Saturday, April 26, 2025
Sohn von hochrangiger CIA-Beamtin zog wohl für Russland in den Krieg und starb
DER SPIEGEL
Sohn von hochrangiger CIA-Beamtin zog wohl für Russland in den Krieg und starb
27 Minuten • 3 Minuten Lesezeit
Ein 21-jähriger Amerikaner soll als Teil von Wladimir Putins Armee gefallen sein. Ihn habe unter anderem der Hass auf sein Heimatland getrieben. Ein Investigationsportal hat den Werdegang des jungen Mannes rekonstruiert.
Michael Alexander Gloss wollte kein gewöhnliches Leben, so viel ist sicher. Warum genau sein kurzes Leben jedoch auf ukrainischem Boden endete, lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Wie das unabhängige russische Investigationsportal iStories berichtet, wurde Gloss im April 2024 in der Ukraine getötet und hatte sich zuvor freiwillig der russischen Armee angeschlossen.
Geboren wurde Gloss 2002 in den USA im Bundesstaat Virginia, seine Mutter, Juliane Gallina, arbeitet als hochrangige Beamtin für den US-Geheimdienst CIA und ist dort stellvertretende Direktorin der Abteilung für digitale Innovation. Gloss' Vater ist der Veteran Larry Gloss, der laut iStories im 1991 am Irakkrieg teilnahm. In einer Traueranzeige schrieb Michael Gloss' Familie: »Mit seinem edlen Herzen und seinem kriegerischen Geist bahnte er sich den Weg seiner eigenen Heldenreise als er in Osteuropa tragisch ermordet wurde.« Die Familie erwähnt weder seinen Einsatz für Russland noch seinen Aufenthalt in der Ukraine.
Von russischen Behörden über den Tod informiert
Laut iStories gehörte Michael Gloss zu den mehr als 1.500 nicht-russischen Kämpfern, die sich seit Februar 2022 der russischen Armee eingeschlossen haben. Gloss soll seit Dezember 2023 in der Ukraine gekämpft haben, im Frühjahr 2024 soll er Teil einer Angriffseinheit gewesen sein, die auf den ukrainischen Ort Soledar in der Region Donezk vorrückte. Bei diesem Einsatz soll Gloss im April 2024 ums Leben gekommen sein. Seine Familie soll erst Monate später von den russischen Behörden über seinen Tod informiert worden sein.
Warum Gloss sich entschied, ein komfortables Mittelklasseleben in den USA gegen einen Kriegseinsatz unter russischem Befehl einzutauschen, hat iStories anhand von Interviews mit Wegbegleitern und anhand von Posts in Sozialen Medien in Teilen rekonstruiert. So wird ein Bekannter Gloss' zitiert, der sagt, Gloss habe »Krieg gegen die USA« führen wollen. Gloss sah sich selbst als Umweltaktivisten und als Streiter für eine gerechtere Welt. Ein Studium an der Privatuniversität »College of the Atlantic« in Maine an US-Ostküste brach Gloss ab, um eine Weltreise zu beginnen. Er soll die USA spätestens 2023 verlassen haben. Als Student protestierte er für das Recht auf Abtreibung und für Klimaschutz. Als Reisender soll er in der Türkei nach Hatay gefahren sein, um sich dort an den Aufbauarbeiten nach dem schweren Erdbeben vom Februar 2023 zu beteiligen.
Unter dem Einfluss von Verschwörungserzählungen
Auf Fotos aus dem Frühjahr 2023 ist Gloss in einem bodenlangen Umhang zu sehen, sein Haar und seinen Bart hat er sich lang wachsen lassen, um den Kopf wickelt er sich meistens ein Tuch. Ein von iStories befragter Bekannter Gloss' gibt an, Gloss habe gewirkt, als stehe er zunehmend unter dem Einfluss von Verschwörungserzählungen. Gloss sei zutiefst empört über die us-amerikanische Unterstützung für Israels Krieg in Gaza gewesen. Emojis, die Gloss postete, legen nahe, dass er in Russland einen Verbündeten der Palästinenser sah.
Während seiner Reise stand Gloss in Kontakt mit dem linken Netzwerk »Rainbow Family« und nahm an einem Treffen der Gruppe teil. Er habe angegeben, aus ökologischen Gründen nach Russland zu reisen, um dort Umweltschutzprojekte aufzubauen. In Russland angekommen, habe Gloss kaum Geld zur Verfügung gehabt. Lokale Bekanntschaften halfen ihm mit Schlafplätzen und Alltagsgegenständen aus.
Eine der letzten Videoaufnahmen von Gloss zeigt ihn in einem Kleinbus, in dem er gemeinsam mit einer Gruppe Männer aus Nepal unterwegs sein soll, gemeinsam sollen sie Teil einer russischen Einheit sein.