Wednesday, March 30, 2022

Anna Netrebko: Wegen Putin geächtet, Karriere zu Ende?

Berliner Zeitung Anna Netrebko: Wegen Putin geächtet, Karriere zu Ende? Michael Maier - Vor 1 Std. In Paris und Mailand kann man immer noch Karten für ein Konzert mit Anna Netrebko kaufen: Im Mai soll die russische Sopranistin dort singen, für ein Konzert im Juni in Luzern gibt es ebenfalls noch Tickets im Internet. In Wien und Frankfurt wurden Konzerte im Sommer dagegen ohne Angabe von Gründen auf 2023 verschoben: Die berufliche Zukunft der Star-Sängerin ist ungewiss. Die Schweizer Zeitung Der Bund schreibt über Netrebko: „Sie verurteilt den Angriffskrieg – aber nicht Putin: Werden wir die große russische Opernsängerin je wieder auf einer westlichen Bühne sehen?“ Die in Krasnodar geborene Sopranistin hatte sich nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geweigert, sich vom russischen Präsidenten Wladimir Putin zu distanzieren. Sie sagte, dass sie den Krieg ablehne, jedoch ein unpolitischer Mensch sei. Im Dezember 2014 hatte sich die 51-jährige Sängerin, die neben der russischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, mit dem russischen Rebellenchef Oleh Zarjow mit der Flagge des selbst ernannten Staates „Neurussland“ fotografieren lassen und spendete dem zu diesem Zeitpunkt auf der EU-Sanktionsliste stehenden Zarjow öffentlich 15.000 Euro. Ihre Weigerung, Putin abzuschwören, trug ihr einen umgehenden Karriere-Stopp ein: Die New Yorker Metropolitan Opera setzte die Zusammenarbeit aus, die Festspiele Baden-Baden sagten ihre Auftritte ab. Eine „Turandot“-Produktion an der Berliner Staatsoper platzte. Am härtesten traf Netrebko jedoch vermutlich, dass sie im März gemeinsam mit dem russischen Dirigenten Waleri Gergijew von der Bayerischen Staatsoper in München gefeuert wurde. Auch ihre Konzertagentur Centre Stage Artist, eine Tochter des US-Konzerns Universal Music Group, stellte ihr den Stuhl vor die Tür. Netrebko trat die Flucht nach vorn an und sagte alle Auftritte in den kommenden Monaten ab. Ihre Begründung: Jetzt sei keine Zeit des Musizierens. Ende März meldete sich Netrebko mit einem Foto aus der Wüste. Der Bayerische Rundfunk, der Netrebko seit ihrem Rauswurf mit besonderem Ingrimm verfolgte, mutmaßt, die „Diva“ könne sich in Dubai oder am Persischen Golf aufhalten. Doch auch ihre Kollegen sparen nicht mit Häme: So behauptet der österreichische Dirigent Franz Welser-Möst, man habe seit einiger Zeit „schon gewisse Abnützungserscheinungen in ihrer Stimme“ gehört, ein Comeback sei unwahrscheinlich. Andere Künstler, die lange mit ihr gearbeitet haben, wie etwa der Regisseur und heutige Wiener Burgtheaterdirektor Martin Kusej, schweigen zum Fall Netrebko. Der Pianist Igor Levit sagte, man könne Netrebko angesichts ihrer pro-russischen Aktionen nicht abnehmen, dass sie eine unpolitische Künstlerin sei. Netrebkos neuer Produzent Maxim Berin sieht die Lage naturgemäß positiver: Netrebko werde ab Mai wieder auftreten, sagte er der Komsomolskaja Prawda. Stars ihres Ranges seien nicht zu ersetzen. Und ein Boykott sei auf Dauer nicht durchzuhalten. Berin: „Wenn die Russen von den führenden Veranstaltungsorten der Welt entfernt werden, wird die klassische Kultur sterben.“