Monday, June 24, 2024

Tausende unterzeichnen Petition: Das steckt hinter dem Wunsch nach mehr Bindung zu den Fans aus Schottland

Tagesspiegel Tausende unterzeichnen Petition: Das steckt hinter dem Wunsch nach mehr Bindung zu den Fans aus Schottland Christoph Straub • 13 Std. • 4 Minuten Lesezeit Diese EM ist schon jetzt reich an wunderbaren Geschichten, viele davon spielen sich zwischen Schotten und Deutschen ab. Nun fordert eine Petition einen dauerhaften Austausch – sportlich und gesellschaftlich. Fans aus Schottland und Deutschland in München. Die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland hat noch nicht einmal das Ende der Gruppenphase erlebt und trotzdem scheint eine Erfolgsgeschichte schon fertig geschrieben: Die Fans der schottischen Nationalmannschaft haben selbst die Herzen von Fußballmuffeln erobert und erfahren hierzulande seit dem Turnierstart große Anerkennung für ihr bisweilen ulkig-liebenswertes Auftreten. Diese Ehrerbietung gipfelt nun in einer Online-Petition, in der schlussendlich eine regelmäßige Schotten-Invasion gefordert wird – im Rahmen eines jährlich stattfindenden Freundschaftsspiels zwischen dem DFB-Team und den „Bravehearts“ aus Schottland von Trainer Steve Clarke. Da derlei Entscheidungen formell von den jeweiligen Fußballverbänden zu treffen sind, ist das entsprechende Gesuch auf einer bekannten Onlineplattform an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) adressiert. Die Zahl der Unterschriften steigt in hohem Tempo – mittlerweile haben mehr als 15.000 Menschen die Petition unterzeichnet, über die Hälfte allein am Sonntag. „Warum nutzen wir nicht diese Chance und beginnen eine wunderbare Freundschaft zwischen zwei fußballbegeisterten Ländern und ihren Fans?“, heißt es in der Petition zweier X-Nutzer aus Deutschland. Diese Frage erscheint beim Blick auf die vielen kleinen und großen deutsch-schottischen Randepisoden dieser EM, die weit über die Sozialen Medien hinaus viral gegangen sind, durchaus berechtigt. Berührende Szenen zwischen Deutschen und Schotten rund um die EM Wer spontan nicht genau weiß, welche teils berührende Szenen sich im Verlauf dieses Turniers bereits zugetragen haben, dem sei im Folgenden eine kleine Auswahl geboten. Sie werden keinen einzigen Kneipenbesitzer in Deutschland finden, der die Schotten nicht sofort wieder aufnehmen würde. Max Kirchi, Inititator der Petition an den DFB Schon zum Turnierstart hatte die „Tartan Army“, wie die schottischen Fans wegen der Stoffmuster ihrer Kilts genannt werden, ein erstes dickes Ausrufezeichen gesetzt und stimmungsvoll zu Tausenden die Münchener Innenstadt eingenommen – bierselig, sangesfreudig, friedlich. Nicht ohne Grund heißt es in der aktuellen Petition: „Sie werden keinen einzigen Kneipenbesitzer in Deutschland finden, der die Schotten nicht sofort wieder aufnehmen würde.“ Auch rund um den zweiten Spieltag, bei dem die Fans ihr Nationalteam in Köln zu einem beeindruckenden 1:1 gegen die Schweiz brüllten, verwandelten sie landauf, landab die Innenstädte und öffentlichen Verkehrsmittel mit Dudelsackklängen in stimmungsvolle Partyzonen, stets unter begeisterter Beteiligung von Ortsansässigen. Selbst nach der krachenden 1:5-Niederlage gegen Deutschland fühlte sich ein Schotte dazu berufen, in Berlin-Prenzlauer Berg für die Fans des DFB-Teams die deutsche Nationalhymne auf dem Dudelsack zu spielen. „No Scotland, no Party!“ wurde hierzulande schnell ein wohlbekanntes Credo, doch die schätzungsweise bis zu 200.000 Gäste aus dem britischen Landesteil bestechen bislang nicht nur durch Feierwut, sondern auch durch herzerwärmende Gesten – allen voran der Schirmservice zweier Schotten im Kilt, die einen betagten Mann durch den strömenden Regen von Köln geleiteten. Auch von deutscher Seite gab es bereits wundersam anmutende Charmeoffensiven, wie etwa die eine Mannes in Köln, der Bier von seinem Balkon zu dem davor passierenden Schotten-Fanmarsch herabließ. Oder die Selfie-Geschichte von deutschen Fans, die einem Schotten dazu verhalfen, sein verlorenes Smartphone wiederzufinden. „Es bildet sich ein Band zwischen den Fans aus Schottland und Deutschland“ Kurzum: Diese EM ist schon jetzt reich an wunderbaren Geschichten – viele davon spielen sich zwischen Schotten und Deutschen ab. Dabei geht es meist weniger um das Spiel an sich, sondern vielmehr um die, oftmals vor dem Turnier beschworene, einende Kraft des Fußballs. Genau diesen Aspekt greifen die Initiatoren der eingangs erwähnten Petition offenkundig auf. „Wenn man sich die Bilder und Videos der letzten Tage in Deutschland anschaut, merkt man, dass sich ein Band zwischen den Fans aus Schottland und Deutschland bildet“, wird dort behauptet. Damit diese Annäherung nicht nur eine Momentaufnahme bleibt, fordern die Unterzeichnenden ein jährlich stattfindendes Freundschaftsspiel mit abwechselndem Ausrichtungsort. „Das würde die Beziehungen zwischen den beiden Ländern und ihren Bürgern verbessern, den Tourismus ankurbeln und vor allem wäre es ein tolles Erlebnis für alle Beteiligten“, begründen sie ihr Begehren. Selten ist das Anliegen einer Völkerverständigung etwas Schlechtes. Bei vielen ist insbesondere hierzulande offenbar der Wunsch nach noch mehr Tuchfühlung mit den Fans aus Schottland groß. Umso gespannter darf (Fußball-)Deutschland sein, wie der DFB auf die Freundschaftsspiel-Petition reagiert und wie er dem Wunsch nach mehr interkulturellem Austausch mit Schottland nachkommt. Ungeachtet dessen scheint jetzt schon gewiss, dass die jüngsten Annäherungen an verschiedenen Stellen positiv nachhallen werden. Das Ansinnen der Petition scheint mit Blick auf die zurückliegenden anderthalb Wochen nachvollziehbar. Weitere Annäherungen zwischen Schotten und Deutschen (fast) garantiert Es gilt als wahrscheinlich, dass es in den kommenden Tagen und Wochen noch zu weiteren Verbrüderungs- und Verschwesterungsszenen kommt. Denn den sportlichen Sprung ins Achtelfinale schaffen nicht nur die zwei besten Teams in den jeweiligen Gruppen, sondern auch die vier besten Gruppendritten – gegen Ungarn bietet sich also eine realistische Chance auf einen Bonusspieltag. Das kontaktfreudig-stimmungsvolle Auftreten der schottischen Fanschar kommt offenkundig auch bei ihrem Team gut an. „Das macht uns stolz, obwohl ich nicht weiß, wie sie das mit dem ganzen Alkohol schaffen. Aber sie haben ihren Teil beigetragen und wir wollen etwas zurückgeben“, sagte Mittelfeldspieler John McGinn erst am Samstag. Doch selbst wenn ihre Nationalmannschaft gegen Ungarn keinen Sieg einholt, dürften viele der angereisten Schotten noch ein paar Tage bleiben und das Land auf ihre ganz eigene Art weiter verzaubern – und der Petition zu noch mehr Zuspruch verhelfen.