Thursday, February 13, 2025

Experte zu Trump-Putin-Plan: „Die USA haben die Ukraine fallen gelassen“

Berliner Zeitung Experte zu Trump-Putin-Plan: „Die USA haben die Ukraine fallen gelassen“ Nicolas Butylin • 40 Mio. • 3 Minuten Lesezeit Europa wird wohl erst am Tag danach realisieren, was da am Mittwochabend passiert ist. „Ich denke, für Europa ist eine Bombe geplatzt“, sagt Markus Reisner der Berliner Zeitung. Das Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin setzt die Ukraine, aber auch die EU vor Fakten. „Spätestens am Donnerstagmorgen beginnen in den europäischen Hauptstädten die Krisentreffen“, so der Oberst im österreichischen Bundesheer. Europa als großer Verlierer eines bevorstehenden Deals zwischen Washington und Moskau? Bemerkenswert sei die Dynamik, die sich in der Ukrainefrage entfalte. „Wir haben einen Präsidenten Trump, der, bevor er mit den Europäern oder Ukrainern redet, mit Präsident Putin spricht und seinen Verbündeten das Ergebnis kühl und machtpolitisch auf den Tisch knallt“, so Reisner. Die Hoffnungen der europäischen Ukraine-Alliierten, Keith Kellogg, der US-Sondergesandte für die Ukraine, werde auf der am Wochenende stattfindenden Münchner Sicherheitskonferenz die Europäer mit ins Boot holen, hätten sich nun in Luft aufgelöst. „Die USA haben die Ukraine fallen gelassen“, meint Reisner, der für die Berliner Zeitung die Kriegslage in der Ukraine in den vergangenen Jahren analysiert und eingeordnet hat. Die angeschlagene Moral der ukrainischen Soldaten, die die Meldungen über einen bevorstehenden Trump-Putin-Deal natürlich auch im Schützengraben im Donbass mitbekommen, werde weiter leiden. Auch wenn Reisner davon ausgeht, dass die Ukraine weiter Widerstand gegen Russland leisten wird, schließt er nicht aus, dass die Front in der Ost- und Südukraine angesichts der aktuellen Dynamik zusammenbrechen könnte. Zentral sei außerdem, ob Europa ausbleibende US-Hilfen kompensieren könne. „Die Europäer müssen nun rasch einen Plan entwickeln“, fordert der Militärexperte. Lange Zeit hätten sich die großen EU-Mitgliedstaaten auf die Vereinigten Staaten verlassen. Der Zustand der europäischen Armeen sei dementsprechend nicht in der Lage, die militärische Unterstützung der Amerikaner für Kiew zu ersetzen. Einerseits habe Europa nicht die militärisch-industriellen Kapazitäten wie die USA; andererseits verlangsamen langwierige bürokratische Prozesse die Modernisierung der Armeen. Die Sicherheitsexpertin Claudia Major und Oberstleutnant Aldo Kleemann von der Stiftung Wissenschaft und Politik schreiben in einer Publikation zu den Parametern eines möglichen Waffenstillstands: „Die geografische Lage ist dabei eine immense Herausforderung. Die Grenze zwischen der Ukraine und Russland ist etwa 2300 km lang. Hinzu kommen die rund 1100 km Grenzverlauf zwischen der Ukraine und Belarus, welches eng mit Russland verbunden ist. Die aktuelle Frontlinie erstreckt sich über etwa 900 km. Russland hat derzeit etwa 600.000 Soldaten im Einsatz.“ Militärfachmann Reisner meint dazu, dass die Europäer, rein numerisch, die Ukraine ausreichend unterstützen könnten. Doch das sei nur in der Theorie so. „Der politische Wille fehlt jedoch“, sagt der Österreicher, der darauf verweist, dass die EU in wesentlichen Fragen zur Ukraine gespalten ist. Während die Balten, Polen und Skandinavier für weitreichende und anhaltende militärische Ukraine-Unterstützung plädieren, zählen Ungarn und die Slowakei als größte Widersacher einer solchen Politik innerhalb der EU und Nato. Auch im Bereich der militärischen Abschreckung könne Europa ohne die USA nicht mit Russland mithalten. „Wenn wir jetzt von Abschreckung sprechen, dann müssen wir jenes Waffensystem heranziehen, das das Verheerendste und Wichtigste ist – und ich weiß, dass klingt hart und wir wollen es nicht hören – die Atomwaffen“, so Reisner. „Und hier sage ich klar, dass die Nato nur funktioniert, weil sie durch die USA im Wesentlichen gestützt wird. Fällt das nukleare Potenzial Washingtons weg, hat die Nato nur sehr eingeschränkt eine abschreckende Fähigkeit, die auf Augenhöhe mit dem russischen Arsenal agiert.“ Für Reisner ist zudem etwas Entscheidendes passiert. „Erinnern Sie sich, als Barack Obama 2014 Russland eine Regionalmacht nannte“, sagt Reisner. Trump habe Putin hingegen als „World Leader“ (zu Deutsch: globaler Anführer) bezeichnet. „Das Narrativ, dass Russland nur ein regionaler Akteur ist, hat die USA mit dem Telefonat faktisch revidiert“, so der Militärhistoriker. Die USA würden nun auf Augenhöhe mit Russland über den Ausgang des Ukrainekrieges verhandeln. „Das ist ein wahrer Paradigmenwechsel, eine gravierende Zeitenwende.“ Vor allem für die europäische Sicherheitspolitik.