Tuesday, November 7, 2023
„Merkwürdige Ansichten“: Berliner Polizisten-Gewerkschaft greift Nancy Faeser an
Berliner Zeitung
„Merkwürdige Ansichten“: Berliner Polizisten-Gewerkschaft greift Nancy Faeser an
Artikel von Andreas Kopietz •
4 Std.
Tausende Menschen haben am Wochenende in Berlin gegen Israel demonstriert.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) greift Nancy Faeser massiv an. Nach israelfeindlichen und teils antisemitischen Demos in Berlin und Essen forderte die SPD-Bundesinnenministerin ein hartes polizeiliches Einschreiten. „Wir tolerieren nicht, dass ein islamischer Gottesstaat auf unseren Straßen propagiert wird“, hatte Faeser der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Wer Freiheitsrechte derart missbrauche, um Straftaten und Hass zu propagieren, könne sich nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen. Diese Linie müsse konsequent durchgesetzt werden, auch mit hartem polizeilichen Einschreiten. Damit fordert sie aus Sicht der GdP, dass die Polizei in den Bundesländer die Demos unterbindet.
Der Berliner GdP-Landeschef Stephan Weh bescheinigte der Innenministerin am Dienstag eine „recht merkwürdige Ansicht“ zu möglichen Einschränkungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Er zeigte sich irritiert über die Aussagen der Bundesinnenministerin. „Weil sie implizieren, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in der Versammlungsbehörde wahllos Demonstrationen untersagen können und verantwortlich dafür sind, dass Extremisten das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für ihre verfassungsfeindlichen Parolen und Symbole missbrauchen.“
Die Bilder von den pro-palästinensischen Veranstaltungen seien abscheulich, so der Gewerkschaftschef. „Aber da, wo wir aufgrund des Anmelders und Themas nachvollziehbare Gefährdungen prognostizieren können, werden Versammlungen verboten und Auflagen erteilt.“ Als Volljuristin wisse Faeser, dass entsprechende Verbote vor dem Verwaltungsgericht Bestand haben müssen.
Süffisant lud der Gewerkschaftschef Nancy Faeser ein, die Berliner Versammlungsbehörde zu besuchen „und gemeinsam mit unseren Kollegen in die Glaskugel zu schauen“.
Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober bis einschließlich Sonntag registrierte die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei insgesamt 91 Versammlungsanmeldungen im Nahost-Kontext. Die 28 pro-israelischen Versammlungen konnten alle durchgeführt werden. Von 18 Versammlungen, die die Behörde nicht genau zuordnen konnte, wurde eine verboten. Von 45 angemeldeten Versammlungen mit pro-palästinensischem Thema wurden 20 untersagt.
Am vergangenen Wochenende hatte es unter anderem in Berlin und in Essen israelfeindliche Demos mit jeweils mehreren Tausend Teilnehmern gegeben. In Essen wurden unter anderem verbotene Symbole des Islamischen Staates und der Taliban gezeigt. Die Polizei ermittelt dort wegen Volksverhetzung.
Dazu hatte Faeser gesagt: In Deutschland dürfe jeder seine Meinung frei äußern und friedlich demonstrieren. „Aber rote Linie ist: Es gibt null Toleranz für antisemitische und israelfeindliche Hetze, es gibt null Toleranz für Gewalt. Wir tolerieren nicht, dass ein islamischer Gottesstaat auf unseren Straßen propagiert wird.“
Der Polizeigewerkschafter Weh begrüßte den Drang der Ministerin, etwas zu ändern und brachte seine Freude zum Ausdruck, „dass die Bundesinnenministerin ihre Expertise nutzen möchte, um bei der Berliner Landespolitik die notwendige Anpassung des Versammlungsfreiheitsgesetzes zu forcieren“.
Zudem bezeichnete er es als wünschenswert, wenn Faeser ihre Energie in die Erarbeitung bundeseinheitlicher Regelungen stecken würde. „Wir brauchen ein einheitliches Polizei- und ein einheitliches Versammlungsgesetz. Dann würde man dem wachsenden Demo-Tourismus nämlich endlich einen Riegel vorschieben und wir hätten in der Hauptstadt mit 7.000 Lagen im Jahr nicht mehr allein die Hauptlast zu tragen“, sagte Weh.
Abweichend von den Berliner Gewerkschaftskollegen hatte sich am Montag der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke geäußert. Er forderte am Montag strengere Vorgaben für pro-palästinensische Demonstrationen. „Alle Versammlungsbehörden müssen restriktiver sein und mehr Auflagen erlassen“, sagte Kopelke im Deutschlandfunk.