Monday, October 2, 2023

„Die Ukraine ist Teil Osteuropas. Mit uns hat sie nichts zu tun“

WELT „Die Ukraine ist Teil Osteuropas. Mit uns hat sie nichts zu tun“ Artikel von Tonia Mastrobuoni • 6 Std. Der ehemalige slowakische Vize-Premier und frühere Innenminister Robert Kalinak gehört zum inneren Zirkel von Robert Fico, der nach dem Wahlsieg am Samstag die nächste Regierung bilden soll. Im Interview erklärt er, warum sie gegen Waffen für die Ukraine und deren Nato-Beitritt sein wird. Robert Kalinak (52) war seit 2006 in drei Regierungen Robert Ficos Vizepremier und Innenminister der Slowakei Der frühere slowakische Vize-Premierminister Robert Kalinak gehört zu den engsten Vertrauten des mehrfachen Regierungschefs und jetzigen Wahlgewinners Robert Fico. Als der Journalist Jan Kuciak im Februar 2018 ermordet wurde, nachdem er über mögliche Verbindungen der Regierung Fico zur italienischen Mafia berichtet hatte, war Kalinak Innenminister. Unter dem Druck der dann folgenden Proteste legte er sein Amt nieder und wurde später vor Gericht gestellt. Kuciak war seit 2015 Redakteur im Investigativteam des Newsportals „aktuality.sk“, das zu einem bis 2021 bestehenden Joint Venture der Axel Springer SE (WELT, „Bild“) und der Schweizer Ringier AG gehörte. Ein Teil der Korruptionsvorwürfe gegen Kalinak wurde erst vor Kurzem aufgrund juristischer Formalitäten fallen gelassen. Im jüngsten Wahlkampf schlug er während einer Kundgebung einen politischen Rivalen nieder, der gerufen hatte: „Wir werden das Land nicht den Mafiosi überlassen!“ Ficos linkspopulistische Partei Smer-SSD hatte die Parlamentswahl am Samstag mit 22,9 Prozent der Stimmen gewonnen. Den zweiten Platz belegte die bisher nicht im Parlament vertretene liberale Partei Progressive Slowakei (PS) unter Führung des EU-Abgeordneten Michal Simecka mit 18 Prozent. WELT: Herr Kalinak, werden Sie Europa den Rücken kehren? Robert Kalinak: Wir haben uns diesbezüglich ganz klar ausgedrückt: kein Anti-Europäismus. Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, was Europa von Giorgia Meloni während ihres Wahlkampfs behauptet hat. Und was ist dann passiert? WELT: Sie wollen also wie Meloni vorgehen: Ihre hochtrabenden Wahlversprechen nicht einhalten, sondern pragmatisch handeln? Kalinak: Nein, nicht pragmatisch, das ist nicht der entscheidende Punkt. Schauen Sie, wir sind nicht prorussisch, sondern proslowakisch. Wir werden zwar keine Waffen mehr an die Ukraine liefern, sie aber weiterhin mit humanitärer Hilfe unterstützen. WELT: Werden Sie auch weiterhin den Beitritt der Ukraine in die Nato und die EU befürworten? Kalinak: Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Über einen Beitritt der Ukraine in die EU wären wir sehr glücklich. In die Nato jedoch nicht, das ist eine Frage der Sicherheit. Ich habe zwei Jahre lang in der Ukraine gelebt, sie ist ein Teil Osteuropas. Mit uns hat sie nichts zu tun, sie war immer unsere Grenze nach Osten. Und es wäre gefährlich, sie in die Nato aufzunehmen. Wir sind dagegen. WELT: Tatsächlich bedroht Putin auch Europa. Kalinak: Ja, natürlich. Ich glaube jedoch, dass das auch eine Frage des Dialogs und der Annäherung ist. Wir müssen versuchen, Frieden in der Ukraine zu erreichen. Und der ist machbar. Wir hatten schon immer ausgesprochen komplizierte Beziehungen zu Ungarn. Jetzt aber sind unsere Beziehungen die besten seit 1000 Jahren. WELT: Robert Fico hat bereits erklärt, er werde sich an den Staatsanwälten rächen, die gegen Sie ermittelt haben. Müssen wir mit einer autoritären Wende und Angriffen auf Richter wie in Ungarn und Polen rechnen? Kalinak: Fico hat nicht gesagt, er werde sich an den Richtern rächen. Er hat erklärt, dass diejenigen, die gegen ihn ermittelt haben, nicht neutral sind, sondern politisierte Richter. Wir haben während der zwölf Jahre an der Regierung nie die demokratischen Regeln verletzt.