Wie kann man über die Beziehungen der USA zu den indopazifischen Ländern sprechen, wenn diese sich fragen, ob er [der Vizepräsident, J.D. Vance, Anm. d. Red.] in einem Gruppen-Chat schlecht über sie redet?“
In Washington wird derweil weniger genau beobachtet, welche Botschaft Hegseth den Verbündeten etwa im Hinblick auf China sendet, sondern ob sich die aktuelle Krise weiter zuspitzt. Noch ist unklar, ob die Regierung oder der Kongress Maßnahmen ergreifen werden.
Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard, die im „Atlantic“-Bericht als Mitglied der Chatgruppe aufgeführt wurde, hat bestritten, an der Unterhaltung teilgenommen zu haben und sagte bei einer Senatsanhörung am Dienstag, dass der Nationale Sicherheitsrat den Vorfall untersuche. Sie bestand auch darauf, dass keine vertraulichen Informationen ausgetauscht worden seien.
Im Senat will man sich damit nicht abspeisen lassen. Mindestens vier Demokraten, Mark Warner aus Virginia, Tammy Duckworth aus Illinois, Elizabeth Warren aus Massachusetts und Ron Wyden aus Oregon, forderten Hegseth nach Bekanntwerden des Leaks zum Rücktritt auf. Der Minderheitenführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, ging noch weiter und schlug vor, ihn wegen Fehlverhaltens zu entlassen. Sogar der republikanische Politiker John Cornyn, der den Bundesstaat Texas seit 22 Jahren im Senat vertritt, nannte die durchgesickerten Chat-Nachrichten einen „riesigen Fehler“.
Und während Hegseth durch Asien reist, fordern selbst Mitglieder aus den eigenen Reihen, dass der Verteidigungsminister zur Verantwortung gezogen wird. „Die für die Diskussion von vertraulichen Informationen in nicht autorisierten Medien geltenden Anweisungen und Vorschriften sind ziemlich eindeutig“, sagte ein Militärbeamter. „Die Regierung hat die Rechenschaftspflicht als eine ihrer Prioritäten erkoren – jetzt sollten auch einige Leute zur Rechenschaft gezogen werden.“