Friday, April 8, 2022

Boris Becker : Biograf Christian Schommers: "Eine Haftstrafe wäre ein Drama für ihn"

BUNTE.de Boris Becker : Biograf Christian Schommers: "Eine Haftstrafe wäre ein Drama für ihn" Marina Antonioni - Gestern um 14:11 Den dritten Tag in Folge sind die Geschworenen am Southwark Crown Court in London am Freitag zusammengekommen, um zu beraten, ob sie Ex-Tennisprofi Boris Becker (54) im Strafprozess schuldig oder freisprechen. Becker wird vorgeworfen, Vermögen wie Immobilien, Konten und wichtige Trophäen in dem Insolvenzverfahren gegen ihn verschleiert zu haben. Der 54-Jährige weist die Vorwürfe entschieden zurück. Theoretisch könnten ihm bis zu sieben Jahre Haft drohen. BUNTE.de sprach mit dem Journalisten und Autor Christian Schommers, der 2013 Beckers aufsehenerregende Biografie "Das Leben ist kein Spiel" mit ihm verfasst hatte und der den Tennisstar lange begleitet hat. Boris Becker wird vor Gericht von Freundin Lilian und Sohn Noah begleitet. Mehr dazu seht ihr oben im Video. Biograf über Boris Becker: "Er wirkt mental sehr angeschlagen" BUNTE.de: Die Beratungen der Geschworenen in London ziehen sich in die Länge – was bedeutet diese Situation für die Person Boris Becker? Christian Schommers: Das ist natürlich eine Hochspannung und eine dramatische Situation, wie er sie so noch nicht erlebt hat. Er ist ja nervenstark, das war er auch immer auf dem Platz. Er war stets in der Lage, ein Spiel noch mal im fünften Satz im Tiebreak zu drehen. Aber das war auf dem Tennisplatz. Jetzt unterliegt er der Justiz und einem Gerichtsprozess. Insofern ist es natürlich für ihn extrem belastend und anstrengend, dass er jetzt auch nichts mehr machen kann. Er kann jetzt eben kein Ass mehr schlagen oder keinen schönen Return setzen, sondern es ist alles gesagt. Er schiebt ja alles auf seine Berater, Buchhalter und Anwälte beziehungsweise auch auf den Insolvenzverwalter selbst. Und er ist jetzt machtlos in dieser Situation. Und das sieht man ihm auch an. Er wirkt mental sehr angeschlagen und körperlich sowieso. Das ist eine absolute Ausnahmesituation für Boris. Er selbst sagte zu Beginn des Strafverfahrens, sein sportlicher Kampfgeist komme ihm auch hier zugute. Stimmt das und passt der Vergleich jetzt noch? Das ist zweifelsohne so. Er hat ja schon die härtesten Situationen überstanden. Er stand vor 20 Jahren schon mal vor Gericht, als er die Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung bekam. Er hatte die verschiedensten privaten Probleme zu lösen – wenn man etwa zurückdenkt an die Scheidung von seiner ersten Frau Barbara, die war auch von internationalen Live-Übertragungen begleitet. Boris Becker steht bis heute immer unter Beobachtung – sei es als TV-Experte, als Spieler, als Daviscup-Teamchef oder als Privatperson. Er ist ein Kämpfer, das bleibt er auch in diesem Moment. Da hilft ihm seine sportliche Vergangenheit schon, um mit einer solchen ganz entscheidenden Situation umgehen zu können. Becker-Biograf: "Ich würde sagen, er hat aus Fehlern nicht gelernt" Vom Idol einer ganzen Nation zum Angeklagten in einem Strafprozess, dem im schlimmsten Fall eine Gefängnisstrafe droht. Wie konnte das passieren? Das ist ein längerer Prozess. Boris Becker hat in seiner Karriere ja ungefähr 25 Millionen Euro an Preisgeldern verdient, hinzu kommen Millionen an Werbeeinnahmen. Er hat aber natürlich immer auf relativ großem Fuß gelebt, hatte auch viele Mitarbeiter. Es gab verschiedene Geschäfte, die er nicht erfolgreich bestritten hat – teilweise schlecht beraten, teilweise hat er selbst schlechte Entscheidungen getroffen. So kam es früh zu einer finanziellen Schieflage, dann zu einer Situation, in der er sich zu horrenden Zinsen Geld leihen musste. So kam er in einen Abwärtsstrudel, aus dem er irgendwann nicht mehr herauskam, bis hin zur Insolvenz. Wenn man dann, wie es ihm jetzt vorgeworfen wird, beim Insolvenzverwalter keine korrekten Angaben macht, dann ist man genau in der Situation, in der er jetzt ist. Die Staatsanwaltschaft hält die Vorwürfe in allen 24 Anklagepunkten für erwiesen, Boris Becker weist das zurück. Die Strategie, die er fährt – das machen bei mir immer andere Leute –, halte ich für sehr wackelig. Als erwachsener Mann sollte man schon eine gewisse Eigenverantwortung übernehmen. Wie kritikfähig und einsichtig ist Boris Becker? Ich würde sagen, er hat aus Fehlern nicht gelernt. Sonst wäre er nicht in der Situation, in der er heute ist. Kritikfähigkeit ist bei ihm nicht wirklich gegeben. Er legt sich die Sachen schon immer ganz gern so zurecht, wie er sie sieht und wie er sie in seiner Welt sieht. Becker-Biograf über Strafprozess: "Die Lage ist sehr, sehr kritisch" Was würde es für den Menschen Boris Becker bedeuten, wenn er tatsächlich eine Haftstrafe antreten müsste? Eine Haftstrafe wäre natürlich ein Drama für ihn. Das ist für mich nur mit dem Fall Uli Hoeneß vergleichbar. Boris ist ja auch ein Weltenbürger, der sich immer frei bewegt hat, der durch die Welt geflogen ist, der sehr freiheitsliebend ist. Wenn dann plötzlich die Tür im Gefängnis hinter ihm zuginge, ist das eigentlich kaum vorstellbar, wie solch ein Mensch emotional und mental damit umgehen könnte. Sollte es so weit kommen, wäre das eine Ausnahmesituation für ihn, in der es für ihn ganz, ganz schwierig würde, damit umzugehen. Die Lage ist auf jeden Fall sehr, sehr kritisch. Er sagte selbst, dass er sich von den Medien ungerecht behandelt fühle, auch bei der Berichterstattung über seine Insolvenz - offenbar stecke dahinter der Wunsch "einen früheren Helden fallen zu sehen". Hat er damit recht? Das betrifft sicherlich ein Stück weit Deutschland. In Deutschland gibt es schon die Tendenz, Leute zu Helden zu stilisieren, aber sie dann auch fallen zu lassen, wenn gewisse Dinge schiefgehen. Da verliert man sehr schnell an Stellenwert. Sein Image hat in Deutschland natürlich massiv gelitten. In England ist das etwas anders, da ist er immer noch eine Ikone. Da geht er in Wimbledon ein und aus und ist sehr anerkannt als TV-Experte. Woher schöpft er Kraft in diesen Zeiten? Zum einen wie gesagt aus seinem Kampfgeist, den er sich in seiner aktiven Karriere antrainiert hat. Und zum anderen natürlich aus seiner Familie, aus seinen Söhnen Noah und Elias, mit denen er sehr eng ist. Und aus seiner aktuellen Beziehung mit seiner Freundin Lilian, die ihn ja ebenso wie Noah dort in London vor Gericht begleitet.