Sunday, April 3, 2022

„Russland ist schlimmer als der IS

WELT „Russland ist schlimmer als der IS Baerbock kündigt härtere Sanktionen gegen Moskau und weitere Hilfen für Kiew an Gestern um 13:33 Die Bundesregierung hat als Reaktion auf die Funde zahlreicher Leichen im ukrainischen Ort Butscha härtere Sanktionen gegen Moskau und weitere Militärhilfen für Kiew angekündigt. Die Bilder der „hemmungslosen Gewalt“ aus dem Vorort der Hauptstadt Kiew nach dem Rückzug der russischen Truppen seien „unerträglich“, schrieb Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Die Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“ Die „hemmungslose Gewalt“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin „löscht unschuldige Familien aus und kennt keine Grenzen“, schrieb Baerbock. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte der „Bild“-Zeitung (Montagsausgabe): „Dieses furchtbare Kriegsverbrechen kann nicht unbeantwortet bleiben.“ Er halte eine Verschärfung der Sanktionen für angezeigt. Dies werde mit „unseren Partnern in der EU“ vorbereitet. Ähnlich hatte sich zuvor schon EU-Ratspräsident Charles Michel geäußert. Die russische Armee hatte sich zuletzt in der Region um Kiew zurückgezogen. In Butscha wurden danach laut Angaben der ukrainischen Behörden fast 300 Leichen gefunden. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dass zahlreiche Toten zivile Kleidung getragen hätten. Sie sahen auf einer einzigen Straße in Butscha mindestens 20 Leichen liegen. Mindestens einem der Toten waren die Hände gefesselt. Vorwurf schwerer Kriegsverbrechen Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Russland schwere Kriegsverbrechen in der Ukraine vorgeworfen. „Die von Russland verübten Kriegsverbrechen sind vor den Augen der Welt sichtbar“, erklärte Steinmeier am Sonntag in Berlin. „Die Bilder aus Butscha erschüttern mich, sie erschüttern uns zutiefst.“ In der wochenlang heftig umkämpften Vorstadt im Nordwesten Kiews waren zuvor zahlreiche Leichen entdeckt worden. Etwa 280 Menschen wurden in einem Massengrab beigesetzt. Steinmeier betonte: „Die Repräsentanten der Ukraine haben jedes erdenkliche Recht, Russland anzuklagen und Solidarität und Unterstützung ihrer Freunde und Partner einzufordern.“ Zugleich versicherte der frühere SPD-Außenminister, die Solidarität und Unterstützung aus Deutschland müsse und werde weitergehen. In Butscha lagen auf den Straßen Zivilisten, die beim Rückzug der Soldaten erschossen wurden. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zeigte sich ebenfalls nach der Entdeckung zahlreicher getöteter Zivilisten in der Region um Kiew entsetzt gezeigt. „Eine unabhängige Untersuchung ist dringend erforderlich“, schrieb die deutsche Politikerin am Sonntag auf Twitter. Zugleich versicherte sie, dass die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen würden. In Butscha nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew waren nach dem Rückzug der russischen Armee zahlreiche Tote gefunden worden. Nach Angaben der Behörden wurden inzwischen 280 Menschen in Massengräbern beerdigt. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak teilte auf Twitter ein Foto, auf dem erschossene Männer zu sehen waren. Einem waren die Hände auf dem Rücken gefesselt. Die Echtheit konnte nicht unabhängig geprüft werden. Podoljak schrieb dazu: „Sie waren nicht beim Militär, sie hatten keine Waffen, sie stellten keine Bedrohung dar.“ „Russland ist schlimmer als der IS, Punkt“ Nach Bekanntwerden von Gräueltaten in der Stadt Butscha bei Kiew hat der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba härtere Sanktionen der G7-Staaten gegen Russland gefordert. „Das Massaker von Butscha war vorsätzlich. Die Russen zielen darauf ab, so viele Ukrainer wie möglich auszulöschen“, schrieb Kuleba am Sonntag auf Twitter. „Wir müssen sie aufhalten und rausschmeißen.“ Dem britischen Sender Times Radio sagte Kuleba, es habe sich bei den Getöteten weder um Guerilla-Kämpfer noch um Menschen gehandelt, die den Russen Widerstand geleistet hätten. Sie seien aus Ärger und reiner Mordlust getötet worden. Er fügte hinzu: „Russland ist schlimmer als der IS, Punkt.“ Kuleba kündigte an, sich dafür einzusetzen, dass die Verantwortlichen für Gräueltaten in seinem Land zur Verantwortung gezogen würden. Dazu gehöre auch der russische Außenminister Sergej Lawrow, den er als „einen der Architekten der russischen Aggression gegen die Ukraine“ bezeichnete. Konkret forderte Kuleba von den sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächten ein Öl-, Gas- und Kohle-Embargo gegen Russland, einen Ausschluss aller russischen Banken aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift sowie eine Schließung aller Häfen für russische Schiffe und Waren. Großbritannien will Untersuchung unterstützen Die britische Außenministerin Liz Truss kündigte unterdessen mit Blick auf die Gräueltaten gegen ukrainische Zivilisten an, Großbritannien werde „nicht eher ruhen“, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen seien. Das schließe russische Kommandeure und Personen innerhalb der russischen Regierung mit ein, betonte sie. Zu den „wahllosen Angriffen auf unschuldige Zivilisten während der ungerechtfertigten und illegalen Invasion in die Ukraine“ müssten Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen eingeleitet werden, sagte Truss weiter. London werde den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bei der Untersuchung und Verfolgung von Kriegsverbrechen vollkommen unterstützen. Nach dem Rückzug russischer Truppen aus dem Gebiet rund um die ukrainische Hauptstadt Kiew hatten Fotos von getöteten Menschen in der zurückeroberten Stadt Butscha für Entsetzen gesorgt. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von „Völkermord“. Massenexekutionen und Vergewaltigungen Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat der russischen Armee in der Ukraine Kriegsverbrechen wie Hinrichtungen und Plünderungen vorgeworfen. In einem Bericht, der am Sonntag in Warschau veröffentlicht wurde, werden Fälle in der Umgebung der Städte Kiew, Charkiw und Tschernihiw genannt. Grundlage dafür ist nach Angaben der Menschenrechtler die Befragung von zehn Augenzeugen, Opfern und Bewohnern. „Die von uns dokumentierten Fälle stellen unsägliche bewusste Akte der Grausamkeit und Gewalt an der ukrainischen Zivilbevölkerung dar“, erklärte der Europa-Direktor von HRW, Hugh Williamson. „Vergewaltigung, Mord und andere gewaltsame Akte gegen Menschen in der Gewalt russischer Truppen sollten als Kriegsverbrechen untersucht werden.“ Zu den aufgeführten Fällen gehört die Erschießung eines Mannes am 4. März in Butscha, nordwestlich von Kiew. Ein Augenzeuge berichtete demnach, dass fünf Männer von Soldaten gezwungen worden seien, am Straßenrand niederzuknien. Dann hätten die Russen ihnen ihre T-Shirts über den Kopf gezogen und einem von ihnen von hinten in den Kopf geschossen. Am 27. Februar wurden dem Bericht zufolge mindestens sechs Männer im Dorf Staryi Bykiw bei Tschernihiw von Soldaten exekutiert. Eine 31-jährige Frau berichtete, dass sie in einer Schule in der Region Charkiw mehrmals von einem Soldaten vergewaltigt worden sei.