Friday, February 14, 2025

US-Vizepräsident auf der Münchener Sicherheitskonferenz: Bei J.D. Vance klingt sieht in Eiuropa vor allem eine Gefahr

DER SPIEGEL US-Vizepräsident auf der Münchener Sicherheitskonferenz: Bei J.D. Vance klingt sieht in Eiuropa vor allem eine Gefahr Francesco Collini • 1 Std. • 4 Minuten Lesezeit Statt sich zu den Brandherden der Welt zu äußern, Ukraine, Nahost etwa, nutzt Trumps Vize J.D. Vance seine Rede in München für eine Tirade gegen Europa. Der Kontinent ist für ihn vor allem eine Gefahr. Am Ende bleibt der große Knall aus. Als US-Vizepräsident J.D. Vance seine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz beendet, schauen viele Journalistinnen und Journalisten im Media-Center einander ratlos an. Die Zukunft der Ukraine, die Lage in Nahost, gar den kolportierten Teilabzug der US-Truppen aus Europa? All das kommt in Vance' Rede nicht vor. Die vielen Spekulationen, die es in den vergangenen Stunden und sogar Minuten vor Vance' Rede gab: verpufft. Er wolle über »geteilte Werte« sprechen, sagt Vance, blauer Anzug und freundliche Miene, zu Beginn. Er spricht über seinen ersten Besuch in München, dann gedenkt er der Opfer des gestrigen Anschlags. »Wir beten für Sie«, sagt Vance und bekommt reichlich Applaus. »Ich hoffe, das ist nicht die letzte Applausrunde, die ich bekomme«, scherzt er. Ein nur scheinbar charmantes Intro. Denn in den folgenden Minuten stellt der US-Vizepräsident infrage, ob es diese gemeinsamen Werte zwischen Europa und den USA überhaupt noch gebe: Die größte Bedrohung für Europa, sagt er, »ist nicht Russland, ist nicht China und ist überhaupt kein ausländischer Akteur«, sondern »die Bedrohung von innen«. Er meint damit einen angeblichen »Rückzug Europas« von seinen Idealen. Er vergleicht europäische Praktiken in der Social-Media-Moderation mit sowjetischen Methoden, spricht von vorgeblicher »Zensur«, von einer Unterdrückung von Anti-Abtreibungs-Aktivisten oder Journalisten. Die Wahl in Rumänien sei wegen angeblicher russischer Einmischung annulliert worden, sagt Vance und lässt durchblicken: Er glaubt nicht dran. Die Europäer würden sich hinter »Begriffen aus der sowjetischen Ära wie Missinformation und Desinformation verstecken«, aber in Wirklichkeit gehe es nur darum, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen, behauptet der Vizepräsident der USA. Im Publikum ist der Applaus nur noch spärlich. Vor allem sind reglose Gesichter zu sehen. »Ein neuer Sheriff an der Macht« »In Washington«, so sagt Vance, »ist ein neuer Sheriff an der Macht«. Was mitschwingt: Dieser Sheriff meint es nicht gut mit einem Europa, das nicht mit seiner rechtspopulistischen Gangart übereinstimmt. Vance' Rede ist eine rhetorische Demontage Europas als Ort der Meinungsfreiheit. Darin mutet der Kontinent fast wie eine stalinistische Diktatur an. Statt eines weltgewandten Vizepräsidenten lernen die Europäer den brachialen Kulturkämpfer kennen, den die USA im Wahlkampf erlebt haben. Man muss es einmal ausbuchstabieren: Der US-Vizepräsident kommt nach Europa und erklärt, die größte Gefahr sei nicht das Russland, das auf diesem Kontinent seit drei Jahren einen Angriffskrieg führt – sondern die Politik der hiesigen demokratischen gewählten Regierungen. Um die Ukraine, um Russland, um China, um den Nahen Osten, um Außenpolitik im Allgemeinen geht es in dieser Rede kaum oder gar nicht. »Die Trump-Regierung hält es für wichtig, dass Europa seine Verteidigung stärkt«, sagt Vance pauschal, bevor er die europäischen Regierungen angreift, und wiederholt damit eine altbekannte Forderung Trumps. Das Wort »Ukraine« fällt nur in zwei Halbsätzen. Geplatzte Erwartungen Vance lässt so gut wie alle Fragen offen, die vor seiner Rede im Raum standen. Der Trump-Vize hätte einiges zu erklären gehabt. Noch am Rande der Sicherheitskonferenz sollen Gespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj anstehen. Und es sind nur zwei Tage seit Trumps Anruf mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Krieg in der Ukraine vergangen, mit dem der US-Präsident die ukrainische Regierung überging und die Europäer düpierte. Zudem hatte Verteidigungsminister Pete Hegseth in einem bemerkenswerten Auftritt bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel in dieser Woche die Perspektive eines ukrainischen Nato-Beitritts abgeräumt und den Europäern fast die alleinige Verantwortung für die Sicherung des künftigen Friedens in der Ukraine zugeschoben. Hinzu kommt die Ankündigung von Zöllen auf Stahl und Aluminium, die Europa besonders hart treffen. Noch überraschender wirken Vance' Tiraden mit Blick auf das zuvor verbreitete Gerücht, in seiner Rede werde er einen Teilabzug der US-Truppen aus Europa ankündigen. Wenige Stunden vor dem Auftritt hatte der Vorsitzende der Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen im Deutschlandfunk gesagt, er vermute eine solche Verkündung. Wie sehr die Europäer sich auf ein solches Szenario eingelassen hatten, machte sich etwa bei der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bemerkbar, der kurz vor Vances Rede die Konferenz eröffnet hatte. »Ich habe darüber heute Morgen mit Vizepräsident Vance gesprochen«, sagte Steinmeier mit Blick auf einen möglichen Truppenabzug. »Und ich habe ihm gesagt: Was immer ihr entscheidet, diskutiert es mit uns.« Das bedeutet längst nicht, dass die USA dieses Vorhaben auf Eis gelegt hätten – im Gegenteil. Der Auftritt verstärkt den Eindruck, der nach Trumps Telefonat mit Putin entstanden war: Dass diese US-Regierung Europa kaum benötigt, um Probleme selbst auf dieser Seite des Atlantiks zu lösen – und dass sie bereit ist, von der transatlantischen Freundschaft abzukehren.