Thursday, May 2, 2024
Christian Neureuther: Meine letzten Monate mit Rosi
Merkur
Christian Neureuther: Meine letzten Monate mit Rosi
Andreas Beez • 1Tage • 6 Minuten Lesezeit
Trauer um Rosi Mittermaier
Im Interview mit unserer Redaktion erzählen Christian Neureuther und seine Schwiegertochter Miriam, wie die Familie den Abschied von Rosi Mittermaier erlebt hat.
Christian Neureuther hat gerade seinen 75. Geburtsag in schwierigen Zeiten gefeiert – zumindest physisch ohne seine Ehefrau Rosi Mittermaier. Die beiden früheren Ski-Stars waren 42 Jahre lang verheiratet, galten als unzertrennlich, bis die zweifache Mutter und vierfache Oma am 4. Januar letzten Jahres an Krebs starb. „Trotzdem ist die Rosi immer bei mir“, sagt Neureuther mit einem Lächeln, „ich habe ihr versprochen, positiv weiterzuleben und positiv nach vorne zu schauen.“ Die Kraft dazu schöpft er „aus der tiefen Dankbarkeit für unser gemeinsames Leben“ – und aus seiner Familie, die praktisch Tür an Tür mit ihm in Garmisch-Partenkirchen wohnt.
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Der mehr oder weniger heiße Streit ums lauwarme Essen
Familie, Bodenständigkeit und Bescheidenheit, Respekt vor der Leistung anderer, die Liebe zur Natur – Rosi Mittermaier und Christian Neureuther hatten immer einen gemeinsamen Kompass im Leben, waren fast nie unterschiedlicher Meinung. Aber ein mehr oder weniger heißes Streitthema gab es dann doch im Hause Neureuther. Es „kochte“ in 42 Ehejahren immer mal wieder hoch. „Bei Rosi waren die Teller meistens kalt, ich mag aber kein lauwarmes Essen, und deshalb wollte ich die Rosi immer dazu bringen, dass sie die Teller vorher im Ofen aufwärmt. Das habe ich leider nie geschafft, das war ihr zu umständlich und zu energieverbrauchend. Also musste ich meist selber handeln, Tellerwärmer waren verpönt, die Mikrowelle hat dann sehr gut und schnell geholfen, erzählt Christian schmunzelnd. Ansonsten haben die beiden trotzdem zusammengepasst wie Topf und Deckel.
Wenn du abends heimkommst, niemanden zum Erzählen mehr hast, Erlebnisse und Freude nicht mehr teilen kannst, dann ist das ein Moment, der besonders weh tut.
Christian Neureuther
Natürlich ist der Tod von Rosi der einschneidende Schicksalsschlag in Christians Leben. „Wenn du abends heimkommst, niemanden zum Erzählen mehr hast, Erlebnisse und Freude nicht mehr teilen kannst, dann ist das ein Moment, der besonders weh tut.“ Aber er hat das Glück, dass ihn immer wieder eine ganze Rasselbande aus seiner Trauer reißt. „Wenn meine Enkel zu mir rüberkommen und mir in den Arm fallen, dann ist das ein pures Glücksgefühl. Das Leben geht weiter und in den Enkeln lebt auch Rosi weiter. So hat sie es sich gewünscht.
Die Enkelkinder reißen ihren Opa Christian Neureuther immer wieder aus der Trauer
Matilda (6), Leo (4) und Lotta (2) wohnen nur einen Steinwurf vom Opa entfernt, Felix (40) und Miriam Neureuther (33) haben ganz in der Nähe seines Elternhauses ihrem Traum von der Großfamilie ein Zuhause gegeben. Oft ist auch Felix’ Schwester Ameli (42) mit ihrem Sohn Oscar (9) zu Besuch. „Diese Nähe hat so viele Vorteile, jeder kann für jeden da sein. Ich empfinde es als das größte Glück, wenn man Familie um sich herumhat“, sagt Miri. Zu ihrem Schwiegervater sie ein perfektes Verhältnis. Ihr imponiert, wie er trotz seiner Trauer über Rosis Tod alle immer wieder motiviert und nach vorne schaut. „Es ist beeindruckend, wie der Christian seine Situation annimmt. Andere zerbrechen an solchen Schicksalsschlägen. Aber er weiß, dass wir ihn brauchen und dass für Rosi Aufgeben nie eine Option war“
Christian Neureuther möchte versuchen, anderen Menschen zu helfen
Aufgeben – das kam für den ehemaligen Weltklasse-Skifahrer noch nie infrage. Nach dem Krieg in einem Berghaus aufgewachsen und später als Sportler wurde ihm Disziplin eingeimpft. „Ich habe gelernt, dass ich man sich nie hängen lassen darf. Gerne möchte ich dabei auch versuchen, anderen Menschen zu helfen, damit sie dennoch positiv bleiben, denn man kann die Situation nicht mehr ändern, man kann aber im Sinne der oder des Verstorbenen das Leben weiterhin annehmen und dabei glücklich sein. Die Dankbarkeit, für das gemeinsam Erlebte prägt meine Gedanken, genau das hat sich Rosi gewünscht. Ich weiß aber auch, dass nicht jeder so wie ich das Glück hat, eine Familie zu haben, die einen auffängt.“
Miriam Neureuther: „Rosi hat uns alle getröstet und aufgebaut“
Rosi war ein außergewöhnlicher Mensch. Sie ruhte in sich selbst und strahlte immer Kraft aus – selbst .in der Zeit ihrer Krankheit. „Sie war nie deprimiert oder verzweifelt, stattdessen hat sie uns alle geröstet und aufgebaut“, erinnert sich Miri. „So einen Mensch gibt es nicht noch einmal.“ Die 33-Jährige empfindet es als Privileg, dass sie ihre Schwiegermutter während der schweren Krankheit begleiten durfte. Acht Monate lagen zwischen Diagnose und Tod, „Zu erleben, wie souverän sie trotz aller gesundheitlichen Probleme mit ihrem Schicksal umgangen ist, war etwas ganz Besonderes“, sagt Miri. „Sie hat mir sogar die Angst vorm Tod genommen.“ Rosi ging es immer um die Zukunft und um unser weiteres Leben. Miri musste ihr versprechen, dass sie kein Plastikspielzeug für ihre Kinder kauft. „Die letzten acht Monate mit Rosi haben uns als Familie noch mehr zusammengeschweißt.“
Die Erinnerung daran gibt auch Christian täglich neue Kraft. „Wir konnten bis zum Schluss über alles reden, auch über „das Danach“. Rosi hinterließ uns allen in der Familie den Auftrag, uns um die Kinder und um Wertevermittlung für die Jugend zu kümmern.
Umgekehrt mussten Felix und Ameli der Mama versprechen, auf den Papa aufzupassen. „Das gelingt ihnen ganz gut“, berichtet Christian augenzwinkernd, und als lachende Leibwächter stehen gibt es da noch 4 Rabauken als Enkel, die den Opa „ohne Rücksicht“ auf Trab halten. Ob zu Hause oder auf der Piste beim Skifahren, es ist immer was los“, berichtet Christian mit dem schelmischen Blick, in den sich Rosi vor 58 Jahren verliebt hat. „Humor ist wichtig – und für mich die beste Therapie.“
Miriam Neureuther ist wichtig, dass ein Elternteil immer bei den Kindern ist
Wobei er seine Schwiegertochter auch schon mal zum Ausflippen bringen kann. „Zum Beispiel, wenn er mir am Montag erzählt, dass ein gemeinsamer Termin nicht am Mittwoch, sondern schon am Dienstag stattfindet.“ Für Rosi war das Alltag und auch Miri muss sich daran gewöhnen, denn es ist kaum anzunehmen, dass sich Christian darin noch ändert. Wichtig ist ihr nur, dass immer ein Elternteil bei Matilda, Lotta und Leo ist. Felix ist extrem viel unterwegs, da muss ich den Alltag schon sehr gut strukturieren. Ich sehe es als Luxus an, dass ich daheim bei unseren Kindern sein darf. Das können nicht alle Eltern schaffen, und daher habe ich auch Verständnis dafür, wenn andere Paare das anders sehen und beide Partner voll berufstätig sein wollen.“ Miri weiß auch, dass man sich das Familienmodell der Neureuthers leisten können muss. „Es gibt viele Mütter, die aus wirtschaftlichen Gründen arbeiten müssen.“
Manchmal schaut die Küche im Hause Neureuther aus wie ein Schlachtfeld
Das Gefühl, beruflich etwas zu verpassen, hat die frühere Weltklasse-Biathletin nicht. „Dabei hilft mir, dass ich meine Sportkarriere schon hinter mir habe.“ Dazu kommt ein Fernstudium zu Ernährungswissenschaften, das sie inzwischen absolviert hat – ein Thema, das sie schon als junge Athletin interessiert hat. „Vielleicht mache ich diese Leidenschaft später mal zum Beruf.“ An Arbeit zu Hause mangelt es der dreifachen Mama natürlich nicht. „Ich versuche, so oft wie möglich frische Speisen auf den Tisch zu bringen und backe gerne mit meinen Kindern, das macht ihnen großen Spaß.“ Weniger freudvoll ist dann mitunter das Aufräumen. „Wenn die Kinder und die häufigen Besuchskinder „mithelfen“, dann sieht unsere Küche hinterher oft aus wie ein Schlachtfeld. Aber dieses Problem haben ja andere Familien auch“, erzählt Miri lachend.
Christian Neureuthers Kompliment an seine Schwiegertochter
An solchen Chaostagen ist Opa Christian klar im Vorteil. Er kann die Flucht durch den Garten in sein eigenes Haus antreten. Fit ist er ja, selbst mit 75. Angst vor der Zukunft hat er keine. Einschränkungen muss man natürlich akzeptieren, die Freude an der Bewegung und der Natur bleiben aber gleichgroß. „Ich weiß, dass ich mich meine Schwiegertochter so lange wie möglich zu Hause bei sich haben will. Das macht mich unglaublich dankbar“, sagt Christian und schiebt das vielleicht größte Kompliment hinterher, das er ihr machen kann: „Wenn ich der Rosi ins Gesicht geschaut habe, dann wusste ich: Mir geht’s gut. Bei der Miri ist das genauso.“