Thursday, April 11, 2024

AfD vs. CDU : Warum Björn Höcke beim TV-Duell mit Mario Voigt im Vorteil ist

Handelsblatt AfD vs. CDU : Warum Björn Höcke beim TV-Duell mit Mario Voigt im Vorteil ist Neuerer, Dietmar • 6 Std. • 5 Minuten Lesezeit An diesem Donnerstag will sich Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt mit dem AfD-Politiker Björn Höcke in einem TV-Duell messen. Für Experten steht der Verlierer jetzt schon fest. Fünf Monate vor der Landtagswahl lässt sich der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt auf ein Fernsehduell mit dem AfD-Landeschef Björn Höcke ein. „Angesichts der Umfrageergebnisse können wir uns nicht länger mit Sätzen wie ‚Mit Nazis spricht man nicht‛ an der AfD vorbeimogeln“, begründete Voigt seinen Schritt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Die AfD, die im Freistaat vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, könnte laut den bisherigen Umfragen mit etwa 30 Prozent der Stimmen rechnen. Auf Platz zwei rangiert die CDU, gefolgt von der Linkspartei, die jedoch auch wegen der Gründung des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ (BSW) stark unter Druck geraten ist. Das BSW könnte laut Umfragen aus dem Stand in den Landtag einziehen. Übertragen wird das TV-Duell am Donnerstagabend um 20.15 Uhr vom privaten Fernsehsender „Welt-TV“. Senderchef Jan Philipp Burgard verspricht kritische Nachfragen, „um letztlich zeigen zu können, wes Geistes Kind Herr Höcke ist“, sagte er im Deutschlandfunk. Doch kann das wirklich gelingen? Oder besteht eher das Risiko, dass durch das Duell die AfD noch weiter an Zuspruch gewinnt? Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten: Warum lässt sich Voigt auf ein Duell mit Höcke ein? Anlass ist eine Auseinandersetzung zwischen dem CDU-Politiker und dem AfD-Mann auf der Plattform X. Voigt hatte in einem Interview gesagt, Höcke wolle Europa sterben lassen, woraufhin dieser mit einer Unterlassungsklage drohte. Daraufhin ging Voigt auf Höcke zu. Er sei bereit, die „wohlstandsgefährdende Anti-Europa-Politik“ der AfD auseinanderzunehmen. „Ob im Landtag oder vor Gericht: jederzeit gern“, schrieb er auf X. Höcke nahm das Angebot an. „Wie wäre es mit einer Diskussion – Format bestimmen Sie – zum Europabegriff?“, schrieb er ebenfalls auf X. Mit welcher Strategie geht Voigt in das Duell? Voigt will zeigen, dass Höcke „ein Risiko für unser Land und den Wohlstand“ ist. „Die Auseinandersetzung mit Herrn Höcke ist von zentraler Bedeutung, um seine gefährlichen Ideologien offenzulegen und der Spaltung in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken“, schrieb der CDU-Politiker auf X. Voigt möchte Höcke „inhaltlich stellen“, wie er betont. Es gehe etwa um die Frage, was Höckes Position in der Europapolitik für den Mittelstand und die Handwerker in Thüringen bedeuten würde. „Die Menschen erwarten auch von uns, dass wir uns dagegenstellen, und das machen wir auch“, sagte der CDU-Politiker. Voigt dürfte dann auch auf eine Aussage Höckes im August 2023 am Rande des AfD-Europaparteitags zu sprechen kommen. Höcke sagte damals in einem Interview mit dem TV-Sender Phoenix: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann.“ Die AfD steht seit jeher für europakritische Positionen. Kann eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Höcke funktionieren? Der Politikberater Johannes Hillje bezweifelt, dass Voigt allein mit Inhalten gegen Höcke punkten kann. Inhaltliche Kritik werde bei der AfD nicht ohne Ideologiekritik funktionieren, schrieb Hillje bei X. Letztere sei zudem „aussagekräftiger als die Programmatik“, aber damit eben auch anspruchsvoller. Hillje stuft deshalb die Anforderungen an Voigt und an die Moderation des Duells als „äußerst hoch“ ein. Hillje rechnet damit, dass Höcke versuchen werde, die Bühne zur „Entteufelung“ zu nutzen, um für die politische Mitte anschlussfähiger zu werden. „Die Strategie der Selbstverharmlosung ist bei der AfD seit Jahren eingeübt“, erklärte der Experte. Der Jenaer Kommunikationswissenschaftler Tobias Rothmund sieht deshalb auch größere Risiken für die CDU als für die AfD. „Es nutzt in erster Linie Björn Höcke, weil er durch diese Art des Duells in die Rolle eines ernst zu nehmenden politischen Gegners gehoben wird, mit dem man sich die Bühne teilt“, sagte Rothmund der Nachrichtenagentur dpa. Wie bereitet sich der TV-Sender auf mögliche Falschbehauptungen Höckes vor? „Welt-TV“-Chef Burgard will Lügen und Falschinformationen mit einem „Factchecking schon während der Sendung“ prüfen und richtigstellen. Außerdem soll es nach der Sendung eine Analyse auch mit externen Gästen geben. In der Redaktion sei über das Format intensiv diskutiert worden, erklärte Burgard weiter. Dabei habe man sehr sorgfältig abgewogen, ob man das machen solle oder nicht. Die Redaktion habe schließlich entschieden, dass man Höcke keine Bühne bieten, sondern einen „Boxring der Demokratie“ aufstellen wolle. Zumal die Strategie des Totschweigens der AfD in den vergangenen Jahren „erkennbar nicht gefruchtet“ habe. Im Übrigen, gab Burgard zu bedenken, habe die AfD mit dem Internet ohnehin bereits eine große Bühne. Bei Tiktok etwa könne die Partei wie auf einer Einbahnstraße kommunizieren, ohne jeden Filter. Wem wird das Duell am meisten nutzen? Experten sind überzeugt, dass die Vorteile wohl bei Höcke liegen. Das Duell sei für den AfD-Hardliner „eher eine Chance“, glaubt Politikberater Hillje. Vor allem werde er durch das Format als Ministerpräsidentenkandidat aufgewertet. Voigt hingegen riskiere viel – für sich und die Demokratie. Ähnlich sieht es der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder. Voigt begehe mit dem TV-Duell einen Fehler, sagte der Wissenschaftler der Funke Mediengruppe. Er trage damit zu „einer weiteren Normalisierung und Etablierung der AfD bei“. Nicht zuletzt könne sich der CDU-Politiker keine großen Hoffnungen machen, AfD-Wähler zurückzuholen, betont Hillje: Die große Mehrheit der AfD-Wähler in Thüringen sei fest entschlossen, AfD zu wählen. „Höcke hat wenig zu verlieren, aber durchaus etwas zu gewinnen.“ Der Kommunikationswissenschaftler Rothmund schätzt die Erfolgschancen im TV-Duell für Voigt ebenfalls als gering ein, weil Höcke wohl darauf abzielen werde, sich vor allem staatsmännisch zu präsentieren. „Das ist es auch, was seine Wählerschaft sehen will.“ Höcke gehe es wahrscheinlich nur darum, den Eindruck zu vermitteln, „dass er auf der Ebene von Voigt steht und ebenbürtig in der Lage ist, das Land zu führen“. Wie wird das TV-Duell in der CDU gesehen? Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), hält es für falsch, sich auf ein Duell mit der AfD einzulassen. „Dieser Partei würde ich keine Plattform geben wollen abseits von dem, was ihr parlamentarisch zusteht“, sagte Haseloff der „Zeit“. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Andreas Bühl, hält es indes für notwendig, die AfD inhaltlich zu stellen. Haseloff sagte, es gebe kluge Leute, die diesen Ansatz befürworteten. „Es gibt aber auch kluge Leute, die davor warnen und sagen: Damit setzt man diese rechtsextremen Ideen auf Augenhöhe, und damit stellt man Höcke als ernst zu nehmende Alternative dar.“ Erstpublikation: 11.04.2024, 05:22 Uhr.