Friday, November 3, 2023

Der entscheidende Grund, warum Deutschland ein Asyl-Magnet ist

WELT Der entscheidende Grund, warum Deutschland ein Asyl-Magnet ist Artikel von Nikolaus Doll • 1 Std. Warum kommen Asylbewerber besonders gerne nach Deutschland? Vielen gilt es als ausgemacht, dass es die großzügigen Sozialleistungen seien. Tatsächlich hängt das Hauptproblem damit zusammen – aber es geht nicht primär um die Höhe der Bezüge. Der entscheidende Grund, warum Deutschland ein Asyl-Magnet ist Das halbe Land debattiert derzeit darüber, warum Deutschland für viele Menschen, die hierherkommen und bleiben wollen, so interessant sei. Klar ist, es müssen die oft zitierten „Pull-Effekte“ sein. Die Frage ist, welche das genau sind – und wie man denen die Anziehungskraft nehmen könnte, ohne dem Land selbst zu schaden. Ist das liberale deutsche Asylrecht der entscheidende „Pull-Effekt“, also die Tatsache, dass es ziemlich leicht ist, ins Land zu kommen und dann vorerst zu bleiben? Ist es die schlagkräftige Wirtschaft, die aller Krisen zum Trotz seit 20 Jahren als unglaublich stabile Produktions-, Leistungssteigerungs- und Jobmaschine brummt? Oder schlicht die Tatsache, dass Deutschland, pardon die Ausdrucksweise, einfach ein geiles Land ist? Oder von allem etwas? Die FDP-Bundesminister Christian Lindner und Marco Buschmann haben nun eine Ursache in den Vordergrund geschoben, die CDU und CSU schon seit Wochen herausstellen: die hohen Sozialleistungen für Flüchtlinge und Asylbewerber. In WELT AM SONNTAG schrieben sie, eine Absenkung dieser Leistungen sei „unter ganz besonders engen Voraussetzungen quasi auf ,null‘ denkbar“. Der Beifall von der Union für die FDP-Idee war erwartbar, ebenso wie die Empörung im links-grünen Lager. Letzteres ließ über den „Spiegel“ ausrichten: stimmt nicht. 410 Euro im Monat, die alleinstehende Asylbewerber monatlich in Deutschland bekommen, würden niemanden anlocken. Zum Vergleich: In Tunesien liegt der durchschnittliche Monatslohn umgerechnet bei rund 260 Euro, in Nigeria bei rund 160 Euro. Das riesige Problem der Folgeanträge Vermutlich liegt die Wahrheit – wie so oft – in der Mitte. Ob es eine gute Idee ist, Menschen in diesem sonst so auf Ausgleich bedachten Land nicht mehr zu geben, als sie brauchen, um nicht zu hungern, sei mal dahingestellt. Damit schürt man möglicherweise geradezu die Kriminalität unter Asylbewerbern und Migranten. Davon abgesehen löst der Vorstoß der beiden FDP-Minister eine Phantomdebatte aus, die vom Eigentlichen ablenkt. Denn die Höhe der Sozialleistungen ist nicht der alles entscheidende Magnet. Entscheidend, und damit zum „Pull-Effekt“, werden diese Leistungen erst, wenn man berücksichtigt, wie lange sie gewährt werden. Hier offenbart sich das eigentliche Problem: Die Tatsache, dass diese Unterstützung für Asylbewerber Monate fließt, oft Jahre. Bis die Mühlen der Behörden und Gerichte eben ausgemahlen haben und eine endgültige Entscheidung steht, ob der Betroffene bleiben darf oder ausreisen muss. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bis zu einer behördlichen Entscheidung über einen Asylantrag lag im vergangenen Jahr bei 7,8 Monaten. In vielen Fällen wird gegen den Bescheid geklagt, die Verfahren dauern im Schnitt 23 Monate. Bis dahin bekommen die Asylbewerber Geld. Und: Häufig stellen sie Folgeanträge. Der „Tagesspiegel“ hat recherchiert, dass von den 13.000 Menschen aus Nordmazedonien, Albanien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Serbien, die von Januar bis September in Deutschland Asyl beantragt hatten, 7000 einen Folgeantrag gestellt haben. Die Bearbeitung eines solchen Folgeantrags dauert im Schnitt 6,4 Monate. Bis nach Einsprüchen eine unanfechtbare Entscheidung vorliegt, vergehen durchschnittlich 16 Monate. Manche Asylbewerber stellen bis zu acht Folgeanträge. Rechnen Sie zusammen, was da im Einzelfall an Verfahrenszeit in Monaten gerechnet herauskommt – und nehmen Sie diese Zahl mal 410. Dann haben Sie den entscheidenden Grund, warum Deutschland ein Magnet ist – und es bleiben wird, wenn weiter nach diesem Verfahren ein Folgeantrag nach dem anderen gestellt werden und Unterstützung über Jahre bezogen werden kann.