Wednesday, October 4, 2023
McCarthys Abwahl lähmt das Repräsentantenhaus
Frankfurter Allgemeine Zeitung
McCarthys Abwahl lähmt das Repräsentantenhaus
3 Std.
Kevin McCarthy tritt nach seiner Abwahl vor die Kameras.
Der geschasste Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, will nicht erneut für den mächtigen Posten antreten. „Ich werde nicht wieder als Vorsitzender kandidieren“, sagte McCarthy am Dienstagabend (Ortszeit) nach dem historischen Votum, mit dem der Republikaner aus dem Amt entfernt worden war. Er lasse seine Fraktion jemand anderen wählen.
Über die Nachfolge wird frühestens kommende Woche entschieden. Die Abgeordneten wurden informiert, in der laufenden Woche seien keine weiteren Abstimmungen zu erwarten. Das Repräsentantenhaus ist durch das Drama vorerst komplett lahmgelegt. Bis ein Nachfolger von McCarthy gewählt ist, liegt alle restliche gesetzgeberische Arbeit auf Eis.
Eine Mehrheit der Parlamentskammer hatte zuvor dafür gestimmt, McCarthy als Vorsitzenden abzusetzen. Hintergrund ist eine parteiinterne Revolte bei den Republikanern. Es ist das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein Speaker des Repräsentantenhauses auf diesem Weg seinen Job verloren hat. Angeführt von dem republikanischen Hardliner Matt Gaetz hatten sieben weitere Republikaner gegen ihren Parteikollegen gestimmt. Die Demokraten verzichteten darauf, McCarthy zu Hilfe zu kommen, und votierten gegen ihn.
Matt Gaetz spricht mit Reportern, nachdem er seinen Antrag gestellt hat.
Obwohl die Republikaner eigentlich die Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, ergab sich so eine knappe Mehrheit gegen McCarthy. Gaetz hatte McCarthy unter anderem vorgeworfen, er mache gemeinsame Sache mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden, statt für die republikanische Fraktion zu arbeiten.
Chaos bei Republikanern: Absetzungsantrag gegen Mccarthy
Noch kein designierter Nachfolger
Die republikanischen McCarthy-Gegner Gaetz und Bob Good gaben am Dienstagabend nach einer fraktionsinternen Sitzung Auskunft. Der kommissarische Vorsitzende der Kammer, der Republikaner Patrick McHenry, habe angekündigt, mögliche Nachfolgekandidaten sollten ein paar Tage Zeit bekommen, ihre Ambitionen öffentlich zu machen und in den eigenen Reihen um Stimmen zu werben. Am Dienstag in einer Woche sollen die Republikaner demnach erneut zu einer internen Runde zusammenkommen, in der sich potenzielle Nachfolger vorstellen können. Erst danach solle im Plenum eine Wahl angesetzt werden.
McHenry ist lediglich für formale Aufgaben vorübergehend eingesetzt, er füllt die Vorsitzenden-Rolle aber nicht politisch aus. Wer der nächste Vorsitzende des Repräsentantenhauses werden könnte, ist unklar.
Laut Fox-News-Moderator Sean Hannity wollen einige republikanische Abgeordnete nun gar den ehemaligen Präsidenten Donald Trump dazu bringen, sich als Speaker zur Wahl zu stellen. Die amerikanische Verfassung legt nicht explizit fest, dass der Vorsitzende des Repräsentantenhauses selbst Abgeordneter sein muss, auch wenn dies bislang immer der Fall war.
McCarthy greift noch einmal Gaetz an
McCarthy sagte bei seinem teils emotionalen, teils angriffslustigen Auftritt, für ihn sei der Speaker-Posten die größte Ehre gewesen. „Ich habe jede Minute geliebt.“ Er sei mit sich im Reinen. „Ich würde rein nichts anders machen“, betonte er. „Wenn ich meinen Job verliere, weil ich das tue, wovon ich wirklich überzeugt bin, dass es richtig ist, dann kann ich damit sehr gut leben.“ Selbstironisch sagte er: „Ich habe Geschichte geschrieben, oder?“
Zugleich kritisierte der Republikaner die parteiinternen Rebellen – insbesondere Gaetz. Diesem sei es keineswegs um Inhalte gegangen, sondern allein um Persönliches und darum, Medienaufmerksamkeit zu bekommen, beklagte McCarthy. Gaetz' Vorwürfe der Zusammenarbeit mit Biden wies er zurück. „Nur weil Gaetz etwas gesagt hat, heißt das nicht, dass es wahr ist. Ich habe ihn noch keine einzige wahre Sache sagen hören.“
McCarthy beklagte, es dürfte nicht möglich sein, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses die überwältigende Mehrheit seiner Fraktion hinter sich habe und trotzdem von acht Abgeordneten gemeinsam mit der anderen Partei aus dem Amt entfernt werde. „Ich glaube nicht, dass es diese Regel geben sollte – unabhängig davon, wer der Vorsitzende ist.“ Das Parlament als Institution habe versagt.