Sunday, April 10, 2022
Französische Präsidentschaftswahl: Macron liegt vor Le Pen
Französische Präsidentschaftswahl: Macron liegt vor Le Pen
dpa - Vor 19 Min.
In Frankreich wird es erneut ein Duell zwischen dem liberalen Präsidenten Emmanuel Macron und der Rechten Marine Le Pen um das höchste Staatsamt geben.
Wie die Sender France 2 und TF1 am Sonntagabend nach Schließung der Wahllokale berichteten, stehen sich der amtierende Staatschef und seine Konkurrentin vom Rassemblement National am 24. April in der Stichwahl gegenüber. Macron schnitt unerwartet stark ab. Laut TF1 und France 2 lag er mit 28,0 bis 28,3 Prozent deutlich vor Le Pen mit 23,2 bis 23,3 Prozent. Beide verbesserten ihre Ergebnisse von 2017 damit merklich.
Auch wenn viele Franzosen unzufrieden mit Macrons erster Amtszeit waren und er im Wahlkampf nicht begeisterte, profitierte der 44-Jährige von der Schwäche anderer Kandidaten. Wünsche in der Bevölkerung nach Stabilität und einer gemäßigten Politik infolge des Kriegs in der Ukraine kamen ihm ebenfalls zu Gute. Zudem hat er klare Erfolge am Arbeitsmarkt sowie einen robusten Durchstart der französischen Wirtschaft nach der Corona-Krise vorzuweisen.
«Was am 24. April auf dem Spiel steht, ist (...) eine Entscheidung für die Zivilisation»: Marine Le Pen.
Die 53-jährige Populistin Le Pen versuchte dagegen, mit gemäßigteren Tönen als früher zu punkten und inszenierte sich zugleich als Anwältin derjenigen, die unter der Inflation und steigenden Preisen für Strom, Sprit und Lebensmittel leiden. Anders als Macron war sie schon seit Monaten auf zahlreichen Marktplätzen und in Wahlkampfhallen persönlich vor Ort. Die anderen Kandidaten spielten im Wahlkampf eine deutlich geringere Rolle.
Anhänger von Emmanuel Macron schwenken in Paris französische und europäische Flaggen.
Macron und Le Pen treten nun am 24. April gegeneinander an - eine Wiederauflage des Stichwahl-Duells von 2017, in dem Le Pen gegen Macron letztlich klar unterlag. Umfragen sagten für dieses Mal aber einen deutlich knapperen Ausgang vorher. Immer wieder gewann in der Stichwahl der französischen Präsidentschaftswahl auch der Kandidat, der in der ersten Runde auf Platz zwei gelandet war.
«Was am 24. April auf dem Spiel steht, ist keine Wahl der Umstände, sondern eine Entscheidung für die Gesellschaft, eine Entscheidung für die Zivilisation», sagte Le Pen am Sonntagabend. Zwei entgegengesetzte Visionen für die Zukunft hätten sich durchgesetzt. Macron trat knapp zwei Stunden nach den ersten Prognosen zu seiner Dankesrede an. «Euer Vertrauen ehrt mich, verpflichtet mich und bindet mich», sagte der Präsident in Paris vor Massen jubelnder Anhänger. «Sie können alle auf mich zählen, um dieses Fortschritt- und Öffnungsvorhaben umzusetzen.»
Emmanuel Macron will für weitere fünf Jahre in den Élyséepalast einziehen.
Macron warnte aber auch: «Vertun wir uns nicht, nichts ist entschieden.» Eine Umfrage des renommierten Instituts Ipsos-Sopra Steria vom späten Sonntagabend zufolge könnte Macron aus der Stichwahl mit 54 Prozent der Stimmen als Sieger hervorgehen.
Berlin und Brüssel bangen
Marine Le Pen gibt ihre Stimme in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in einem Wahllokal Henin-Beaumont ab.
Ein Sieg Le Pens wäre für Deutschland und Europa ein Schock mit bedeutungsschweren Folgen. Le Pen stellt die seit Jahrzehnten enge Zusammenarbeit mit Berlin in Frage und strebt eher nach Kooperation mit anderen Euro-Skeptikern wie Budapest oder Warschau. In der Europäischen Union könnte Frankreich unter ihr vom Treiber zum Bremser werden, ganz anders als unter dem pro-europäisch engagierten Macron.
In der aktuell eskalierenden Krise zwischen dem Westen und Russland befürchten Europa und die USA mit Le Pen ein Bröckeln der festen Pro-Ukraine-Front. Während Macron unermüdlich mit Kremlchef Wladimir Putin um eine Lösung ringt, machte Le Pen diesem bereits erneut Avancen. Nach einem Ende des Krieges könnte Russland wieder ein Partner werden, sagte die als Putin-Freundin bekannte Nationalistin.
Krachende Niederlage für Sozialisten und Konservative
Für die einstigen Volksparteien der Republikaner und Sozialisten ist die Wahl eine Niederlage historischen Ausmaßes. Bereits im Wahlkampf spielten sie kaum eine Rolle, nun fuhren sie so schlechte Ergebnisse ein wie noch nie. Der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon erreichte laut den Sendern mit gut 20 Prozent Platz drei. Der Rechtsextreme Éric Zemmour zog mit circa 7 Prozent an der Konservativen Valérie Pécresse mit etwa 5 Prozent vorbei. Die sozialistische Kandidatin Anne Hidalgo lag abgeschlagen bei rund 2 Prozent. Der Grüne Yannick Jadot kam auf etwa 4,5 Prozent.
Die Unterstützungsaufrufe der unterlegenen Kandidatinnen und Kandidaten setzten schon kurz nach der Verkündung der ersten Hochrechnungen ein. Während die Bewerber der Grünen, Sozialisten und Republikaner ihre Anhänger klar dazu aufriefen, in der Stichwahl für Macron zu votieren, rief der Linke und Drittplatzierte Mélenchon lediglich eindringlich dazu auf, keine Stimme an Le Pen zu geben. Die Formierung einer erneuten «Mauer» gegen die Rechte scheint folglich bereits im Gange.
Hat Le Pen Chancen?
Auch wenn Umfragen dieses Mal einen weitaus knapperen Ausgang voraussagten, müsste Le Pen erheblich gegen Macron mobilisieren, um zu gewinnen. Zwar kann sie auf Unterstützer von Zemmour, der bereits zu ihrer Wahl aufrief, und Stimmen einiger rechter Konservativer setzen, jedoch kaum aus dem Mitte-Links-Lager. Hier würde es ihr vor allem helfen, wenn von Macron frustrierte Linke der Wahl einfach fernblieben und so ihre Prozente in die Höhe trieben.
Le Pen, die bereits zum dritten Mal antritt, hatte sich im Wahlkampf um ein gemäßigteres Auftreten bemüht. Die langjährige Politikerin, die ihren Vater in der Parteiführung des Rassemblement National (früher: Front National) beerbte, setzt sich dennoch etwa dafür ein, Einwanderung und Sozialleistungen für Ausländer einzuschränken.
Der 44-jährige Macron war im Wahlkampf kaum sichtbar. Macron, der im Wahlkampf auf wirtschaftlichen Fortschritt setzte, hatte 2017 mit seiner Bewegung La République en Marche den Einzug in den Élyséepalast geschafft. Bevor er Präsident wurde, arbeitete er als Investmentbanker, beriet den sozialistischen Präsidenten François Hollande und war unter diesem von 2014 bis 2016 Wirtschaftsminister.
Der französische Staatschef hat weitreichende Machtbefugnisse und amtiert fünf Jahre. Etwa 48,7 Millionen Französinnen und Franzosen waren zur Wahl eingeschrieben. Die Wahlbeteiligung lag laut einer Schätzung des renommierten Umfrageinstituts Ipsos kurz nach Schließung der Wahllokale bei 74,0 Prozent.