Wednesday, July 17, 2024
Sogar billiger in der Schweiz: Deutsches Traditionsunternehmen investiert jetzt hauptsächlich im Ausland
Merkur
Sogar billiger in der Schweiz: Deutsches Traditionsunternehmen investiert jetzt hauptsächlich im Ausland
Katharina Bews • 16 Std. • 2 Minuten Lesezeit
Deutschland „nicht mehr der attraktivste“
Die Holzhack- und Kettensägenwettbewerbe erfreuen sich in den USA großer Beliebtheit, wo das Unternehmen auch den größten Teil seines Umsatzes erzielt.
Der Kettensägenhersteller Stihl verlagert seine Investitionen zunehmend ins Ausland. Hohe Bürokratiehürden seien dabei nur ein Faktor, bei dem es dem Unternehmen an politischem Willen fehle.
New York - In New York wird zu Ehren von Nikolas Stihl der rote Teppich ausgerollt. Der Beiratsvorsitzende des Kettensägenherstellers Stihl wurde von der Johns-Hopkins-Universität am Freitag (12. Juli) mit dem „Global Leadership Award“ ausgezeichnet. Die Kettensägen des deutschen Unternehmens haben in den USA bereits seit Jahren Kultstatus erreicht. In Deutschland hingegen kämpft Stihl mit Herausforderungen. Hohe Kosten und Bürokratiehürden ziehen viele Unternehmen, darunter auch Stihl, ins Ausland. Deutschland bleibt dabei auf der Strecke, was unter anderem der Politik angelastet wird.
Größter Markt für Stihl in den USA - Attraktivität des deutschen Standorts nimmt ab
Vor knapp 100 Jahren wurde das reine Familienunternehmen Stihl mit Sitz in Waiblingen, bei Stuttgart gegründet. Der größte Produktionsstandort befindet sich dennoch in Virginia Beach, in den USA. Mehr als 275 Modellvarianten werden dort hergestellt und tragen mittlerweile auch das Wappen „Made in USA“. Das spiegelt sich auch im Umsatz wider. Rund 5,3 Milliarden Euro beträgt der Gesamtumsatz des Unternehmens laut Geschäftsbericht. Zwei Milliarden davon gehen laut eines Berichts der Welt auf die USA zurück. Das macht das Land zum größten Markt für die Stihl-Kettensägen.
Dass die Kettensägen in den USA hoch im Kurs stehen, bestätigt die Verleihung des Global Leadership Award an Nikolas Stihl am Freitag. Auch das Magazin Forbes hat das Unternehmen erneut in die Liste der besten mittelständischen Arbeitgeber aufgenommen. Zudem erfreuen sich die Timbersports-Meisterschaften im Holzhacken und Schnellsägen des Unternehmens eines Millionenpublikums.
„Aktuell ist der Standort Deutschland nicht mehr der attraktivste auf der Welt“, bestätigt Nikolas Stihl in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Die Rahmenbedingung hätten sich laut des Beiratsvorsitzenden in den vergangenen Jahren verschlechtert. Manche Investitionen seien daher für ihn im Vergleich zu anderen Standorten nicht mehr wettbewerbsfähig. Der geplante Bau eines neuen Werkes in Ludwigsburg liegt erstmal auf Eis. Andere Investitionen in neue Fertigungen in Deutschland seien in den nächsten fünf Jahren „ganz bestimmt“ nicht geplant.
Politischer Wille in Deutschland fehle - Produktion sogar billiger in der Schweiz
„In der Schweiz passt das Gesamtpaket aus steuerlicher Belastung, Lohnnebenkosten, Energiepreisen, Genehmigungsprozessen und den Kosten für die Arbeitsstunde. Die Schweiz ist für uns momentan günstiger als eine Investition in Deutschland“, erzählt Stihl. In den USA liegen die Herstellungskosten zudem 30 Prozent unter den der Deutschen. Auch andere deutsche Unternehmen tätigen immer mehr Investitionen im Ausland.
Neben den hohen Produktionskosten kämpfen Unternehmen wie Stihl vor allem mit dem erheblichen Bürokratieaufwand in Deutschland. Auch der Fachkräftemangel und die hohen Energiekosten sind große Herausforderungen. Gegen die letzten beiden Faktoren könne man wenig tun, meint Stihl. Doch Bürokratie und staatliche Ausgaben für die Wirtschaft seien Bereiche, die politisch beeinflusst werden könnten. „Auf absehbare Zeit ist kein politischer Wille zu erkennen, diese Belastungen zu senken, sondern es werden ständig neue diskutiert“, heißt es weiterhin im FAZ-Interview, „Zusammengefasst: Es könnte besser sein, aber auch viel schlimmer.“