Friday, April 5, 2024
Politbarometer: "Unbeliebtester Regierungschef der Welt"
SZ.de
Politbarometer: "Unbeliebtester Regierungschef der Welt"
Martin Zips • 3 Std. • 3 Minuten Lesezeit
Scholz, Macron und Biden kommen in Umfragen derzeit nicht gut weg.
Die "New York Times" verleiht Olaf Scholz einen zweifelhaften Titel. Bitte, lasst uns endlich mit solchen Meinungsumfragen in Ruhe!
"Unbeliebtester Regierungschef der Welt"
Umfragewerte! Mal sind sie so, dann sind sie anders. Und im Grunde blickt man ja auch gar nicht mehr durch, welches Institut da gerade wen wieder warum befragt hat. Deshalb sollte man auch nicht gleich in Panik geraten, wenn der deutsche Kanzler, UNSER Kanzler, gemäß einer Umfrage der New York Times zum "unbeliebtesten Regierungschef der Welt" erklärt wurde. Denn uns - sehr geehrte Damen und Herren, lieber Norbert! - würden schon auch noch ein paar andere für diesen Titel einfallen.
Befragt wurden, da bleibt die von der Zeitung beauftragte Firma "Morning Consult" etwas vage, "people". Diese allerdings litten in "more than 60 countries" derzeit unter Themen wie Inflation, Einwanderung, Ungleichverteilung und Wahlmüdigkeit. In Sachen Unbeliebtheit liege Olaf Scholz mit 73 Prozent hier knapp vor Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (71 Prozent). Etwas weniger unbeliebt seien Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol und Japans Premierminister Fumio Kishida (beide 70 Prozent). US-Präsident Joe Biden hat da noch Glück mit seinen 54 Prozent, hinter ihm folgt nur noch Belgiens Premierminister Alexander De Croo, mit dem nur 46 Prozent der "People" unzufrieden seien.
Schon komisch, dass von den US-amerikanischen Meinungsforschern hier weder nach dem 29. Sultan von Brunei, noch nach Wladimir Putin oder Teodoro Obiang Nguema Mbasogo, seit 45 Jahren Präsident von Äquatorialguinea, gefragt wurde. Vielleicht haben die Demoskopen ja all jene Länder, welche autokratisch oder diktatorisch regiert werden, längst abgeschrieben. Das wäre allerdings schade. Besonders für jene, die dort leben. Wenn sie denn überhaupt noch leben und nicht in Straflagern oder Gefängnissen verschwunden sind.
Sollte Scholz mehr Privates von sich posten?
Dass Scholz vom Habitus her eher ein Zögerer ist, dass er also "merkelt", das wurde ja schon oft kritisiert. Mal ist von "gefährlicher Attitüde" die Rede, mal von "leeren Parolen" oder davon, dass er "Widerspruch für Majestätsbeleidigung" hält. Mal ist er "Schlumpf", dann "Scholzomat". Wichtig zu erwähnen wäre aber wohl auch: Er ist bisher noch nirgendwo einmarschiert. Wobei man bei der eher grundsätzlichen Frage wäre: Sind 65-jährige Sozialdemokraten aus Hamburg vielleicht zu langweilig für die moderne Meinungsforschung? Für Tiktok, Insta und X? Für People? Sollte Scholz jetzt mehr Privates von sich posten, Bilder mit seinem Frühstücksmüsli zum Beispiel? Sollte er sich öffentlich mit Regina Halmich prügeln oder einen Gastauftritt mit Marschflugkörper im Dschungelcamp planen? Sollte er mit Augenklappe bei Heidi Klum erscheinen? Aber, schade, der deutsche Bundeskanzler kann ja noch nicht mal ein Privatflugzeug am Sylter Airport sicher landen oder ein schweres Motorrad lenken, wie es mittlerweile wirklich jede Verteidigungspolitikerin in ihrer Garage stehen hat. Hier wird viel Sympathie verspielt, beim Wähler!
Doch Vorsicht: Schon der römische Dichter Martial warnte: "Strebe nie nach allzu großer Beliebtheit!" Denn Popularität ist eine ausgesprochen flüchtige Sache, ja, oft ist sie nur "der Lorbeerkranz, den die Welt schlechter Kunst aufsetzt" (Oscar Wilde). Die Rechnung wird immer erst nach dem großen Zapfenstreich gemacht. Woody Allen sagte es im Interview mit der Zeit gerade so: "Dein Publikum liebt dich nicht wirklich. Sie lieben es, von dir unterhalten zu werden."
Na dann, warten wir halt einfach die nächste Umfrage ab. Die kommt bestimmt. Hoffentlich vergessen die People vor lauter Popularitätsbarometern nur das Eine nicht: Ihr Kreuz auf dem Wahlzettel ist deutlich wichtiger als irgend so ein Häkchen bei einer Online-Umfrage. Das geht heute ja oft unter.