Monday, February 13, 2023

FDP nach der Niederlage: Keine Ideen mehr

Tagesspiegel FDP nach der Niederlage: Keine Ideen mehr Artikel von Valerie Höhne • Vor 4 Std. Schon wieder fliegen die Liberalen aus einem Landesparlament. Doch die FDP will an ihrem Kurs festhalten. Christian Lindner und der Berliner Spitzenkandidat Sebastian Czaja suchen nach Erklärungen für die Niederlage. Manchmal kann Schweigen sehr laut sein. Zum Beispiel als FDP-Chef Christian Lindner sich am Berliner Wahlabend entschied, keine Interviews zu geben. Da zeichnete sich bereits ab, dass die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde. Statt sich auf die Bühne zu stellen und zu seiner Partei zu sprechen, bahnte er sich seinen Weg zur Bar, und bestellte ein alkoholfreies Bier. Was sollte er auch sagen? Schon wieder eine Wahlniederlage, die fünfte in Folge. Die FDP fliegt innerhalb von vier Monaten zu zweiten Mal aus einem Landesparlament, erst im Oktober war sie bei der Landtagswahl in Niedersachsen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Langsam gehen Lindner die Erklärungen dafür aus. Die Nacht hat offenbar keine neuen Erkenntnisse gebracht. Als er am Montagmittag vor die Kameras tritt, sagt er, man müsse „nüchtern analysieren“, dass die FDP Wählerinnen und Wähler an CDU und an Nichtwähler verloren habe. Den Berliner Spitzenkandidaten Sebastian Czaja treffe keine Schuld, aber es helfe nicht, dass die FDP in Berlin gegen das Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linken Wahlkampf gemacht habe, und im Bund mit SPD und Grünen koalieren müsse. Es gibt keine neue Strategie Die Gründe für das Scheitern haben sich aus Sicht der Parteiführung seit der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai des vergangenen Jahres kaum verändert. Die FDP-Anhänger fühlen sich unwohl in der Ampel-Koalition auf Bundesebene, dazu kommt, dass die FDP es kaum schafft, ihre Erfolge zu kommunizieren. Das soll sich zwar ändern, seit Monaten arbeitet die Partei an ihrer Profilschärfung. Bislang kommt davon offenbar wenig bei der Bevölkerung an. Weil es keine neue Strategie zu verkünden gibt, wiederholt Lindner die alte. „Wir haben als Bundespartei ja schon vor einigen Monaten unseren Kurs justiert“, sagt er, daran wolle man festhalten, obwohl es sich in der Berliner Wahl „noch nicht ausgezahlt“ habe. Lindner sagt, die erfolgreiche Regierungsarbeit mit SPD und Grünen solle künftig stärker herausgestellt werden, zeitgleich soll die FDP solle vor allem als bürgerliche Partei der Mitte erkennbarer werden. „Wenn die FDP ihre Handschrift zeigen kann, dann verbessert das natürlich auch die Umfeldbedingungen bei Landtagswahlen“, sagt Lindner. Das Problem: Die FDP zerfällt in mindestens zwei Lager. Diejenigen, die das Ampel-Bündnis als Chance begreifen, die dieser sozial-grün-liberalen Koalition etwas abgewinnen können. Und die, die das Bündnis nur aus staatspolitischer Verantwortung eingegangen sind, weil die Union nach ihrem verheerenden Wahlergebnis im September 2021 auf Bundesebene nicht regierungsfähig schien. Sie begreifen die Ampel als Übel, das derzeit zwar alternativlos ist, der FDP aber keine Zustimmung bringt. „Die Ampel zieht uns immer weiter herunter“, sagt zum Beispiel der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler. Zu letzteren gehört auch der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfang Kubicki, der schon lange die These vertritt, die FDP nehme zu viel Rücksicht auf die Koalitionspartner. Nun sei es vorbei mit der „Appeasement-Politik in der Ampel-Koalition“, sagte er noch am Wahlabend. „Da kann sich der Robert gehackt legen“, legte er am Morgen im „Spiegel“ nach, und meinte damit Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen. Wenn die Grünen der beschleunigten Planung von Straßen nicht zustimmten, dann würden eben auch keine neuen Stromtrassen gebaut. Eine, die eher die Chancen der Ampel sieht, ist Vize-Fraktionschefin Gyde Jensen. Das Land brauche „die Engagierten, die Aufsteigerinnen“, sagt sie am Tag nach der Wahl. „Unsere Prüffrage muss dabei immer sein, ob wir für sie alle unseren Job als FDP in der Ampel glaubwürdig machen“, fordert sie. Anders ausgedrückt: Weniger Selbstbeschäftigung, mehr Regierungsarbeit. Auch Johannes Vogel, Vize-Vorsitzender der Partei, gehört zur ersten Gruppe. In einem bemerkenswerten Tagesthemen-Interview sagte er im Herbst, dass die FDP deutlich machen müsse, dass sie „nicht gegen Dinge“, „sondern vor allem eine Dafür-Partei“ sei. Eine Ansage an diejenigen, die öffentlich am Ampel-Bündnis zweifelten. Der Konflikt ist nicht gelöst Der Konflikt zwischen den Lagern ist nicht gelöst, er verläuft durch die Parteiführung. „Ich habe den Eindruck, bei einigen in der Fraktion ist noch nicht angekommen, wie groß die Regierungsverantwortung für das Land ist“, sagt der ehemalige Bundesschatzmeister der FDP, Harald Christ. „Man muss sich entscheiden: Steht man zu dieser Ampelkoalition? Oder will man eine Opposition in der Regierung sein? Man kann nicht auf beiden Seiten gleichzeitig punkten“, sagt er. Nach den Wahlniederlagen im vergangenen Jahr hatte der Ton in der Ampel-Regierung sich immer weiter verschärft, am deutlichsten nach den verlorenen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai des vergangenen Jahres, bei denen die FDP jeweils über fünf Prozentpunkte einbüßte. Steht man zu dieser Ampelkoalition? Oder will man eine Opposition in der Regierung sein? Man kann nicht auf beiden Seiten gleichzeitig punkten. Harald Christ, ehemaliger Bundesschatzmeister der FDP Kurz darauf folgte der Streit in der Koalition um die Gasumlage und die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke. Nach dem Wahldebakel in Niedersachsen nannte der Parlamentarier Schäffler die Ampel einen „Mühlstein“, der um den Hals der FDP hänge. Es war ein drastisches Bild. Nun soll der Ton wohl weniger schrill sein. Scharf in der Sache will die FDP aber bleiben. Auf der Pressekonferenz am Mittag sagt Lindner, der Wahlerfolg der CDU in Berlin habe gezeigt, dass die Menschen auf ihr Auto nicht verzichten wollten. Er spielte damit auf den nächsten großen Konflikt auf Bundesebene an: Die Planungsbeschleunigung. Die FDP will auch Straßenprojekten ein „überragendes öffentliches Interesse“ zugestehen, was den Naturschutz für diese Projekte weitgehend aushebeln würde. Die Grünen sind strikt dagegen. Für die FDP ist es ein guter Zeitpunkt, sich wieder mal als Autopartei zu profilieren. Immerhin kann sich darauf die gesamte Partei einigen, zudem sind die Grünen dabei Hauptgegner, auch das ist für die meisten FDPler einfacher, als gegen die Union zu argumentieren, der sich viele noch immer näher fühlen als den Ampel-Koalitionspartnern. Die Rolle der Opposition im Wartestand geben sie damit aber nicht auf. Im Gegenteil. Die Auseinandersetzungen in der Ampel-Koalition dürften in den nächsten Wochen wieder härter werden.